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Kommentar: Nach der WM-Pleite: Es ist Zeit für Löw zu gehen

Kommentar

Nach der WM-Pleite: Es ist Zeit für Löw zu gehen

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    Die Enttäuschung steht Bundestrainer Joachim Löw und den Spielern der DFB-Elf nach dem Vorrunden-Aus ins Gesicht geschrieben.
    Die Enttäuschung steht Bundestrainer Joachim Löw und den Spielern der DFB-Elf nach dem Vorrunden-Aus ins Gesicht geschrieben. Foto: Timgroothuis, Witters

    Die beste Nachricht des Tages: Es geht weiter. Das war nicht sicher zu erwarten gewesen nach einem Abend, an dem die deutsche Fußball-Nationalelf zum ersten Mal in ihrer Geschichte in der Vorrunde die Segel streichen musste. Rollläden herunterlassen, das Land ohne Masterplan absperren und den Schlüssel wegwerfen – mit diesem Gefühl sind viele der 25 Millionen TV-Augenzeugen gestern aufgestanden.

    Aber so einfach ist es nicht. Wenn seine besten Fußballsöhne verlieren, kann das Land nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Schon gar nicht nach einem solchen K. o. Als Gruppenletzter gedemütigt und in den Seilen hängend. Das nimmt das Land seinen Kickern übel. Schließlich haben es die Menschen auch persönlich genommen, als Joachim Löw mit seiner Truppe vor vier Jahren in Brasilien den WM-Titel gewonnen hat. Alle waren wir Weltmeister. Und jetzt? Kein Sommermärchen, keine Landesbeflaggung, kein Wir-Gefühl. Stattdessen zusammen mit Panama und Saudi-Arabien rausgeflogen. Der Sommer vorbei. Es herbstelt und die Grenzen schließen.

    Dabei war Deutschland angetreten, seinen WM-Titel zu verteidigen. Größer hätte die Fallhöhe nicht sein können. Da kommt jener Ärger auf, der in eine eilige Suche nach Gründen und einem Schuldigen für das Desaster mündet. Im Fußball ist das traditionell der Trainer, der die Verantwortung trägt. Ihn entlassen – eine einfache Lösung, die vom Druck befreit und Neuanfang signalisiert.

    Die Erdogan-Affäre hat dem Teamgeist geschadet

    Aber so einfach Fußball aussieht, so schwierig ist er zu erklären. Wahrscheinlich hat das deutsche Desaster bereits mit der Vorstellung begonnen, in Russland den WM-Titel verteidigen zu können. Wer nämlich die DFB-Auswahl nüchtern betrachtet hat, musste zu dem Schluss kommen, dass der Kader von 2018 in der Spitze nicht mehr die Qualität der Brasilien-Expedition besaß. Die abgetretenen Lahm, Schweinsteiger und Klose waren nicht zu ersetzen. Dafür spielte plötzlich Erdogan mit.

    Die Affäre hat dem Teamgeist zweifellos geschadet. Ob sie etwas damit zu tun hat, dass Hummels gegen Südkorea aussichtsreich übers Tor köpfte? Sicher nicht. Ob Özil und Gündogan an ihr zu schleppen hatten? Vielleicht. Die sozialen Netze können auch gestandenere Typen aus der Bahn werfen.

    Dass die Diskussion um das dumme Fotoshooting einer ganzen Mannschaft Geist und Leben raubt – wohl kaum. Trotzdem wirkte die deutsche Elf von Beginn an tot. Leidenschaftslos und ohne Selbstvertrauen. Verhangen in jener Komfortzone, die ihr der Deutsche Fußball-Bund und sein Teammanager Oliver Bierhoff nach allen Regeln der Inszenierung, abseits vom Fan-Volk, geschaffen hat. Eine eigene Welt, die Egomanen züchtet und das Behäbige fördert.

    "Die Mannschaft" war in Russland keine Mannschaft

    Unter dem Label „Die Mannschaft“ hat Bierhoff die deutsche Expedition durch die Welt geschickt. Genau das aber waren Hummels & Co. nicht. Spätestens hier kommt der Trainer ins Spiel. Joachim Löw hat in Russland nicht geschafft, was ihm bislang gelungen ist: eine hingebungsvolle Elf auf den Platz zu bringen. Er hat sein Aufgebot gerührt und geschüttelt, ohne dass etwas besser wurde.

    Mit einigen Spielern arbeitet Löw seit 14 Jahren. In jeder Langzeitbeziehung aber schlafen Dinge ein. Der Bundestrainer war in Russland mit seinem Latein am Ende. Eine Erfahrung, die er in seinem Amt nicht mehr loswerden wird – außer er gibt es frei. Er hat es selbst in der Hand. Solange das noch so ist, sollte er es tun. Es ginge dann ein erfolgreicher, sympathischer Bundestrainer, der dem Land unvergessliche Erlebnisse beschert und uns vor vier Jahren zu Weltmeistern gemacht hat.

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