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Interview: Fabian Hambüchen vor Olympia: "Es ist egal, was drum herum ist"

Interview

Fabian Hambüchen vor Olympia: "Es ist egal, was drum herum ist"

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    Olympiasieger Fabian Hambüchen wird nicht nach Tokio reisen.
    Olympiasieger Fabian Hambüchen wird nicht nach Tokio reisen. Foto: How Hwee Young, dpa

    Sie haben den kompletten olympischen Medaillensatz zu Hause. 2016 in Rio de Janeiro Gold am Reck, 2012 in London Silber und 2008 in Peking Bronze. Jetzt testen Sie als Experte für Eurosport andere olympische Sportarten wie Fechten oder Kanuslalom. Was sind da Ihre Erkenntnisse kurz vor Beginn der Spiele in Tokio? Was leisten die Athleten?

    Fabian Hambüchen: Ich merke, dass Turner schon sehr spezifisch trainiert sind, aber ich glaube, das ist im olympischen Sport immer so. Wir sind alle sehr auf unsere eigene Sportart ausgerichtet. Trotzdem kann ich meine körperlichen Fähigkeiten auch in den anderen Sportarten einbringen. Ich merke, dass ich schnell antizipieren kann und dass ich die nötige Körperspannung habe. Aber man bekommt natürlich höchsten Respekt vor den Sportlern. Wenn man mal ausprobiert, was die machen und wie schwer und trainingsintensiv das Ganze ist, sieht man alles nochmals aus einem ganz anderen Blickwinkel.

    Fabian Hambüchen wird nicht in Tokio vor Ort sein

    Das heißt, Sie haben nach Ihrer sportlichen Karriere im Fernsehbereich ein Format gefunden, in dem Sie sich wohlfühlen und das Sie beruflich weiterverfolgen?

    Hambüchen: Die Hambüchen-Challenge, die wir vor Olympia für Eurosport drehen, macht mir auf alle Fälle Riesenspaß. Darauf aufzubauen, wäre schon eine Sache, in der ich mich wiederfinden könnte. Trotzdem merke ich, dass ich immer noch Vollblutsportler bin und mein Herz für den Sport schlägt. Ich kann mir durchaus vorstellen, im Turnbereich zu arbeiten. Am ehesten in Trainerrichtung. Mein Vater war ja mein Trainer und ich habe gesehen, wie das ist. Das ist kein Zuckerschlecken, aber man ist trotzdem in dem Bereich unterwegs, den man am liebsten hat. Deshalb glaube ich schon, dass das langfristig meine Zukunft sein wird. Aber ich bin weiterhin offen für alles.

    Fabian Hambüchen holte in Rio Gold am Reck.
    Fabian Hambüchen holte in Rio Gold am Reck. Foto: Tatyana Zenkovich, dpa (Archivbild)

    Sind Sie selbst bei den Spielen vor Ort?

    Hambüchen: Nein, ich bin nicht in Tokio dabei, denn wir produzieren alles in München. Das ist schade, denn ich wäre schon sehr gern vor Ort gewesen. Ich war ja schon über 20-mal in Japan. Ich habe ganz enge Verbindungen dazu, denn mein Vater hat eineinhalb Jahre in Japan gelebt. Deshalb ist es Herzschmerz mitzuerleben, wie minimalistisch das Ganze dort abläuft.

    Bedauern Sie die Sportler, die dorthin fahren und die „richtige“ Stimmung aus normalen Zeiten aufgrund der Corona-Restriktionen gar nicht erleben können?

    Hambüchen: Für die Sportler ist es super, dass sie trotzdem die Chance haben, dort ihre Wettbewerbe auszutragen. Aber gerade für die, die zum ersten Mal dort sind, wird das überhaupt nicht so, wie sie es verdient hätten, Olympia zu erleben. Ich zolle deshalb größte Hochachtung und Respekt an die Verantwortlichen seitens des Internationalen Olympischen Komitees und der Japaner, die die Wettkämpfe für die Sportler trotz allem hochziehen. Denn wenn man dort gewinnt, ist man eben Olympiasieger. Es ist im Endeffekt egal, was drum herum ist. So schade es ist, aber das zählt natürlich am meisten für den Sportler.

    Fabian Hambüchen: "Am 1. Januar eines olympischen Jahres ein neues 'Mindset' aufgesetzt"

    Was hätten Sie getan, wenn es mitten in der Vorbereitung geheißen hätte, die Olympischen Spiele werden um ein Jahr verschoben?

    Hambüchen: Das ist vor allem Kopfsache. Natürlich hängt es auch davon ab, wie man körperlich zu der Zeit gerade drauf ist. Wenn man in einer maximalen Hochphase ist, ist es schwer, wenn man da wieder rausmuss. Wenn man aber noch nicht in der Form ist, die man haben möchte, kann das auch ein Segen sein, dass man ein Jahr mehr Zeit hat. Das ist bei jedem anders. Bei mir war es so, dass ich immer am 1. Januar eines olympischen Jahres ein neues „Mindset“ aufgesetzt habe. Das heißt, man geht noch mal kompromissloser in die Arbeit, zeigt noch mehr Ehrgeiz. Da ist eine Absage vier Monate vor den Spielen vom Kopf her schon ein schwerer Akt.

    Finden Sie es richtig, dass die Spiele trotz Corona und all den damit verbundenen Problemen stattfinden?

    Hambüchen: Das ist für mich schwer, denn ich habe natürlich beide Perspektiven. Aus Sportler-Sicht sage ich natürlich Ja. Für Sportler gäbe es nichts Schlimmeres, als wenn noch einmal verschoben wird oder die Spiele ausfallen. Das wäre für diejenigen das Ende, die sowieso das letzte Mal bei Olympia starten wollen. Aber aus Sicht eines Außenstehenden kann man es so oder so sehen. Wir probieren gerade alle wieder, ein Stück weit zur Normalität zurückzukehren. Viele sind schon geimpft. Deshalb denke ich, es ist grundsätzlich das richtige Zeichen. Es wird vor Ort ja auch alles dafür getan, dass die Ansteckungsgefahr relativ gering ist. Deshalb denke ich, dass es okay ist, dass die Spiele stattfinden. Auch wenn die aktuelle Situation natürlich einen faden Beigeschmack hat.

    Fabian Hambüchen gewinnt die Goldmedaille bei seinen letzten Olympischen Spielen

    Wenn Sie zurückblicken auf Ihre sportliche Karriere, was war für Sie „der“ Olympia-Moment?

    Hambüchen: Natürlich war die Goldmedaille das Highlight schlechthin. Vor allem, dass es am Ende bei den für mich letzten Spielen noch geklappt hat. Das ist zwar jetzt schon fünf Jahre her, aber noch so präsent im Kopf. Das wird noch ewig dauern, bis ich auch die ganze Karriere so richtig verarbeitet habe. Es waren vier Olympische Spiele für mich, und jedes Mal war es besonders.

    Fabian Hambüchen turnt am Reck.
    Fabian Hambüchen turnt am Reck. Foto: Lukas Schulze, dpa

    Was ist Ihnen denn besonders in Erinnerung geblieben?

    Hambüchen: Die Spiele, die mir am besten gefallen haben, war London 2012. In Athen 2004, da war ich 16 Jahre alt, war alles neu für mich, das war spannend. Aber im Nachhinein betrachtet war bei den Griechen einfach viel Baustelle. Peking 2008 war perfekt organisiert, aber ziemlich militärisch angehaucht. Da war ich aber selbst so im Tunnel, da habe ich gar nicht viel mitbekommen. Und danach London, das war einfach toll. Da war alles fertig, die Engländer waren tolle Gastgeber, lieb und nett und sportbegeistert. Die Hallen waren immer alle voll. Das war richtig cool. Rio war dann schon wieder so eine Baustelle, aber die Brasilianer sind natürlich ein sehr lebenslustiges Volk, die sind so herzlich, obwohl sie so wenig haben.

    Die Entwicklung der Olympischen Spiele ist für Hambüchen schwer vorherzusagen

    Wohin bewegt sich Ihrer Meinung nach die Entwicklung der Olympischen Spiele?

    Hambüchen: Das ist schwer zu sagen, man kann ja immer nur drei bis vier Jahre voraussehen. Denn eigentlich ist der erste Diskussionspunkt ja immer schon der Ort, wohin die Spiele vergeben werden. Ich finde zwar, dass es schon wichtig ist, bei den Sportarten mit dem Trend zu gehen, aber nicht auf Kosten der traditionellen Sportarten wie dem Turnen oder der Leichtathletik. Es war ja auch mal im Gespräch, dass Ringen abgeschafft werden sollte. Ich würde mir wünschen, dass man gut abwägt. Ringen ist eine Traditionssportart, Turnen auch. Da muss man aufpassen, dass man da die Tradition nicht rausnimmt, denn das macht Olympia aus. Sportarten sollten nur olympisch werden, wenn man richtig physisch arbeiten muss.

    Wie soll das gelingen?

    Hambüchen: Da hoffe ich auf Thomas Bach (Präsident des IOC, Anm. d. Red.), mit dem ich mich ganz gut verstehe. Ich hoffe, dass auch sein Sportlerherz dafür schlägt, denn er war auch Spitzensportler. Es ist ja relativ selten, dass man, wie wir in Deutschland, einen obersten Sportfunktionär hat, der selbst einmal Olympiasieger war. Und ich finde, das merkt man ihm in seinem Umgang mit den Sportlern an.

    Turner Fabian Hambüchen hat kein Problem damit, dass er deutlich kleiner ist als seine Freundin.
    Turner Fabian Hambüchen hat kein Problem damit, dass er deutlich kleiner ist als seine Freundin. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Klingt so, als würde Ihnen die olympische Idee am Herzen liegen?

    Hambüchen: Natürlich, das war mein großes Ziel von klein auf. Mit acht Jahren hat das angefangen. 1996 habe ich Atlanta bewusst wahrgenommen und auch die Bedeutung verstanden. Dann ist damals Andreas Becker Reck-Olympiasieger geworden. Da habe ich zu meiner Mutter gesagt, da will ich auch hin. Und mit 16 Jahren war ich dabei – und durfte die Spiele viermal erleben.

    Zur Person: Fabian Hambüchen, 33, hat bei den Olympischen Spielen einen kompletten Medaillensatz gewonnen. Krönung der Karriere des Kunstturners war Gold am Reck in Rio 2016. Danach beendete er seine internationale Karriere und arbeitet inzwischen als TV-Experte.

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