Der Österreicher Werner Schuster ist seit 2008 Bundestrainer der deutschen Skispringer. In dieser Saison startete seine Mannschaft schlecht, zuletzt zeigte die Formkurve aber nach oben. Bei der Generalprobe für die Vierschanzentournee (beginnt am 29. Dezember mit dem Springen in Oberstdorf) in Engelberg schaffte Stephan Hocke mit Platz fünf das beste Saisonergebnis des DSV. Auch deshalb gibt sich der Bundestrainer im Interview zuversichtlich.
Wie groß ist Ihr Optimismus, kurz vor dem Start der Vierschanzentournee?
Schuster: Ich bin optimistisch, weil die Pfeile nach oben zeigen. Mir ist bewusst, dass es eine schwere Aufgabe wird, weil wir uns bislang nicht gerade in die Favoritenrolle gedrängt haben. Im Herbst waren wir deutlich weiter als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Es hat in der Vorbereitung nichts dagegen gesprochen, dass wir gleich ordentlich starten. Als das nicht passierte, war es schwierig, noch zu reagieren. Jetzt hatten wir noch ein gutes Trainingslager in Oberstdorf. Wir hatten richtig Glück mit dem Wetter, der Skiclub Oberstdorf hat uns eine perfekte Schanze hingestellt. Das war für die Moral und um die notwendige Bewegungssicherheit zu bekommen sehr wichtig. Ich fahre mit einem guten Gefühl über die Feiertage nach Hause, ich halte eine Überraschung für möglich.
Wie ist die Stimmung in der Mannschaft, nachdem es zuletzt wieder aufwärtsging?
Schuster: Die Stimmung ist gut. Die zwei Springer aus dem Continentalcup, Stefan Hocke und Richard Freitag, haben dort Siege eingefahren und wieder einen neuen Spirit in die Mannschaft gebracht. Sie haben auch andere wachgerüttelt. Die arrivierten Springer, die den deutschen Skisprungsport über ein Jahrzehnt repräsentiert haben, sind ebenfalls voll bei der Sache. Gerade Michael Uhrmann wird gestärkt in die Vierschanzentournee gehen. Wir haben eine Athletenauswahl beisammen, wo es schon gelingen sollte, jemanden nach vorne zu pushen.
Was müsste denn bei der Tournee passieren, dass wir am Ende einen zufriedenen Bundestrainer sehen?
Schuster: Es müssten möglichst viele Athleten ihr Potenzial ausgeschöpft haben. In Uhrmann, Neumayer und Schmitt steckt noch deutlich mehr, als sie bisher gezeigt haben. Wichtig ist, dass wir den Glauben nicht verlieren. Die Österreicher Andreas Kofler und Thomas Morgenstern sind zwar die überragenden Athleten, aber danach ist alles sehr eng zusammen. Da sollten wir dann auch mitmischen können, wenn wir einen guten Start haben.
Ein konkretes Ziel geben Sie aber nicht aus?
Schuster: Nein. Wir hatten ja bisher nur sehr wenige Wettkämpfe, in denen wir Leute unter den ersten Zehn hatten. Wenn wir also ein oder zwei Athleten unter die Top Ten bekommen, wäre das schon gut. Ich halte aber auch eine Überraschung darüber hinaus für möglich.
Vor kurzem haben Sie in einem Interview harte Kritik an den älteren Springern geübt. Diese seien nur noch bedingt empfänglich für Neuerungen. Gab es einen konkreten Grund für diese deutlichen Worte so kurz vor dem Tourneeauftakt?
Schuster: Ich habe eigentlich gar keine so harte Kritik geübt. Ich habe intern nur gesagt, dass wir auf unsere arrivierten Athleten bauen. Und dass sie auch alle Möglichkeiten bekommen haben, sich individuell vorzubereiten. Uhrmann und Schmitt hatten die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Bei der Vierschanzentournee gehen wir aber mit 13 Leuten an den Start, und da ist es an der Zeit, Farbe zu bekennen. Wir werden nach zwei Springen einen Strich ziehen und mit den sieben Besten die Tournee zu Ende bringen. Wir werden einfach nur das Leistungsprinzip hochhalten, aber das habe ich eigentlich immer gemacht. Am nächsten Tag stand dann in der Zeitung "Schuster droht Schmitt". Das ist Unsinn. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass wir diese Athleten brauchen. Es ist aber auch klar, dass wir diese Sondermaßnahmen nicht bis ins Unendliche verlängern können. Jeder hat die volle Unterstützung bekommen, und jetzt schauen wir mal, was passiert.
Trotzdem ist durch die schlechten Ergebnisse bisher der Druck auch auf Sie als Bundestrainer gewachsen. Wie gehen Sie damit um?
Schuster: Ich lese im Moment keine Zeitung. In dieser Phase, als der Druck größer wurde, ist es mir sehr gut gelungen, mich extrem auf die Aufgabe zu fokussieren. Das hat auch der Mannschaft geholfen. Ich war klar in meinen Entscheidungen und meinen Anweisungen. Ich habe mich mit diesen ganzen anderen Dingen nicht beschäftigt. Ich verstehe natürlich, dass man nicht zufrieden ist. Ich bin ja selber nicht glücklich mit den Resultaten. Aber wir dürfen jetzt nicht die Geduld verlieren, dann wird sich das auch in den Ergebnissen niederschlagen.
Wer sind für Sie die Favoriten auf den Gesamtsieg bei der Tournee?
Schuster: Die zwei stärksten Springer sind im Moment eindeutig Kofler und Morgenstern, die haben den Weltcup bislang bestimmt. In den letzten Jahren waren das immer Amann und Schlierenzauer - die haben die Tournee dann aber nie gewonnen. Meistens tut sich immer noch etwas, wenn die Tournee dann begonnen hat. Adam Malysz zum Beispiel hat aufgeschlossen, Simon Amann würde ich schon auch dazurechnen. Und dann wird noch der ein oder andere kommen, über den wir nicht sprechen. Vielleicht können wir uns hier einreihen. Mir geht es aber nicht um den Gesamtsieg, sondern um gute Einzelresultate.
Sie sind Österreicher: Blicken Sie manchmal neidvoll in Ihre Heimat, denn die österreichischen Springer beherrschen inzwischen den Weltcup?
Schuster: Nein. Ich habe ja meinen Teil dazu beigetragen, dass das System funktioniert (arbeitete von 1998 bis 2007 als Trainer am Skigymnasium Stams, Anm. d. Red.). Das war Knochenarbeit, und es dauert eben seine Zeit, bis die Ergebnisse kommen. Das System funktioniert. Österreich hat eine junge Mannschaft und gleichzeitig weitere junge Springer, die nach oben drängen. Das ist ein über viele Jahre gewachsenes System. Da kann ich mich schon für meine Kollegen freuen.
Das bedeutet also, dass es in Deutschland bis zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 dauern könnte, ehe auch hierzulande die Rädchen so ineinandergreifen?
Schuster: Bis dahin ist der Umbruch, was die Altersstruktur betrifft, vonstattengegangen. Und dann sind wir gefordert. Sotschi ist das Ziel. Dort wollen wir mit einer neuen Mannschaft wieder um Siege kämpfen.
In der Vergangenheit kämpfte oft auch der Oberstdorfer Georg Späth um Siege. Inzwischen ist er im unterklassigen Continentalcup verschwunden. Wie ist bei ihm der Stand der Dinge?
Schuster: Georg wurde auch gefördert, und das nicht zu wenig. Aber er konnte nicht mehr dort anschließen, wo er vor seiner Verletzung war. Im Moment ist er auf sich allein gestellt und muss schauen, dass er sich über die unteren Wettkampfebenen nach oben dient. Die Möglichkeit, sich einfach nur vorzubereiten und dann im Weltcup eingesetzt zu werden, wird er nicht mehr bekommen. Die Leistungsstärksten springen, egal wie sie heißen.
Gibt es ansonsten Talente aus dem Allgäu, die künftig zu sehen sein werden?
Schuster: Im Nachwuchs tut sich da einiges. Gerade der C-Kader ist voll mit Allgäuer Talenten. Hier wird sehr gute Arbeit geleistet von den Trainern. Die Sportler brauchen aber noch Zeit.
Interview: Andreas Kornes