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Kommentar: WM 2014: Neue Freunde für Deutschland

Kommentar

WM 2014: Neue Freunde für Deutschland

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    Die deutsche Nationalmannschaft wird in Brasilien sehr gemocht.
    Die deutsche Nationalmannschaft wird in Brasilien sehr gemocht. Foto: Marc Müller (dpa)

    Die Fußball-Weltmeisterschaft, die in vieler Hinsicht mit Rückstand ins Spiel gegangen ist, hat deutlich aufgeholt. Die Stadien sind fertig geworden. Die Flugzeuge fliegen, die Busse fahren und die Polizei ist im Dienst. Dass viele Straßen, auf denen der angeschwollene WM-Verkehr rollen sollte, noch Lehmpisten sind, nehmen Brasilianer und Gäste mit Gleichmut hin.

    Das Chaos, das viele Experten dieser WM prophezeit haben, ist jedenfalls ausgeblieben. Kaum Proteste und Demonstrationen, wie sie vor einem Jahr beim Confederations Cup, dem Testlauf zur Weltmeisterschaft, das Land in Atem hielten. Nicht, dass es keinen Anlass mehr dafür gibt. Schließlich ist nichts von dem, was die Regierung verbessern muss, besser geworden. Gesundheitswesen, Infrastruktur, Kriminalität, Korruption – das alles lastet weiter auf dem Land.

    Der Fußball regiert Brasilien

    Jetzt aber rollt der Ball und Brasiliens religiöse Hingabe an den Fußball hat sich wie ein Rauschmittel über den Alltag gelegt. Inzwischen regiert der Fußball das Land. Die Hoffnung der Brasilianer, die größte zivile Bewegung der spielerischen Welt werde für einige Wochen über die real existierenden Probleme triumphieren, beginnt sich zu erfüllen. Neymar und die Seleção haben mit ihren Auftritten entscheidend dazu beigetragen. Das Land feiert seine Helden – und ein wenig auch sich selbst. Es sind nicht mehr viele geblieben, die in dieser Atmosphäre noch demonstrieren wollen. Die wenigen treffen auf die schwer bewaffnete Polizei.

    Es ist dies das andere Gesicht der WM. Allerdings kein spezifisch brasilianisches. Es taucht inzwischen bei allen sportlichen Großereignissen auf. Keine Weltmeisterschaft, keine Olympischen Spiele, die nicht im Stile eines Weltwirtschaftsgipfels von hochgerüsteten Sicherheitskräften bewacht sind.

    Die deutsche Elf präsentiert sich offen, freundlich und Brasilien zugewandt

    Umso erfreulicher, dass es auf der anderen Seite schönere Gesichter gibt. Eines davon ist das der deutschen Mannschaft. Sie hat in Brasilien jenen Weg fortgesetzt, den sie 2006 beim deutschen Sommermärchen eingeschlagen hat und vor vier Jahren in Südafrika weitergegangen ist. Thomas Müller & Co. präsentieren sich in Brasilien freundlich, offen und dem Land zugewandt. Dass es in Campo Bahia, dem deutschen WM-Quartier, Proteste der Inselbewohner gegen die strengen Sicherheitskontrollen gab, lag nicht an den Deutschen. Für Sicherheit sind die Kommunen verantwortlich.

    Das deutsche Team hat sich trotzdem um Entspannung bemüht, was ihm unter den Brasilianern Sympathien eingebracht hat. Ein solches Verhalten ist Teil des Selbstverständnisses, mit dem die Nationalelf im Ausland auftritt. Sie will mehr sein, als nur die Auswahl der besten Fußball-Söhne des Landes. Löw, Bierhoff & Co. verstehen sich als deutsche Botschafter. Eine Haltung, die sie den Spielern vorleben, die sie aber auch von ihnen einfordern. Die Nationalmannschaft und ihr Spiel stehen für ein Deutschland, das in Brasilien viele Freunde hat. Multikulturell, offen, geordnet, kunstvoll und fair. Damit liegt

    Müller & Co. werden gemocht

    Müller & Co. werden nicht nur respektiert oder gar gefürchtet, wie die Fußball-Germanen der 80er Jahre, die humorlos in jedes Finale einzogen, das sich ihnen bot – sie werden auch gemocht. Das ist mehr, als sie auf dem Platz erreichen können. Genau dort aber haben sie vor dem Spiel gegen die USA noch nichts gewonnen, mögen Träumer das auch anders sehen. Wer die Wechselfälle des Fußballs kennt, und daraus angemessen Demut entwickelt hat, der weiß: Deutschland beginnt heute Abend wieder bei null. Genauer sogar bei 0:0.

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