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Interview: Michael Rummenigge: "Hansi Flick erinnert mich an Ottmar Hitzfeld"

Interview

Michael Rummenigge: "Hansi Flick erinnert mich an Ottmar Hitzfeld"

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    Michael Rummenigge, ehemaliger Spieler von Bayern München und Borussia Dortmund.
    Michael Rummenigge, ehemaliger Spieler von Bayern München und Borussia Dortmund. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Herr Rummenigge, Dortmund gegen Bayern, Tabellenzweiter gegen Spitzenreiter – eigentlich die perfekte Voraussetzung für Gänsehaut-Atmosphäre vor dem deutschen Clasico. Wäre da nicht Corona. Ist dennoch in Dortmund eine gewisse Vorfreude auf das Spiel zu spüren?

    Michael Rummenigge: Das geht momentan eher unter. Selbst in einer Stadt wie Dortmund, wo der Fußball eine unglaublich wichtige Rolle spielt, haben sich die Prioritäten verschoben.

    Beide Teams sind punktgleich, aber der FC Bayern wirkt stabiler.

    Rummenigge:  Bayern hat von den letzten 48 Spielen 45 gewonnen. Dieser Lauf ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass keine Zuschauer im Stadion sind und die Spieler pushen. Der BVB hat gegen Augsburg und Rom geschwächelt. Wenn es nicht läuft, dann muss man halt auch mal auf Unentschieden spielen. Das muss die Mannschaft noch lernen. Ich hoffe, dass es wieder ein Spiel auf Augenhöhe wird, so wie beim 1:0-Sieg der Bayern im Frühjahr. Und ich würde es gut finden, wenn diesmal der BVB der Sieger wäre. Langsam kommt ja in der Bundesliga Langeweile auf.

    Hansi Flick wird als Bayern-Trainer schon nach einem Jahr Amtszeit verehrt, Lucien Favre hat es dagegen immer noch nicht geschafft, die BVB-Fans von sich zu überzeugen.

    Rummenigge:  Favre ist nicht der Trainer für die Massen und für die Medien – ganz anders als Jürgen Klopp, mit dem er hier in Dortmund immer wieder verglichen wird. Unabhängig von seinen fachlichen Qualitäten ist Lucien Favre introvertiert und scheu. Dazu kommt noch, dass er mit der deutschen Sprache kämpft. Aber das wusste man alles, als man ihn engagierte.

    Hansi Flick, Ihr ehemaliger Teamkollege beim FC Bayern, ist auch kein „Lautsprecher“ ...

    Rummenigge: Hansi, Lothar (Matthäus, die Redaktion) und ich zählten damals zu den Jungen im Team und bildeten eine Clique. Hansi war ein netter Kerl, ein ganz ruhiger Typ, der seine Aufgabe erfüllt hat. Wie er es jetzt als Trainer macht, seine Menschenführung, wie er die Spieler abholt, das ist einfach sensationell. Er erinnert mich an Ottmar Hitzfeld. Ein entscheidender Faktor für die derzeitige Bayern-Stärke ist Flicks Umgang mit Thomas Müller und wie er ihn spielen lässt. Thomas Müller ist wahnsinnig wichtig für die Mannschaft, auch wegen seiner Mentalität und seiner Präsenz auf dem Platz. Wie ein Lahm oder Schweinsteiger trägt er das Bayern-Gen in sich.

    Beim FC Bayern wird dir eingebläut: Wir wollen jeden Titel

    Was steckt hinter diesem viel beschworenen Bayern-Gen?

    Rummenigge:  Beim FC Bayern wird dir eingebläut: Wir wollen alles gewinnen, jedes Spiel, jeden Titel. Ich habe das selbst zu spüren bekommen. Manchmal war es schwerer, beim Trainingsspiel in die erste Elf zu kommen, als dann am Samstag in der Bundesliga zu gewinnen. Diese Mentalität wird im gesamten Verein gelebt und gefördert. Jeder Angestellte bekommt für einen Titel ein Monatsgehalt oben drauf, für zwei Titel gibt es zwei, für drei drei zusätzliche Monatsgehälter.

    Als ehemaliger FC-Bayern-Münchner wurden Sie nach Ihrem Wechsel in Dortmund alles andere als freudig empfangen ...

    Rummenigge: (lacht) Bei meiner Ankunft in der BVB-Geschäftsstelle standen da 200 Leute und demonstrierten gegen meine Verpflichtung. Sie wollten lieber Publikumsliebling Marcel Raducanu behalten. Den Dortmunder Fans stank es, einen Rummenigge vom FC Bayern bei sich im Verein aufzunehmen. Viele dachten, dass wir Rummenigge-Brüder in München aufgewachsen sind, obwohl wir doch aus dem nahe gelegenen Lippstadt stammen. Ich sagte mir, dann ziehe ich das jetzt durch. Der damalige BVB-Präsident Gerd Niebaum meinte: „Junge, Fußball spielen kannst du ja. Jetzt zeige den Leuten, dass du auch rennen und grätschen kannst.“ Und so habe ich meine Spielweise etwas umgestellt und bin von den BVB-Fans akzeptiert worden.

    Sie mussten sich auch sonst umstellen. Verglichen mit dem Bayern-Trainingsgelände an der Säbener Straße waren die Verhältnisse in Dortmund damals bescheiden.

    Rummenigge: Es war sehr ursprünglich. Der BVB hatte Ende der 80er Jahre noch kein eigenes Trainingsgelände. Die eine oder andere Einheit fand auf einer Wiese im Freibad statt – dort, wo die Nackten lagen.

    Seit dem Ende Ihrer Laufbahn als Profispieler sind Sie auf verschiedensten Gebieten im Fußball tätig – unter anderem als Inhaber einer Berater-Agentur.

    Rummenigge: Fünf Jahre lang haben wir Jérôme Boateng betreut. Das war nicht immer einfach. Viele Fußballstars leben nicht mehr in der normalen Welt, sondern in einer Art Luftblase. Zu unseren Kunden zählten vor allem junge Spieler. Viele litten an Selbstüberschätzung. Es war wahnsinnig schwer, wenn man einem von denen erklären musste, dass es nicht für die Bundesliga reicht. Irgendwann hat das Ganze einfach keinen Spaß mehr gemacht, und wir haben uns von allen Spielern getrennt.

    Für Unruhe beim FC Bayern sorgen derzeit nur die Vertragsverhandlungen mit David Alaba. Hoeneß hat Alabas Berater Pini Zahavi als „geldgierigen Piranha“ bezeichnet.

    Rummenigge: Ich kenne den Herrn nicht. Ich glaube aber, dass im Fall Alaba noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Wo will David Alaba denn hin? Wer kann sich ihn in der derzeitigen Situation leisten und seine Gehaltsvorstellungen erfüllen?

    Alaba sagt, es gehe ihm bei seinen Gehaltsforderungen letztlich nicht ums Geld, sondern um Wertschätzung.

    Rummenigge: Natürlich wird über die Gehaltshöhe Wertschätzung gezeigt. Die kann man aber auch anders ausdrücken, indem man einen Spieler beispielsweise zum Kapitän macht, ihn in den Spielerrat beruft oder ihm nach Ende der Laufbahn einen Job im Verein in Aussicht stellt. Topspieler sollen gut bezahlt werden. Aber was da insgesamt im Profifußball passiert ist, wird zunehmend zum Problem. Die Spieler verdienen schlichtweg zu viel, gemessen an dem, was die Vereine einnehmen. Das gilt insbesondere für mittelmäßige Spieler. Wenn ich höre, dass ein Sebastian Rudy bei Schalke sechs Millionen Euro brutto im Jahr verdient hat und jetzt bei Hoffenheim immer noch die Hälfte davon bekommt, dann ist das aus meiner Sicht ein Zeichen dafür, dass sich was ändern muss.

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