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Kommentar: Winterspiele in Peking: Warum ein Boykott keine Lösung ist

Kommentar

Winterspiele in Peking: Warum ein Boykott keine Lösung ist

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    Die Olympischen Winterspiele finden 2022 in Peking statt.
    Die Olympischen Winterspiele finden 2022 in Peking statt. Foto: Kyodo, dpa

    Olympia ohne Zuschauer, mit massiven Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und einem Test-Marathon war eine Zumutung für alle Beteiligten in Tokio. Wegen der Verschiebung der Spiele in den August 2021 folgt nur ein gutes halbes Jahr später die Winter-Ausgabe. Die schlechte Nachricht: Es kommt in Peking 2022 noch viel schlimmer. Fanden die jüngsten Wettkämpfe im Zeichen der Ringe noch in einer westlichen Demokratie statt, diktiert ab dem 4. Februar das autoritäre China die Spiele-Regeln. Der Staat riegelt ab.

    Die Corona-Pandemie liefert den Organisatoren das perfekte Feigenblatt, um Sportler, Journalisten und Funktionäre noch lückenloser zu kontrollieren. Heimisches Publikum ist zugelassen, internationalen Zuschauern sowie Sponsoren bleibt der Zutritt verboten. Das Playbook, der Leitfaden zu den Spielen, verheißt nichts Gutes.

    Für die Athleten gilt praktisch eine Impfpflicht

    Im Grunde gilt die 2G-Regel. Die Chinesen lassen zwar auch Ungeimpfte in ihr Reich, doch wer ohne Piks kommt, muss eine 21-tägige Quarantäne absolvieren. Unter der Obhut des Staates. Abgesehen von den Begleitumständen der Kasernierung: Nach drei Wochen ohne eine Trainingsminute kann man getrost wieder die Koffer packen. An sportliche Höchstleistung ist nicht zu denken.

    Große Emotionen werden die Olympischen Winterspiele wohl nur in seltenen Fällen hervorrufen.
    Große Emotionen werden die Olympischen Winterspiele wohl nur in seltenen Fällen hervorrufen. Foto: Mark Schiefelbein, AP/dpa

    Peking ist die erste Stadt der Welt, die nach den Sommerspielen 2008 nun auch die Schnee-Version austragen darf. Während München, Olympiastadt im Sommer 1972, mit der Bewerbung für die Winterspiele 2022 bereits am Veto der Bevölkerung früh scheiterte, drückte das Regime in Peking sein Prestigeprojekt problemlos durch. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit Thomas Bach an der Spitze spielte begeistert mit. Auch weil sich das Milliarden verschlingende Sportspektakel in autoritär geführten Staaten ohne Widerstand aus der Bevölkerung umsetzen lässt. Nach den Sommerspielen 2008 in Peking war die Hoffnung groß, dass sich das Riesenreich weiter öffnet. Die Handelsbeziehungen wurden ausgebaut. Eine Annäherung an den Westen schien von beiden Seiten erwünscht.

    Umerziehung und Folter sind für das IOC kein Problem

    Die Hoffnungen sind verflogen. Aktuell kann das Klima als so frostig bezeichnet werden, wie die Verhältnisse in den Bergen nahe der chinesischen Hauptstadt – trockene Kälte bei minus 25 Grad.

    Die USA und ihre politischen Verbündeten haben mehr als nur eine Meinungsverschiedenheit mit dem chinesischen Problembären. Die Jugend der Welt trifft sich in einem Land, dem Menschenrechte wenig bedeuten und in dem es nach Einschätzung von Fachleuten Umerziehungslager und Folter gibt. Die Demokratie in Hongkong wird geknebelt, Minderheiten in Xinjiang und Tibet werden unterdrückt. Die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen lässt die Regierung um Präsident Xi Jinping teflonartig an sich abperlen. Die Machthaber legten sich eine Wagenburgmentalität Putinscher Prägung zu. Die Argumentationslinie gegenüber der eigenen Bevölkerung: der Westen gönnt China seinen Aufstieg nicht.

    Längst fordern politische Aktivisten einen Boykott. Doch die Sportlerinnen und Sportler sind die falschen Ansprechpartner. Während die Politik sich in diplomatischen Verrenkungen übt, sollen die Aktiven klare Kante zeigen? Ein Olympia-Boykott – siehe Moskau 1980 – ist ein stumpfes Schwert. Vielmehr bedarf es einer grundlegenden Reform des IOC. Die machtverliebten Herren der Ringe müssen sowohl die Vergabe wie auch die Spiele selbst – Stichwort Gigantismus – neu denken. Damit Olympia nicht zu einer lästigen Pflichtübung verkommt. Die jüngeren Aktiven freuen sich allerdings schon auf die Winterspiele – 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo.

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