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Kampfsport: Zwischen Knockout und Schachmatt: Schachboxen

Kampfsport

Zwischen Knockout und Schachmatt: Schachboxen

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    Hier spielt Carl Strugnell (links) in Berlin gegen den Italiener Giuseppe Grasso, die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2014.
    Hier spielt Carl Strugnell (links) in Berlin gegen den Italiener Giuseppe Grasso, die Aufnahme stammt aus dem Jahr 2014. Foto: Stephanie Pilick, dpa

    Carl Strugnell sieht nicht unbedingt aus wie jemand, der einen anderen Mann im Boxring bewusstlos schlagen könnte. Der Waliser ist in diesen Tagen wegen des Internationalen Schachturniers in Augsburg. Für gewöhnlich sieht das nicht sonderlich spektakulär aus. Es gibt hier und da eine gerunzelte Stirn zu sehen, in die Hand gestützte Köpfe. Denkarbeit eben.

    Strugnell ist aber nachweislich jemand, der für einen Knockout gut ist. Vor einigen Jahren ist das im Boxring geschehen. Sein Gegner, ein Rumäne, war danach kurze Zeit bewusstlos. Strugnell erinnert sich an diesen Abend in London: "Es war schrecklich. Ich hatte Angst, dass er nicht mehr aufwacht." Aber es gehört dazu zum Sport des Schachboxens – jener Sportart, in der sich Strugnell Anfang Dezember den Weltmeistertitel geholt hat.

    Ein niederländischer Aktionskünstler ist der Gründer des Schachboxens

    Schachboxen? Das hört sich eigenartig an, ist aber genau das, was man sich darunter vorstellt: Eine Mischung aus Boxen und Schach. 2003 erfand es der niederländische Aktionskünstler Iepe Rubingh. Demnach besteht ein Kampf aus elf Runden zu jeweils drei Minuten: sechs davon finden auf dem Schachbrett, fünf davon im Boxring statt. Gestartet wird mit Schach, dann wird abgewechselt.

    Wer seinen Gegner Schachmatt setzt oder K.o. schlägt, hat gewonnen. Das klingt wie aus einem Comic – und das ist es auch. Der in Berlin lebende Rubingh schnappte die Idee aus einem Comic des französischen Zeichners Enki Bilal auf. Was als Showveranstaltung begann, ist mittlerweile etabliert: Es gibt Kämpfe in ganz Europa und zwei Weltverbände. Bei einem davon, der WCBA, ist Strugnell amtierender Champion.

    Carl Strugnell ist aktueller Schachbox-Weltmeister. Derzeit tritt er beim Internationalen Schachturnier in Augsburg an.
    Carl Strugnell ist aktueller Schachbox-Weltmeister. Derzeit tritt er beim Internationalen Schachturnier in Augsburg an. Foto: Florian Eisele

    Der Schachbox-Weltmeister schwärmt von seiner Sportart: "Jeder sollte es tun"

    Der Waliser gerät ins Schwärmen, wenn er über die Sportart spricht. "Wenn ich sagen dürfte, welche Regeln in einer Gesellschaft gelten sollen, würde eine meine Vorgaben lauten: Jeder sollte einmal Schachboxen gemacht haben." Der Kampfsport stehe wie kaum ein anderer für den Dialog zwischen unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft: auf der einen Seite die athletischen Typen, die sich für das Boxen interessieren – auf der anderen die geistigen, die am Schachbrett glänzen. Strugnell: "Beide müssen sich, um im Schachboxen eine Chance zu haben, aufeinander zu bewegen."

    Vor allem der Umstand, von der einen Minute auf die andere seinen Gegner nicht mehr mit der Faust, sondern mit Läufer und Turm zu schlagen, macht es zu einer großen Herausforderung. Sportart-Gründer Iepe Rubingh beschrieb das in einem Interview mit dem Portal ze.tt so: "Das Wichtigste ist, dass man das Adrenalin und das Testosteron kontrollieren lernt." Der Umstand, dass die zugrundelegenden Sportarten so unterschiedlich sind, mache den Reiz aus. Strugnell selbst ist jemand, der ursprünglich aus der Schach-Ecke kommt – und diese Stärke nutzt.

    Strugnell bereitete sich viereinhalb Jahre auf seinen ersten Kampf vor

    Vier internationale Meisterschaften und 13 Siege gegen Großmeister weist seine Statistik auf. Mit dem Boxen wagte er, als er 19 war, einen Versuch, drei Jahre später einen weiteren – "die sind aber kläglich gescheitert", sagt er. 2009 hörte er im Internet erstmals von der Idee eines verrückten Niederländers – und war Feuer und Flamme. Viereinhalb Jahre lang habe er sich auf seinen ersten Kampf vorbereitet. Die Bilanz ist seitdem makellos: Seine acht Kämpfe gewann Strugnell bislang allesamt: sieben durch Schachmatt, einen durch K.o. Das Internetportal Chessboxing Global bezeichnet ihn als "einen der derzeit härtesten Gegner in der Welt des Schachboxens".

    Ziehen und schlagen: Hier stehen sich Carl Strugnell l und Guiseppe Grasso im Boxrung gegenüber.
    Ziehen und schlagen: Hier stehen sich Carl Strugnell l und Guiseppe Grasso im Boxrung gegenüber. Foto: Pil Lre, dpa

    Die für Strugnell schlimmste Situation beim Schachboxen? "Die Leute meinen immer: Am schlimmsten ist es, wenn ich einen Kopftreffer kassiert habe und blutend am Schachtisch sitze. Das ist aber nicht so." Mit Schmerzen habe er kein Problem – vielmehr ist es eine Ungewissheit, die ihm zu schaffen mache. "Ein Kampf startet immer mit der Runde Schach. Ich sitze also da, spiele ein paar Minuten mit meinem Gegner – und weiß, dass ich gleich gegen ihn kämpfen werde." Anfangs habe er vor dieser Situation richtig Angst gehabt. Mittlerweile weiß er, dass er auch als Boxer seine Qualitäten hat: "Ich habe ein eisernes Kinn, kann viel einstecken."

    400 Euro Börse: Mit dem Schachboxen kann man nicht reich werden

    Stichwort einstecken: Finanziell hat Strugnell, der in Paris und bei seiner Lebensgefährtin im serbischen Belgrad lebt, übrigens bislang nicht viel mit dem Schachboxen verdient. Er grinst: "Meine höchste Kampfbörse waren 400 Euro. Die habe ich 2014 in Berlin für meinen Kampf gegen Giuseppe Grasso bekommen." Für den WM-Titel zum Beispiel gab es kein Geld. Die Titelkämpfe machen die Athleten per E-Mail untereinander aus.

    Mit dem ungewöhnlichen Sport könnten immer noch nur wenige Leute etwas anfangen. "Seit 17 Jahren gibt es Schachoxen nun – und ich muss immer wieder neu erklären, was das ist." Er ist sich sicher, dass der Sport in den nächsten Jahren noch viel mehr Zulauf bekommen wird: "Es ist für alle diejenigen das richtige, die Kampfsport ausprobieren möchten, bislang aber noch keinen betrieben haben."

    Strugnell findet es wichtig, dass der Sport, der Ursprung in einem Zeichentrick hat, seine comichaften Elemente beibehält: "Wenn es irgendwann nur noch um Hochleistungssport geht, sind wir wie alle anderen." Das wäre dann der Fall, wenn tatsächlich ehemalige Profi-Boxer antreten. "Mit einem halben Jahr Training würde Mike Tyson auch die erste Runde im Schach überstehen – und dann in der ersten Boxrunde durch K.o. gewinnen."

    Nun will Strugnell erst einmal beim Turnier in Augsburg, das noch bis zum 4. Januar im Augsburger Ibis-Hotel in der Hermanstraße stattindet, eine gute Figur machen: "Das ist für mich entspannend. Ich weiß: Es geht nur um Schach und dieses Mal bekomme keine Prügel." Er lacht: "Zumindest hoffe ich das."

    Lesen Sie dazu auch: Profi-Boxen: Alle Kämpfe und Ergebnisse

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