In kaum einem anderen Land war der Bund von Politik und Sport so teuflisch wie in der DDR. Der Staat hat sich der Sportler bedient, sie gekauft und missbraucht. Er hat sie mit Privilegien geködert, mit Dopingmitteln vollgepumpt, zur Medaillenjagd abgerichtet und zum Bespitzeln gedrängt.
Als die Mauer fiel entließ das System körperlich und seelisch beschädigte Athleten, die unter ihrer Vergangenheit litten und an ihrer Gegenwart krank wurden. Einer war der ehemalige Zehnkampf-Olympiasieger Christian Schenk, der seit Jahren mit schweren Depressionen kämpft und sich vor kurzem als Dopingsünder in DDR-Diensten offenbart hat.
Eine andere ist Heike Drechsler. Der ehemals besten Weitspringerin der Welt war es vergönnt, ihre Karriere nach dem Mauerfall ohne Brüche fortzusetzen. Andere wären unter den massiven Doping- und Stasivorwürfen möglicherweise in die Knie gegangen. Die Thüringerin dagegen hat sie ausgesessen, ignoriert und ertragen.
Heike Drechslers Flucht nach vorne
Im Fall der Stasi-Vorwürfe – Drechsler soll unter dem sinnigen Pseudonym „IM Jump“ für die Staatssicherheit gespitzelt haben – ist ihr nun erfolgreich die Flucht nach vorne gelungen. Ein Gutachten bestätigt ihr zwar Nähe zur Stasi aber keine Mitarbeit. Demnach gab es zwar eine Weitspringerin Heike Drechsler, die wie viele andere Athleten in den Dunstkreis der Stasi gelockt wurde, aber keine „IM Jump“ Drechsler. Ein später Sieg. Einen weiteren könnte sie erringen, wenn sie es schafft, ihre stichhaltig belegte Doping-Vergangenheit einzugestehen. Es wäre ein noch viel größerer Triumph. Einer über sich selbst.
Lieber aber erzählt sie die Unwahrheit. Einen Prozess gegen die Autorin Brigitte Berendonk, die sie der Lüge bezichtigte, hat Drechsler 1993 verloren. Der 53-Jährigen hilft gegen den Dopingschatten, der auf ihr lastet, kein weiteres Gutachten - sondern ausschließlich die Wahrheit.