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Interview: Manuel Hiemer spricht von „Fake-Transparenz“ beim Deutschen Eishockey-Bund

Interview

Manuel Hiemer spricht von „Fake-Transparenz“ beim Deutschen Eishockey-Bund

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    Franz Reindl war wegen seiner Doppelfunktion als ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes und bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH scharf kritisiert worden.
    Franz Reindl war wegen seiner Doppelfunktion als ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes und bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH scharf kritisiert worden. Foto: Rolf Vennenbernd, dpa

    Herr Hiemer, in der Berichterstattung unserer Redaktion und des SPIEGEL vom 5. Juni haben Sie die Doppelfunktion von Franz Reindl als ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes und bezahlter Geschäftsführer der DEB GmbH sowie die Verbindung zum Sportrechtevermarkter Infront scharf kritisiert. Sie sprachen dabei unter anderem von einer „fehlenden Transparenz“. Welches Echo haben Sie bislang auf Ihre Aussagen erhalten?

    Manuel Hiemer: Das Feedback aus den Bereichen Fans und Sport – hier ehemalige Teamkollegen, Spieler sowie Manager aus anderen Vereinen – war sehr positiv. Die Hauptaussage war dabei: Wenn das alles so stimmt, wie es in der Augsburger Allgemeinen und dem Spiegel veröffentlicht wurde, dann sei es absolut richtig gewesen, auch intern einmal gewisse Fragen zu stellen. Weniger positiv haben hingegen die vier oder fünf Landesverbandspräsidenten, die so etwas wie die treibende Kraft hinter dem Schreiben mit den Gegenzeichnungen waren, reagiert (Anm. d. Red.: Einen Tag nach der Berichterstattung Ihrer Redaktion und des Spiegel gab es eine von elf Landesverbänden unterzeichnete Erklärung, in der sich die Verbände von den Verlautbarungen Hiemers und seiner beiden Mitstreiter aus Schleswig-Holstein und Thüringen distanzieren).

    Zählt zu den scharfen Kritikern des DEB-Präsidiums um Präsident Franz Reindl: Manuel Hiemer, Landesverbandspräsident von Sachsen-Anhalt.
    Zählt zu den scharfen Kritikern des DEB-Präsidiums um Präsident Franz Reindl: Manuel Hiemer, Landesverbandspräsident von Sachsen-Anhalt. Foto: privat

    Gemeinsam mit Ihren Landesverbandskollegen aus Schleswig-Holstein und Thüringen haben Sie dem Präsidium des Deutschen Eishockey-Bundes vor knapp zwei Wochen einen Brief zukommen lassen. Darin forderten Sie einerseits Einsicht in alle wichtigen Unterlagen der DEB GmbH, andererseits die Beantwortung eines Fragenkatalogs bis zum 11. Juni. Ist das Antwort-Schreiben der DEB-Verantwortlichen mittlerweile eingegangen? Und falls ja, wurden die Fragen in Ihren Augen – wie angekündigt – transparent und offen beantwortet?

    Hiemer: Die Antworten kamen in der Tat pünktlich, waren jedoch aus meiner Sicht völlig unzufriedenstellend. Es wurde eine gewisse Transparenz gewahrt, bei der man sich auf einige Auszüge einer Mitgliederversammlung stützen konnte. Was jedoch die harten Fakten, die sowohl von Fragwürdige Zahlungen bringen den DEB-Präsidenten in BedrängnisDeutscher Eishockey-BundIhrer Redaktion als auch beim Spiegel genannt wurden, betrifft, habe ich keine neuen Erkenntnisse gewonnen. Über genaue Inhalte des DEB-Schreibens darf ich mich nicht äußern. Und daran muss und werde ich mich halten.

    Sie haben die öffentliche Distanzierung der elf Landesverbände hinsichtlich ihrer Verlautbarungen bereits angesprochen. Hat Sie dieses Schreiben beziehungsweise die Positionierung Ihrer Funktionärskollegen überrascht?

    Hiemer: Überrascht hat mich die Tatsache, dass es elf Landesverbände waren – wobei sich mittlerweile einer davon mit einem Schreiben ebenfalls an das Präsidium gewandt und ebenfalls lückenlose Aufklärung der Sachverhalte eingefordert hat. Natürlich gibt es ein paar Landesverbände, die dem DEB sehr nahe stehen und dieses Schreiben wohl letztlich auch iniziiert haben. Bei zahlreichen anderen Verbänden hat man jedoch den Eindruck, dass sie den Bericht Ihrer Redaktion als auch des Spiegel überhaupt nicht gelesen und sich vielmehr leiten und lenken lassen haben.

    In diesem besagten Schreiben heißt es unter anderem: „Die von diesen (den Landesverbänden Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen, Anm. d. Red.) thematisierten Aspekte sind bekannt und uns auf Mitgliederversammlungen und in Arbeitsgruppen mit sämtlichen Landeseissportverbänden transparent und umfangreich kommuniziert worden. Wie bewerten Sie diese Aussage?

    Hiemer: Ehrlich gesagt kann ich sie überhaupt nicht nachvollziehen. Was man in den Protokollen der jeweiligen Mitgliederversammlungen nachlesen konnte, beziehungsweise was dort gesagt wurde, entspricht im Umfang niemals dem gesamten Themenkomplex, der erst durch die mediale Berichterstattung aufgekommen ist. Es wurde beispielsweise zu keinem Zeitpunkt über eine Vertragsverlängerung von Franz Reindl über die ursprüngliche Laufzeit der DEB GmbH, deren Stilllegung Ende 2017 vorgesehen war, hinweg gesprochen. Auch wurden nie Höhen von bestimmten Summen erklärt. In diesen Protokollen stand schon mal drin, dass man irgendwann eine Kapitalerhöhung plane. Dass es sich dabei konkret um 70.000 Euro handeln würde, wurde dagegen nicht kommuniziert. Sprich: Details und Feinheiten, die elementar wichtig sind, blieben im Verborgenen. Ich würde daher sogar soweit gehen und von einer ’Fake-Transparenz sprechen’.

    Was meinen Sie damit genau?

    Hiemer: Nun, im Grunde wurde immer nur das Allernotwendigste ein bisschen in den Raum gestellt. Bis auf mich hat das Ganze bislang kaum jemand hinterfragt. Anhand des jetzigen Echos der Landesverbände, die diese Distanzierung unterschrieben haben, versteht man vielleicht etwas besser, warum man bei Mitgliederversammlungen nach zwei Nachfragen nur noch in rollende Augen blickt und diesen Themen nicht weiter nachgeht.

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    Können Sie noch weitere Beispiele der von Ihnen bezeichneten „Fake-Transparenz“ aufzeigen?

    Hiemer: Man hat unter anderem die wichtigen Sachen in den Kassenprüfer-Bericht verpackt und versteckt, bei dem dann ohnehin kaum noch jemand zuhört. Natürlich wurde kurz gesagt, dass es wohl einen Dienstleistungsvertrag geben soll. Allerdings wurde diesbezüglich über konkrete Inhalte niemals gesprochen. Demzufolge wurde auch niemals erklärt, dass Franz Reindl als ehrenamtlicher Präsident und zugleich Geschäftsführer der GmbH für 80.000 Euro ein Konzept für eine mögliche Weltmeisterschaft in der Zukunft erstellen soll. Auch über die gesamten Umsätze in dieser GmbH gab es keinerlei Informationen. Wenn man das Ganze jetzt mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und annehmen würde, dass die gesamten Einnahmen der GmbH ausschließlich aus dem e. V. kämen, wäre das schon sehr fragwürdig.

    Warum wurden Ihrer Meinung nach die von Ihnen gerade aufgeführten Sachverhalte nicht offen und transparent kommuniziert?

    Hiemer: Ganz einfach: Weil man die Mitglieder auf einem gewissen Minimum an Wissen halten wollte. Dass die Inhalte scheinbar doch recht heikel sind, hat sich ja an den Reaktionen der DEB-Verantwortlichen infolge der Berichterstattung deutlich gezeigt. Wenn man plötzlich liest, dass seitens der Infront ein 300.000 Euro-Darlehen an die GmbH zu deren Rettung mehrere Jahre danach faktisch geschenkt und gleichzeitig in Personalunion für den DEB e.V. Vertragsverhandlungen mit Infront geführt wurden, tauchen auf einmal natürlich ganz andere Fragen in einer Gesprächsrunde oder auf einer Mitgliederversammlung auf, als wenn es heißt, man plane eine Kapitalerhöhung, um bei einer WM-Bewerbung besser aufgestellt zu sein. In meinen Augen ist das ein ganz massiver Unterschied – und diesen wollte man uns wohl ganz offensichtlich nicht sagen.

    Es gibt ja durchaus den einen oder anderen Kritiker, der Ihnen vorwirft, Sie würden quasi eine „Privatfehde“ mit Franz Reindl führen und wollten ihn unter allen Umständen als IIHF-Präsident verhindern...

    Hiemer: ...was jedoch völliger Unsinn und möglicherweise gezielt eingesetzt ist. Mir geht es dabei doch um etwas ganz anderes.

    Um was genau?

    Hiemer: Sehen Sie mal, was in letzter Zeit auf Funktionärsebene in Deutschland – sei es beim Deutschen Fußball-Bund, der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack Gemeinschaft, dem Deutschen Schwimmverband oder Deutschen Olympischen Sportbund – alles vorgefallen ist. Der DOSB-Eklat sorgte nun sogar zum Rücktritt von Präsident Alfons Hörmann. Da ist es als ehemaliger Sportler und ehrenamtlicher Funktionär schlichtweg mein innerstes Bedürfnis und größter Wunsch, dass dieser Sport sauber geführt wird. Das Ehrenamt muss so gelebt werden, wie es das innerste Verständnis eines Ehrenamtes ist. Aufgrund der Tatsache, dass dieser gesamte Funktionärsbereich in Deutschland einen derart großen Image-Schaden bekommen hat, ist es die Pflicht eines jeden Mitglieds, dem entgegenzuwirken beziehungsweise dem nachzugehen, wenn man das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt. Nur so bekommt man den Sport wieder sauber und das Image der Funktionäre wieder hergestellt.

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    Speziell auf den Deutschen Eishockey-Bund bezogen: Heißt das, dass Sie sich innerhalb des Verbandes eine Neustrukturierung beziehungsweise -ausrichtung wünschen würden, damit die von Ihnen beschriebenen Szenarien gar nicht erst möglich wären?

    Hiemer: Eigentlich war der DEB mit seinen Strukturen bereits auf einem sehr guten Weg – gerade was die Leitlinien, die vom DOSB und BMI (Bundesministerium des Inneren, Anm. d. Red.) erarbeitet wurden, betrifft. Was es jedoch aufzubrechen gilt, sind diese engen verkrusteten Vernetzungen untereinander. Die einen werden ausgeschlossen, die anderen hineingenommen. Unter dem Strich entsteht dann ein sehr enger Kreis, wodurch solche intransparenten Gebilde, die wir nun sehen, regelrecht forciert werden. Das gilt es künftig zu verhindern – und genau das ist es auch, was mich bei dieser ganzen Sache antreibt. Dass man dabei oftmals gegen Windmühlen kämpft, hat man in den vergangenen knapp zwei Wochen wieder eindrucksvoll gesehen.

    Eine wichtige Rolle innerhalb eines Verbandes – unabhängig von der Sportart – spielt auch das sogenannte Kontrollgremium. Wie sehen Sie den Deutschen Eishockey-Bund diesbezüglich aufgestellt?

    Hiemer: Genau in diesem Bereich ist die Struktur-Entwicklung ins Stocken geraten. Diese Kontrollfunktion sollte eigentlich das Präsidium haben. Dessen Aufgabe ist es, sich ins Tagesgeschäft so gut wie gar nicht einzumischen, sondern sich in regelmäßigen Abständen von den Hauptämtern – sprich einem Geschäftsführer, Generalsekretär oder Sportdirektor – entsprechend berichten lassen und dann zu prüfen, ob diese Personen ihre Aufgaben gemäß Leitlinien und Satzung ordentlich machen. Laut der Berichterstattung in den Medien scheint hier allerdings einiges durcheinandergeraten zu sein.

    Abschließend gefragt: Was denken Sie, wie dieser ganze Prozess nun weitergeht?

    Hiemer: Es muss aufgeklärt und darf nicht funktionärstypisch ausgesessen werden! Nach den Berichten in der Augsburger Allgemeinen und im SPIEGEL gab es, wie bereits erwähnt, noch einen weiteren Brief eines Landesverbandspräsidenten, der darin ganz klar eine lückenlose Aufklärung eingefordert hat. Sollten sich die Sachverhalte aus der Recherche Ihrer Redaktion und des Spiegel bestätigen oder verhärten, würde das wohl ähnliche Folgen wie zuletzt beim DOSB nach sich ziehen. Da eine wirkliche Klärung nach wie vor noch nicht passiert ist, muss man dranbleiben und das Ganze weiter vorantreiben.

    Lesen Sie dazu auch unsere Exklusiv-Recherche: Fragwürdige Zahlungen bringen den DEB-Präsidenten in Bedrängnis

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