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Klettern: Simon Unger hat alles im Griff

Klettern

Simon Unger hat alles im Griff

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    Simon Unger zählt zu Deutschlands besten Kletterern. Am Wochenende tritt er bei der deutschen Meisterschaft in Augsburg an.
    Simon Unger zählt zu Deutschlands besten Kletterern. Am Wochenende tritt er bei der deutschen Meisterschaft in Augsburg an. Foto: Michael Hochgemuth

    Wenn Simon Unger an der Wand entlang hangelt, sieht das spielend einfach aus. Als könnte der 26-Jährige sich über Gesetze der Schwerkraft hinwegsetzen. Der Augsburger greift links, greift rechts, drückt sich mit einem Bein hoch, zieht mit dem anderen nach. Seit seiner Kindheit klettert Unger, bereits als Fünfjähriger versuchte er sich an Felsen, nachdem seine Eltern ihn für diese trendige Sportart begeistert hatten. „Ich wollte einfach Spaß haben, an Wettkämpfe habe ich lange Zeit gar nicht gedacht“, betont Unger.

    Längst hat sich das gewandelt. Als Jugendlicher gewann der durchtrainierte Wand-Akrobat die bayerische Meisterschaft und wurde später deutscher Junioren-Meister. Unger zählt im Bouldern, dem Klettern ohne Seil, zu Deutschlands Besten. Am Wochenende kämpft er an heimischen Griffen um den nationalen Titel, die Finals beginnen am Sonntag um 11 Uhr.

    Erstmals ist Augsburg Austragungsort einer deutschen Meisterschaft. Möglich macht das das neue Landesleistungszentrum, sechs Millionen Euro hat der Neubau nahe des Siebentischwaldes, der grünen Lunge der Stadt, gekostet. Das Areal beeindruckt von außen wie von innen, über 4000 Quadratmeter Fläche stehen den Sportlern zur Verfügung, bis zu 18 Meter hoch führen die Routen.

    Organisiert sind die Kletterer im Deutschen Alpen-Verein (DAV). Gemeinsam mit Ferdinand Triller betreibt Oliver Bader das Zentrum in Augsburg. Jüngst wurde noch kräftig gewerkelt, Spezialisten präparierten Routen und schraubten Griffe. Sowohl Amateure als auch Profis sollen in Augsburg ein Zuhause finden und voneinander profitieren. Bader fasst zusammen: „Spitze braucht Breite. Und Breite braucht Spitze.“

    Seit Jahren boomt Klettern. Die Sportart verbindet Kraft, Ausdauer und Kondition, erfordert aber auch Beweglichkeit und Koordination. Der gesamte Körper wird beansprucht, hinzu kommt das besondere Erlebnis der Höhe. Mancher fühlt sich auch an seine Kindheit erinnert, ans Kraxeln auf Bäume.

    Dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist der Trend nicht verborgen geblieben. Auf der Suche nach attraktiven, modernen Sportarten, die das Programm bereichern, ist das IOC aufs Klettern gestoßen. In zwei Jahren, bei den Sommerspielen in Tokio, wird erstmals um Medaillen geklettert. Diese Premiere ist womöglich kein Zufall: Japaner sind die Stars der Szene, entsprechend aussichtsreich sind ihre Chancen auf Edelmetall. Kombiniert werden im olympischen Wettbewerb drei Disziplinen: Boulder, Lead (mit Seil) und Speed. Bei Letzterem treten zwei Sportler spektakulär im direkten Duell gegeneinander an.

    Oliver Bader will den Olympia-Effekt nicht überbewerten, mit Blick hinüber zum Treiben an der Wand sagt er aber auch: „Eine gewisse Motivation merkt man bei den Sportlern schon.“ Finanziell wirkt sich der Olympia-Status unmittelbar aus, die Förderung sei zuletzt „extrem gestiegen“, berichtet Bader. Unter anderem finden sich Kletterer in der Spitzensportgruppe der Polizei.

    Seit Jahren gehört Unger dem Nationalkader im Bouldern an, begeistert erzählt er von Weltcup-Reisen nach Russland, Japan oder in die Schweiz. Rund zehn Stunden trainiert der Augsburger pro Woche an der Wand, als Ausgleich geht er laufen oder macht Yoga. Um nicht mehr Kilo als nötig hochzuwuchten, achtet er auf seine Ernährung. Kein Zucker, wenig Fett, viel Eiweiß. Ob er oben ankommt, darüber entscheidet aber auch seine geistige Fitness. Unger betont: „Du darfst dir nicht zu viel Druck machen, darfst dich nicht reinsteigern.“

    Seine Chancen bei der deutschen Meisterschaft kann der 26-Jährige schwerlich einschätzen, als Boulder-Spezialist ist er in Lead und Speed schwächer als mancher Konkurrent. Unger kennt Kaderathleten, die gezielt auf eine Olympiateilnahme hinarbeiten, für ihn kommt dies nicht in Frage. Er hat sich entschieden, nach dem Studium will er als Lehrer unterrichten.

    Unger kündigt bereits an, aus Zeitgründen künftig seltener an Wettkämpfen teilzunehmen. Klettern wird für ihn wieder zum reinen Vergnügen. Wie damals, als er damit angefangen hat.

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