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Kommentar: Die UEFA sorgt sich nicht um die Gesundheit der Fans

Kommentar

Die UEFA sorgt sich nicht um die Gesundheit der Fans

Stefan Lange
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    Trotz Corona ist das EM-Stadion in Budapest komplett auserkauft.
    Trotz Corona ist das EM-Stadion in Budapest komplett auserkauft. Foto: dpa

    Die Fußball-Europameisterschaft mutet den Menschen auch abseits des Geschehens auf dem Rasen einiges zu. Gastkommentatoren im Fernsehen etwa, die mit der deutschen Sprache sinnbildlich das tun, was sie früher mit dem Ball gemacht haben: Heftig dagegen treten und hoffen, dass irgendwie ein Treffer daraus wird. Während man diesem Missstand abhelfen kann, in dem man den TV-Ton aus- und das Radio einschaltet, geht das bei einer ungleich größeren Zumutung nicht. Die Bilder von tausenden Fans, die sich in den Stadien drängen, brennen sich ein, man kann ihnen nicht entkommen. Mit jeder Spielminute steigert sich der Ärger über das, was der europäische Fußballverband UEFA da veranstaltet.

    Knapp 23.000 Fans waren beispielsweise beim Spiel Frankreich gegen die Schweiz dabei. Sie hatten Dank der Torflut viel Gelegenheit, sich schweißgebadet in die Arme zu fallen, sich zu herzen und zu drücken – und Viren zu übertragen. Wenn Corona-Tests und die Impfungen eine hundertprozentige Sicherheit bieten würden, dass jemand nicht ansteckend ist, wäre das kein Problem. Diese absolute Gewissheit gibt es aber nicht. Noch nicht jedenfalls.

    Gesundheit ist ein Menschenrecht und höher einzuordnen als das Recht auf Spaß

    Die Befürworter der offenen Stadien verweisen nicht ganz zu Unrecht darauf, dass nach Monaten der Entbehrungen endlich auch mal wieder Zeit für Torjubel und Fangesänge sein muss. Gesundheit jedoch ist ein Menschenrecht und höher einzuordnen als das Recht auf Spaß.

    Spaß wollten auch die Fans haben, die im Februar letzten Jahres das Champions-League-Spiel zwischen Atalanta Bergamo und dem FC Valencia vor und im Stadion von Mailand verfolgten. Corona war da bereits ein Thema, wurde aber nicht ernst genommen. Das Ergebnis ist bekannt. Die Provinz Bergamo, aus der zehntausende Anhänger zum Spiel angereist waren, wurde zu einem der ersten Corona-Hotspots in Europa und hatte schrecklich viele Tote zu beklagen. Ein direkter Vergleich mit den EM-Spielen verbietet sich zwar, weil das Wissen über die Pandemie gestiegen ist und es viele Gegenmaßnahmen gibt.

    Das Stadion in Mailand war beim Champions-League-Spiel Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia ausverkauft. Corona wurde im März 2020 noch nicht ernst genommen.
    Das Stadion in Mailand war beim Champions-League-Spiel Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia ausverkauft. Corona wurde im März 2020 noch nicht ernst genommen. Foto: Antonio Calanni, AP, dpa (Symbolbild)

    Der Sport und insbesondere der Fußball haben eine große Vorbildfunktion. Dem Betrachter aber zeigt sich da gerade ein sehr schiefes Bild. Wenn Fans und Spieler alle Regeln außer Acht lassen, warum sollen die feiernden Jugendlichen in den Parks und die Menschen in den Biergärten sie dann beachten?

    Die UEFA will möglichst viele Zuschauer und Zuschauerinnen in den Stadien

    Schuld an der Misere hat die UEFA. Sie hat die Betreiber der EM-Stadien schon früh gedrängt, möglichst viele Zuschauerinnen und Zuschauer zuzulassen. Der gierige Verband sorgt sich um die schönen Bilder und die damit verbundenen Werbeeinnahmen, nicht aber um die Gesundheit der Fans. Für das Finale im Londoner Wembley-Stadion (zu dem sagenhafte 45.000 Zuschauerinnen und Zuschauer eingelassen werden sollen) haben die skrupellosen Funktionäre tatsächlich Ausnahmen von den Quarantäneregelungen für rund 2500 VIPs gefordert. Um die Forderung durchzusetzen, drohten sie mit der Verlegung des Finalspiels nach Budapest.

    Die britische Regierung knickte ein und tat damit das, was alle Regierungen bei der UEFA tun. Sie trauen sich zwar, den Amateurkickern das vergleichsweise virenfreie Spielen auf dem heimischen Rasen zu verbieten. Bei den großen Teams jedoch kuschen sie und schauen zu, wie sich Menschen in Gefahr bringen.

    Zwar mehren sich jetzt auch die Stimmen aus dem politischen Raum, die das Verhalten der UEFA und die vielen Fans im Stadion kritisieren. Doch diese Reaktionen kommen so wie ein Tor nach dem Abpfiff: Viel zu spät. Es bleibt gerade nur die Hoffnung, dass es irgendwie gut geht und Europa nach dem EM nicht noch eine traurige Verlängerung erlebt.

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