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Interview: So erlebt Schiedsrichter Robert Hartmann die Geisterspiele

Interview

So erlebt Schiedsrichter Robert Hartmann die Geisterspiele

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    Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hartmann kommt aus Wangen im Allgäu.
    Bundesliga-Schiedsrichter Robert Hartmann kommt aus Wangen im Allgäu. Foto: Carmen Jaspersen, dpa

    Herr Hartmann, am Wochenende war ein Wortwechsel zwischen FCA-Kapitän Daniel Baier und Schiedsrichter Sven Jablonski für alle TV-Zuschauer zu hören. Baier protestierte gegen eine aus seiner Sicht ungerechtfertigte Gelbe Karte. Wie verändert der Umstand, dass nun fast alles zu hören ist, Ihre Arbeit als Schiedsrichter?

    Robert Hartmann: Ich kann nur für mich sprechen, aber ich musste mich nicht groß umstellen. Klar wurde vorher nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, aber der Umgang mit den Spielern war auch schon vor der Corona-Pause gut. Es ist wichtig, für das Gegenüber berechenbar zu sein und eine klare Linie als Schiedsrichter zu haben.

    Die Schiedsrichter wurden im Vorfeld auf die Situation mit den Geisterspielen geschult. Achten Sie nun mehr darauf, was Sie sagen?

    Hartmann: Ich bin ein Schiedsrichter, der Respekt einfordert, aber auch respektvoll mit den Spielern umgeht. Ich kommuniziere also nicht anders. Und selbst wenn es auf dem Spielfeld mal lauter zugeht: Meistens ist es kurz danach so, dass man sich beim nächsten Kontakt auf dem Spielfeld mit einem Nicken versichert, dass alles wieder in Ordnung ist. Das bekommt man im TV aber nicht immer mit.

    Haben Sie den Eindruck, dass die Spieler etwas zurückhaltender sind?

    Hartmann: Man hat schon gemerkt, dass die Spieler zu Beginn des Re-Starts ein Stück weit mehr mit der speziellen Situation beschäftigt waren – und wahrscheinlich würden das die Spieler über uns Schiedsrichter genauso sagen. Es war für alle eine außergewöhnliche Situation. Ich glaube aber, mittlerweile haben sich alle Beteiligten weitestgehend möglich akklimatisiert und man merkt, dass es jetzt in die entscheidende Phase geht. In den kommenden Wochen wird sicherlich alles abgerufen werden.

    In manchen Situationen ist es für Sie doch ein Vorteil, wenn die Emotionen von den Rängen weg sind, oder? DFB-Schiedsrichterchef Lutz Michael Fröhlich hat eine größere Akzeptanz für die Referee-Entscheidungen beobachtet.

    Hartmann: Es wird auch jetzt nicht alles klaglos hingenommen, aber natürlich wird eine emotionale Phase nun nicht durch die Zuschauer verstärkt. Auch für uns Schiedsrichter ist die fehlende Zuschauerkulisse ungewohnt. Es gab schon Szenen, in denen ein Spieler zu mir gesagt hat: Warum schreist du mich so an? Das habe ich dann unabsichtlich getan, weil man aus den Stadien einfach eine andere Geräuschkulisse gewohnt ist. Und generell wirkt es eben souveräner, wenn man nicht schreit.

    In Ihrem ersten Spiel nach der Corona-Pause haben Sie dem SC Freiburg im Heimspiel gegen Werder Bremen den Ausgleichstreffer aberkannt – in der 89. Minute. So eine Entscheidung trifft sich doch leichter im Geisterspiel?

    Hartmann: Es war eine Entscheidung, die wegen einer Abseitsstellung durch den Videoassistenten korrigiert wurde. Es war keine Ermessensentscheidung wie bei einem Foul- oder Handspiel.

    Ihr Kollege Deniz Aytekin hat beklagt, dass auch den Schiedsrichtern die Emotionen durch die Zuschauer fehlen.

    Hartmann: Wenn ich mir etwas wünschen würde, dann, dass wir diese Pandemie so schnell wie möglich hinter uns haben und die Stadien wieder mit Zuschauern gefüllt sind. Auch wenn wir Schiedsrichter öffentlich oft anders wahrgenommen werden: Jeder von uns wollte in die Bundesliga und hat das mit vielen Aufstiegen geschafft. Auch wir möchten uns mit den Besten messen und in den besten Stadien bestehen – und dazu gehören eben die Zuschauer. Wir nehmen die Emotionen auch wahr, wenn wir zwei Stunden vor Spielbeginn zum Stadion fahren und schon alle Fans mit Trikots und Schals unterwegs sind. Das fehlt natürlich. Jeder Beteiligte ist dankbar, dass wir wieder auf dem Platz stehen dürfen – aber ich freue mich schon drauf, sobald es irgendwann wieder möglich ist, ein normales Fußballwochenende stattfinden zu lassen.

    Wie schaffen Sie es, Ihre Konzentration aufrechtzuerhalten?

    Hartmann: Das geht in der Spielvorbereitung los – man stellt sich vor, wie es ist, in ein leeres Stadion zu kommen. Das betrifft aber vor allem die Zusammenarbeit mit meinen drei Kollegen auf dem Platz. Wir pushen uns gegenseitig. Ich habe zu meinen Assistenten auch gesagt: Wenn ihr merkt, dass meine Körperspannung nachlässt – sagt es mir. Bislang war das aber noch nicht der Fall.

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