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Interview: Sportökonom Weimar: "Die Gehälter werden stark sinken"

Interview

Sportökonom Weimar: "Die Gehälter werden stark sinken"

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    Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen: In den kommenden Wochen und Monaten werden im Fußball vor allem Klubs im Bereich zwischen Profi- und Amateurligen in finanzielle Nöte geraten.
    Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen: In den kommenden Wochen und Monaten werden im Fußball vor allem Klubs im Bereich zwischen Profi- und Amateurligen in finanzielle Nöte geraten. Foto: imago

    Herr Weimar, wie wird sich diese Corona-Krise auf die Klubs in den Regional- und Oberligen auswirken?

    Daniel Weimar: Erste bis dritte Liga dürften sich relativ schnell stabilisieren, aber gerade Vereine in besagten Ligen, die von Zuschauereinnahmen, einzelnen Sponsoren sowie Mäzenen extrem abhängig sind, werden noch stärker gebeutelt. Da die gesamte Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen wird, ist das Risiko längerfristiger Einbußen noch größer.

    Wie groß ist die Gefahr, dass im Zuge der Krise Vereine pleitegehen?

    Weimar: Würde das normale Insolvenzrecht greifen und innerhalb von drei Wochen müsste die Zahlungsunfähigkeit angezeigt werden, hätten bereits zahlreiche Vereine Insolvenz angemeldet. Über 50 Vereine der ersten bis fünften Liga haben bereits Kurzarbeit beantragt oder einen Gehaltsverzicht ausgehandelt. Das macht die prekäre Lage deutlich. Die Insolvenzfrist wurde nun aufgrund von Corona bis zum 30. September aufgehoben, das verschafft den Vereinen Luft. Diese Verlängerung kommt Fußballklubs, die sowieso Probleme gehabt hätten, entgegen.

    Im März oder April steigt grundsätzlich das Insolvenzrisiko dieser Klubs. Warum?

    Weimar: In diesen Ligen ist das Budget knapp und der Etat mit bestimmten Zuschauerschnitten auf Kante genäht. Werden Erwartungen unterschritten, kommt es schnell zu Engpässen. Durch personelle Verstärkungen im Winter und ausbleibenden Erfolg verschärft sich die Lage, im Frühjahr folgt die Finanzlücke.

    Gerade Regional- und Oberligen scheinen für Liquiditätsprobleme anfällig zu sein.

    Weimar: In diesen Ligen, in denen etliche Traditionsvereine spielen, sind die Rattenrennen um Aufstieg und Klassenerhalt extrem. Das führt zu hohem Risiko und Überinvestment. Einige fallen die Klippe hinunter. In den vergangenen 25 Jahren gab es in absoluten Zahlen in den Regionalligen mehr Insolvenzen als in der dritten Liga.

    Welche Rolle spielt, dass selbst in diesen Ligen an die Spieler üppige Gehälter bezahlt werden?

    Weimar: Fußball ist eine sehr personalbezogene Dienstleistung. Die Fixkosten für Stadion oder Geschäftsstelle sind gar nicht so hoch, das gesamte Kapital, das darüber hinaus verfügbar ist, wird in Spieler investiert. Argument ist oft: Müssten die Klubs keine Stadien oder Nachwuchsleistungszentren bewirtschaften, hätten sie viel Geld. Das sehe ich nicht so. Weil das frei werdende Kapital ebenso in Spieler gesteckt würde. Das Problem lässt sich nur durch Gehaltsobergrenzen lösen.

    Also wäre es sinnvoll zu sagen: Spieler in diesen Ligen erhalten maximal Betrag X.

    Weimar: Leider funktioniert das wegen des europäischen Arbeitsrechts nicht. Möglich wäre, dass sich alle Vereine an eine freiwillige Vereinbarung halten.

    Ist in diesen Ligen, zwischen Profi- und Amateurbereich, zu viel Geld im Umlauf?

    Weimar: Das ist ein Markt mit Angebot und Nachfrage. Die Klubs können die Gehälter bezahlen, weil Sponsoren und Geldgeber so großzügig sind oder Kommunen über die Finanzierung von Stadien die Strukturen schaffen. In das Stadion von Carl Zeiss Jena investiert die Stadt beispielsweise Millionen. Andere, sogar olympische Sportarten und deren Klubs werden selten derart unterstützt.

    Regionalligist FC Memmingen hat sämtliche Zahlungen an Mitarbeiter eingestellt. Wie wird sich die Corona-Krise auf die Gehälter auswirken?

    Weimar: Insolvenzen werden mehr werden und die Gehälter werden wegen fehlender Sponsorengelder stark sinken. Vor allem Profis und Halbprofis unterhalb der dritten Liga wird es am härtesten treffen, weil sie nicht mehr vom Fußball leben können.

    Was wäre aus Ihrer Sicht das Beste? Die Saison abbrechen?

    Weimar: Kein Verein sollte schlechter gestellt werden, folglich kann nur die Annullierung der Saison die Lösung sein. Selbst im Szenario "Aufsteiger ohne Absteiger", wäre der erste Nichtaufstiegskandidat benachteiligt. Würde man beispielsweise die Liga in einem Jahr fortsetzen, sind alle Arbeitsverträge außer Kraft gesetzt und die Kader setzten sich vollkommen anders zusammen. Rechtlich und ökonomisch ist das nicht haltbar. Wenn wir die Spielzeiten abbrechen und mit der gleichen Zusammensetzung der Vereine neu starten, sind die organisatorischen Hürden am geringsten. Außerdem sehe ich das geringste Potenzial für rechtliche Anfechtungen. In England oder Frankreich setzen die Verbände dies bereits um.

    Wie sollte in den kommenden Wochen und Monaten das Krisenmanagement der Klubs aussehen?

    Weimar: Verbände könnten in einer koordinierten Vermittlungsfunktion zwischen Kapitalgebern und Vereinen einen großvolumigen Rettungsfond für den deutschen Fußball organisieren. Nichtsdestotrotz sehe ich die Vereine in der Pflicht, einen Hilfsfinanzierungsmix zu erstellen. Kreativität ist gefragt. Beispielsweise kann man virtuelle Tickets verkaufen oder Kinderfitnessvideos anbieten. Kurzarbeit und staatliche Unterstützung sind eine weitere Möglichkeit, aber auch Fans, Spieler oder Sponsoren sollten eingebunden werden und können ihren Verein in dieser Phase in vielfältiger Weise unterstützen.

    Zur Person: Daniel Weimar ist Sportökonom und lehrt an der Universität Duisburg. Der 36-Jährige lebt nahe Leverkusen und beschäftigt sich unter anderem schwerpunktmäßig mit Insolvenzen im Fußball.

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