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Kolumne: Depressionen: Wenn Angst die Seele auffrisst

Kolumne

Depressionen: Wenn Angst die Seele auffrisst

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    Immer mehr Menschen leiden an Depressionen.
    Immer mehr Menschen leiden an Depressionen. Foto: Sina Schuldt, dpa

    Die Schwimmerin Denise Grahl hat als Grund für ihre kurzfristige Absage an den Paralympics psychische Probleme genannt. „Ich konnte eine Woche vorher nicht mehr trainieren. Der letzte Punkt war, dass ich zum Training gegangen bin und heulend in der Umkleide stand. Dann war für mich halt Schluss“, sagte die 28-Jährige. Im April hatte bereits in Maike Naomi Schwarz eine weitere Mitfavoritin passen müssen. Die 27-Jährige nannte „Essstörungen“ und „Depressionen“ seit knapp 3,5 Jahren als Grund für ihren Verzicht. Die Reihe aus der Welt der Paralympics ließe sich mit der Para-Sprinterin Irmgard Bensusan fortsetzen.

    Vor kurzem hat Eintracht Frankfurts Abwehrrecke Martin Hinteregger öffentlich gemacht, dass er nach seinem Wechsel vom FC Augsburg zur Eintracht unter Depressionen litt. Depressionen als Schnittmenge zweier Sportwelten, die nicht so weit von einander entfernt sind, wie es scheint.

    Deutsche Sporthilfe: Fast jeder dritte leidet unter Depressionen

    Die Deutsche Sporthilfe hat vor Jahren in das Innerste von Spitzensportlern geblickt. Sie hat 1154 Athleten anonym zu Themen befragt, über die sich keiner öffentlich äußern würde. Die Ergebnisse warfen ein verstörendes Licht auf den Spitzensport. Hochgerechnet hatten 30 Prozent der Athleten mit Depressionen, Burnout oder Essstörungen zu tun. Fast 60 Prozent hatten Existenzängste. Die Zahlen erschrecken, sollten aber nicht überraschen. Der Sport ist Spiegelbild der Gesellschaft. Was hier nicht funktioniert, läuft auch dort schief.

    Psychische Erkrankungen haben sich in den letzten zwanzig Jahren verdreifacht. Inzwischen erkrankt jeder dritte Erwachsene innerhalb eines Jahres psychisch. Mag sein, dass bei weitem nicht jeder, der schwer aus dem Bett kommt, unter Depressionen leidet.

    Höher, schneller, weiter - das moderne Leben macht krank

    Aber die Entwicklung ist nicht zu leugnen. Das moderne Leben macht krank. Immer häufiger meldet sich vor dem Magen die Seele. Höher, schneller, weiter - der olympische Dreikampf bestimmt Beruf und Freizeit.

    Im Sport verdichtet sich dieses Leben. Er ist die Moderne in Reinkultur. An seiner Spitze ist er mehr als nur gesellschaftlicher Spiegel. Er ist Versuchsfeld für Leidensfähigkeit. Nicht zufällig stehen erfolgreiche Athleten nach ihrer Karriere vor Managern und erzählen vom Überleben der Stärksten, dem "Survival of the fittest".

    Tragische Schicksale wie Robert Enke oder Marco Pantani

    Wer im Sport Erfolg haben will, muss hart sein. Wer nicht hart ist, hat verloren. Der Fußballer Robert Enke, der Radprofi Marco Pantani, der Ruderer Rabe Bahne, der Ringer-Olympiasieger Mikael Ljungberg - man muss nicht die Toten zählen.

    Andere wie Sebastian Deisler oder Sven Hannawald hat der Leistungssport einfach nur durch seine Mühle gedreht und dann wieder ausgespuckt. Die meisten versuchen, die Angst auszuhalten, die Erkrankung zu verbergen.

    Psychische Erkrankungen sind kein Tabu mehr

    Immerhin: Gesellschaft und Sport haben in den letzten Jahren dazugelernt. Der Umgang mit psychischen Erkrankungen ist inzwischen offener. Zu verdanken ist das auch - so bitter das sein mag - Robert Enke und all den anderen, die ihr Leben nicht mehr ertragen konnten.

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