Sie beschreiben in Ihrem Buch "The Perfect Game", wie die Corona-Pandemie die Darts-Welt aus den Angeln gehoben hat. Gab es Phasen, in denen Sie dachten: Dieser Sport steht vor dem Aus?
Elmar Paulke: Das war ein Prozess. Mir war klar, dass das zu einem großen Problem für den Darts-Sport werden wird. Auf der anderen Seite hat der Verband PDC in England große Turniere, bei denen große Sponsoren dahinter stehen. Da war es klar, dass schnell den Versuch geben wird, wieder Turniere zu übertragen – auch ohne Zuschauer. Finanziell ist Darts da nicht so sehr auf die Ticketverkäufe angewiesen. Darts war dann zusammen mit Fußball tatsächlich der erste Sport, der wieder im TV übertragen wurde. Und man hat gesehen: Das klappt.
Am 15. Dezember startet die Darts-WM 2021 - mit strengen Corona-Regeln
Aber Darts ohne Zuschauer – geht das denn wirklich?
Paulke: Ich finde, dass der Sport wunderbar umgesetzt ist. Es ist auch einfacher, das hinzubekommen: Man hat eine Videoleinwand, auf der Fans zu sehen sind, die Emotionen kommen bei einem spannenden Match zu einem gewissen Teil auch so rüber. Ich schaue mir wegen der Geisterspielatmosphäre derzeit kaum noch Fußballspiele an. Beim Darts ertappe ich mich da weniger, dass ich mir ab und an denke: Da fehlt doch was.
Trotzdem braucht die am Dienstag startende Darts-WM eigentlich doch diese Bierzelt-Atmosphäre. Auch wenn Zuschauer erlaubt sind – diese Stimmung wird es heuer nicht geben.
Paulke: Ja, das stimmt. Das wird komisch werden – was uns da genau erwartet, weiß eigentlich noch keiner. Im Alexandra Palace, der sonst Platz für 3500 Fans bietet, sind 1000 Zuschauer zugelasssen. Das ist schon eine ordentliche Größe, aber es gibt strenge Regeln: An jedem Vierertisch dürfen maximal zwei Haushalte sitzen, es herrscht eine Masken- und Abstandspflicht sowie ein Sing- und Verkleidungsverbot, die Tickets werden nur innerhalb Großbritanniens verkauft. Die Kulisse wird anders sein, klar. Und sie wird auf die Leistung der Spieler Einfluss nehmen, Darts ist ein Mentalsport. Auch die Zusammensetzung der Zuschauer wird sich, denke ich, ändern. Vielleicht sind jetzt eher die dabei, die sich für den Sport interessieren und weniger für die Party drumherum.
Sie sind freiberuflich tätig, Vater von drei Kindern. Plötzlich fielen alle Übertragungen und Events aus. Wie schwierig war das Jahr für Sie?
Paulke: Sehr knifflig, klar. Ich hatte auf einmal keine Einnahmen mehr. Noch im Juni dachte ich mir noch: Wird DAZN, mein Hauptauftraggeber, das überleben? Man wusste ja nicht, wie lange das alles dauert mit dem Lockdown. Und dann sitzt man schon da und fängt an zu rechnen: Was mache ich, wenn es im November doch nicht weiter geht? Umso dankbarer und glücklicher bin ich, dass ich jetzt wieder arbeiten kann.
Fallon Sherrock ging aus Angst vor Corona nicht mehr aus dem Haus
Auch viele Darts-Profis treibt die Sorge wegen Corona um. Fallon Sherrock etwa gilt als Risikopatientin, ging zeitweise mehr aus dem Haus.
Paulke: Ja, die Sorgen wegen Corona treiben auch die Darts-Profis um. Wir hatten in der Szene einige Infektionen. Premier-League-Sieger Glen Durrant muss eine Pause einlegen, nachdem er positiv auf das Virus getestet wurde, Gary Anderson musste in Quarantäne. Und Ex-Champion Michael van Gerwen ist bislang der klare Corona-Verlierer. Er hat seine Dominanz in diesem Jahr klar verloren. Corona bewirkt Veränderungen, mit denen auch die Top-Spieler erst einmal klar kommen müssen. Auf der anderen Seite haben viele Spieler außerhalb der Top 25 nicht mehr das Problem, sich mit der Zuschauerkulisse auseinander setzen zu müssen und können entspannt aufspielen. Das macht die Szene sportlich aber spannender.
Wenn Sie Michael van Gerwens Schwächephase ansprechen: Woran liegt das denn?
Paulke: Schwer zu sagen. Aber ein Grund ist sicherlich der veränderte Turnierplan. Es gibt jetzt viel weniger Spiele als vorher, das ist für die Topspieler ungewohnt. Und wenn man dann eine Niederlage einsteckt, dauert es länger, bis man die Gelegenheit hat, diese wieder wettzumachen. Van Gerwen ist ein paarmal früh rausgeflogen, und diese langen Pausen haben ihm nicht gut getan.
Mit Gerwyn Price tritt ein ehemaliger Rugby-Spieler bei der Darts-WM 2021 an
Im Spielerlager gibt es viele bunte Typen: Gerwyn Price ist ein Ex-Rugby-Spieler, Peter Wright sticht alleine schon wegen seiner Frisur heraus, ein 66-jähriger Spieler aus Singapur ist erneut dabei. Macht das die Faszination des Sports aus?
Paulke: Absolut. Ich bin bei meinem Start 2004 auch ein Quersteiger gewesen. Und dieser Aspekt mir hat das in der Szene schnell geholfen. Jeder Zuschauer, der den Irokesenschnitt von Peter Wright einmal gesehen hat, wird ihn wieder erkennen. Es gibt viele Typen, und die Fans picken sich da ihren Lieblingsspieler raus. Ich haben in dem Sinn keinen Favoriten – mir ist es am liebsten, wenn möglichst viele Neun-Darter geworfen werden (lacht).
Die deutschen Hoffnungen bei der Darts-WM 2021 ruhen auf Gabriel Clemens
Darts ist in Deutschland regelrecht explodiert. Könnte es sein, dass das durch Corona nun gestoppt wird?
Paulke: Ich hoffe nicht. Es hängt aber davon ab, welche Events wir im neuen Jahr zu sehen bekommen: Wie lange wird es dauern, bis wieder ein halbwegs normaler Betrieb stattfindet? Aber die Darts-Community ist ein eingeschworener Haufen. Die Leute wollen diese Events haben und dieses Seuchenjahr 2020 hinter sich lassen. Und ich bin gespannt, was in Deutschland passiert, wenn es einen deutschen Top-Spieler als Zugpferd geben wird. Das wird dem Sport nochmals einen großen Schub geben. Gabriel Clemens, die aktuelle deutsche Nummer eins, ist da auf einem guten Weg. Wenn er dran bleibt und sich weiter entwickelt, könnte er diese Rolle einnehmen.
Noch ein Experten-Tipp zur WM: Wer holt in diesem verrückten Corona Jahr den Titel?
Paulke: Ich halte Gerwyn Price, Peter Wright und Michael van Gerwen, der kürzlich das erste Turnier seit März gewonnen hat, für komnstanter als den Rest. Price hat das beste Halbjahr von allen gespielt, er scheint bereit für den ganz großen Wurf. Dahinter folgen mit etwas Abstand Nathan Aspinall und Michael Smith und Dimitri van den Bergh sowie Jose de Sousa. Passieren kann in diesem Jahr jedenfalls alles.
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