Olympische Spiele hatten schon immer die Eigenschaft, im Vorfeld hart kritisiert zu werden. Meist zu Recht. Denn natürlich ist die ganze Sache aus dem Ruder gelaufen. Natürlich ist es Gigantismus, den das Internationale Olympische Komitee betreibt. Wer in Tokio die riesigen leeren Tribünen und Stadien sieht, muss sich ganz automatisch fragen, was das alles soll. Doch bisher gab es mit Beginn der Eröffnungsfeier diesen höchst erstaunlichen, wohl aber zutiefst menschlichen Reflex zu beobachten, nämlich all das, was vorher war, zu verdrängen.
Der Sport schreibt nun seine Geschichten
Wenn die ersten Entscheidungen fallen, wenn Tränen der Freude und Enttäuschung fließen, dann übernehmen die Emotionen die Kontrolle. Dann wirkt die Magie der Olympischen Spiele. Dann waren bisher noch immer all die Umweltsünden beim Bau der Sportanlagen vergessen, all die Ungerechtigkeiten den Menschen vor Ort gegenüber. Die ganzen Diskussionen um Nachhaltigkeit interessieren nicht mehr, wenn der Sport seine Geschichten schreibt.
Denn die sind so herrlich einfach. Man kann mit den Sportlerinnen und Sportlern leiden und jubeln. Da stören all die Nörgler und Kritiker nur, die in jeder Suppe ein Haar finden wollen. Am Ende kommt dann auch noch jemand mit diesem leidigen Doping daher.
Betrüger fliegen erst später auf
Zumindest letztgenannte Angelegenheit hat sich mittlerweile zu einem Thema entwickelt, das meist erst weit nach den Spielen aktuell wird. Dann nämlich, wenn die während der Wettkämpfe genommenen Proben noch einmal mit neuen und verbesserten Methoden überprüft werden. Regelmäßig fliegen Betrüger erst nach Jahren auf.
Dann werden Medaillen aberkannt und an andere, vermeintlich saubere Sportlerinnen und Sportler vergeben. All die Emotionen sind dann aber längst erlebt, Prämien ausgeschüttet, Werbeverträge erfüllt und beendet. Das Leben geht weiter. Manchmal schicken die nachträglich erwischten Dopingsünder noch nicht einmal die Medaillen zurück. Es dopen doch eh alle, wieso soll ausgerechnet ich jetzt bestraft werden...?
Vielleicht mag es mancher oder manchem beim Anblick außergewöhnlicher Leistungen in den kommenden Tagen durch den Kopf gehen, ob da alles mit rechten Dingen zugeht. Es hat doch jeder aber auch das Recht, sich von den Leistungen verzaubern zu lassen? Richtig oder falsch gibt es hier nicht. Vielleicht ist der Mittelweg der richtige, wie langweilig. Einige Sieger, die wir heute bejubeln, werden später in den Laboren entzaubert. Egal. Lasset die Spiele beginnen.