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Kanuslalom: Augsburger Kanuten paddeln unter erschwerten Bedingungen

Kanuslalom

Augsburger Kanuten paddeln unter erschwerten Bedingungen

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    Alltag der Augsburger Kanuten auf der Jugendstrecke mit Blick auf die Baustelle: (v. l.) Johann Schmidt, Annika Dittfurth, Elisabeth Micheler-Jones, Selina Jones und Thomas Schmidt.
    Alltag der Augsburger Kanuten auf der Jugendstrecke mit Blick auf die Baustelle: (v. l.) Johann Schmidt, Annika Dittfurth, Elisabeth Micheler-Jones, Selina Jones und Thomas Schmidt. Foto: Fred Schöllhorn

    Viel hat sich verändert für die Augsburger Kanusportler, seit gleich zwei einschneidende Ereignisse ihrem gewohnten Alltag ein Ende setzten: zum einen der Sanierungsstart der olympischen Sportstätte und dem damit verbundenen Auszug aus den Bootshäusern, zum anderen die Corona-Pandemie. Beide Ereignisse haben dazu geführt, dass für die Kanuten nichts mehr ist, wie es war. In den nächsten zwei Jahren wird die Olympia-Anlage von 1972 für die Kanuslalom-Weltmeisterschaft 2022 mit tief greifenden Baumaßnahmen für rund 19 Millionen Euro auf den neuesten Stand gebracht. Solange müssen die Kanuten mit einem Übergangs-Zuhause in Containern und sportlichen Einschränkungen leben.

    Baukräne und Bagger sind am Eiskanal im Einsatz

    Seit ein paar Wochen ist der Eiskanal mit Bretter- und Drahtzäunen umgeben, die Anlage bis zum Hochablass gegen unbefugtes Betreten abgeriegelt. Hinter den Zäunen reißen Bagger die alten Holzstufen-Terrassen ein, die einst als Zuschauerränge dienten. Baukräne sind aufgestellt und in den ehemaligen Olympiabauten laufen die Sanierungsarbeiten auf Hochtouren.

    Für die Kanuten bedeutet dies Training auf und neben einer Baustelle. Mit all den Gefahren und den entsprechenden Vorschriften. Denn weil Leistungs- wie Kadersportler ihre Übungseinheiten auf dem Eiskanal brauchen, wird versucht, beides unter einen Hut zu bringen – Sport und Sanierung. Wie mühevoll das ist, haben die Trainer der beiden Augsburger Kanuvereine – AKV und Kanu Schwaben Augsburg – schon festgestellt. Darunter auch Elisabeth Micheler-Jones und Thomas Schmidt von den Kanu Schwaben, beide selbst ehemalige Olympiasieger im Kanuslalom.

    Wie all ihre Kollegen erhielten auch sie eine spezielle Unterweisung in das ordnungsgemäße Verhalten auf der Baustelle. So müssen die Trainer hinter dem Zaun einen Bauhelm tragen und dürfen nur bestimmte Laufwege benutzen. „Es herrschen verschärfte Bedingungen am Eiskanal“, berichtet Thomas Schmidt, während er seinen Sohn beobachtet, der mit seiner Trainingsgruppe auf der Jugendstrecke durch die Slalomstangen kurvt. „Der Zugang zur Olympiastrecke ist nur an der Bogenbrücke durch eine Tür mit Codeschloss möglich und man darf nur in Fließrichtung auf der linken Seite hinunterlaufen. Das schränkt einen Trainer schon ein, schließlich kann man bestimmte Kehrwasser oder Strömungen nicht einsehen. Man muss Abstriche machen“, sagt Schmidt.

    Die Sanierungsarbeiten am Eiskanal gehen voran. 2022 soll hier die Kanuslalom-Weltmeisterschaft stattfinden.
    Die Sanierungsarbeiten am Eiskanal gehen voran. 2022 soll hier die Kanuslalom-Weltmeisterschaft stattfinden. Foto: Fred Schöllhorn

    Zwangs-Warmfahren oder Boot nach oben tragen

    Auch für die Sportler ist der Zugang zum Kanal kompliziert. Entweder müssen sie ganz unten am Kegelzentrum in die Jugendstrecke einsteigen und entgegen dem Fließwasser nach oben paddeln oder die Boote gleich nach ganz oben tragen. „Für die erwachsenen Kanuten ist das nicht so schlimm, eher wie ein Zwangs-Warmfahren“, sagt Schmidt schmunzelnd, „aber die kleineren Kinder oder auch die Freizeit- und Wildwasserfahrer mit ihren wuchtigeren Booten kommen da nicht hoch.“

    Die Trainingsgruppe von Schmidt und Elisabeth Micheler-Jones hat keine Mühe, auf der Jugendstrecke gegen die Fließrichtung nach oben zu paddeln. Die ehemalige Olympiasiegerin begleitet sie dennoch gern selbst im Boot, denn so ist sie näher dran an ihren Schützlingen, kann besser beobachten oder auch schnell Hilfestellung leisten. Auf der Nebenstrecke ist das kein Problem, auf dem Eiskanal bräuchte sie zusätzliche Unterstützung von einem Trainer am Rand, um für ausreichend Sicherheit zu sorgen. „Der Nachwuchs fährt die Olympiastrecke ja nicht in einem Zug runter. Die jungen Fahrer müssen immer wieder anhalten, Pausen machen und bestimmte Abschnitte nachbesprechen. Doch wir Trainer können jetzt nicht überall hinlaufen. Das erschwert die Arbeit. Doch es wird sich schon irgendwie einspielen“, bleibt Micheler-Jones zuversichtlich. Momentan ist sie einfach nur froh, dass das Paddeln nach der Corona-Zwangspause überhaupt wieder möglich ist. Ob und wie in diesem Jahr noch Wettkämpfe für die ganz jungen Fahrer stattfinden, weiß sie nicht genau. Schwierig wäre für die Kinder wohl die Einhaltung der Corona-Auflagen wie der Abstand und die strengen Hygieneregeln. Anders sieht es bei den Leistungssportlern aus. Hier erfolgt gerade mit Blick auf die Olympischen Spiele 2021 von Verbandsseite ein behutsames Herantasten an die Wettkämpfe. So könnte im Herbst etwa die abgesagte Europameisterschaft nachgeholt werden.

    Immer mehr Widrigkeiten sieht sich auch Trainerin Helga Scheppach vom Augsburger Kajak-Verein (AKV) ausgesetzt. Sie hadert mit den vorgegebenen Trainingszeiten auf den Strecken. „Ab 17 Uhr ist die Jugendstrecke voll mit Wanderfahrern. Natürlich darf ich mit meinen Slalomkindern trotzdem bleiben, aber ein Fahren auf Zeit ist dann beispielsweise nicht mehr möglich“, berichtet sie. Mit Anfängern schaffe sie es erst gar nicht, die Strecke weiter nach oben zu fahren, um den vielen Freizeit- und Breitensportlern aus dem Weg zu gehen.

    Kaputte Slalomstangen und Lagerfeuer auf den Kiesbänken

    Besonders betroffen macht sie zudem die zunehmende Zerstörungswut rund um die Kanustrecken. So werden regelmäßig Slalomstangen auf der Waldstrecke durch rücksichtslose Schwimmer abgerissen, Kabelschlösser wurden durchtrennt und mit Holz von der Baustelle Lagerfeuer auf den Lech-Kiesbänken gemacht. „Ich bin jetzt seit 50 Jahren im Kanusport aktiv, aber die Ich-Gesellschaft wird leider immer schlimmer“, sagt Helga Scheppach zur aktuellen Situation rund um das Naherholungsgebiet am Eiskanal. „Lustig ist das alles nicht mehr.“

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