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Interview: Doping-Experte Sörgel: "Ich habe die Begeisterung verloren"

Interview

Doping-Experte Sörgel: "Ich habe die Begeisterung verloren"

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    Christopher Froome (rechts, daneben Geraint Thomas) steht bei der Tour de France in der Kritik.
    Christopher Froome (rechts, daneben Geraint Thomas) steht bei der Tour de France in der Kritik. Foto: Jeff Pachout, AFP

    Herr Sörgel, wie aufmerksam verfolgen Sie die Tour de France in diesem Jahr?

    Fritz Sörgel: Nicht so sehr, muss ich ehrlich sagen. Ich gehöre zu denen, die ihre Begeisterung verloren haben. Es ist nach wie vor so, dass die Leistungen steigen und nach wie vor steht die Behauptung im Raum, das komme natürlicherweise zustande. Es gibt bisher keinen Beweis für das Gegenteil. Fakt ist, dass Whistleblower und investigative Journalisten unabdingbar sind, wenn es darum geht, Doping aufzudecken. Ohne Hinweise aus dem inneren Zirkel kommt man diesen Dingen nicht oder nur selten auf die Spur. Denn was ich nicht suche, kann ich auch nicht finden. Die Vorstellung, man gibt die Dopingprobe eines Sportlers oben in ein Gerät hinein und unten kommt ein Streifen Papier heraus auf dem steht, wieviel von welchem Stoff drin war, stimmt leider nicht.

    Bei Chris Froome, der als großer Favorit in die Tour gegangen ist, wurde ein Asthmamittel in deutlicher überhöhter Dosis festgestellt. Neun Monate dauerte das Verfahren, wenige Tage vor Beginn der Tour kam der Freispruch. Kennen Sie die Begründung dafür?

    Sörgel: Ich habe mich sehr gewundert, denn das ist so eigentlich nicht akzeptabel. Es soll in seinem Körper eine Konstellation gegeben haben, die den Wert erklärbar gemacht habe. Aber dann hätte man andere Sportler früher auch schon freisprechen können.

    Die Frage ist, was passiert, wenn wieder jemand über dem Grenzwert des Mittels Salbutamol liegt?

    Sörgel: Genau. Der wird sich dann natürlich auf den Fall Froome beziehen. Das Hauptproblem an der Geschichte ist, dass die Strict Liability, also das Prinzip der verschuldensunabhängigen Haftung, außer Gefecht gesetzt wurde. Froome kann sich eben einen Spezialanwalt aus London leisten. Da frage ich mich, ob es Zukunft davon abhängt, ob ich einen geschickt agierenden Anwalt habe. Das kann es ja nicht sein.

    Der Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel sieht die Tour de France äußerst kritisch.
    Der Pharmakologe und Doping-Experte Fritz Sörgel sieht die Tour de France äußerst kritisch. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Können Sie kurz erklären, was Salbutamol in einer hohen Dosierung bewirkt?

    Sörgel: Froome und Konsorten nehmen es unter der Vorgabe, dass sie Asthma haben. Bei einer höheren Konzentration geht man davon aus, dass die anabolen Eigenschaften in den Vordergrund treten. Es ist ja bei vielen Arzneistoffen so, dass sie in geringer Dosierung eine bestimmte Wirkung haben und in einer höheren dann eine zusätzliche andere. Salbutamol ist meiner Meinung nach eine Substanz, die sich gut mit dem Leistungssport verträgt. Nicht umsonst hatten die Norweger zu den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ganz offiziell 6000 Dosen dabei.

    Wie bewerten Sie den Fall Froome mit Blick auf die Aufbauarbeit die der Radsport in den Jahren seit Lance Armstrong geleistet hat?

    Sörgel: Man sieht ja, was an der Strecke passiert. Die Anfeindungen gegenüber Froome sind massiv. Der Volksfestcharakter der Tour übertönt das natürlich, aber das ist trotzdem bemerkenswert. Und wie lange noch?

    Würden Sie dennoch sagen, dass der Radsport heute sauberer ist, als eben zu den Zeiten Armstrongs? Immerhin wird so viel getestet, wie in nahezu keiner anderen Sportart.

    Sörgel: Es ist viel gemacht worden, das muss man tatsächlich sagen. Aber nach wie vor wissen wir nicht, was trotzdem unter der Oberfläche läuft. Ich will keinen Verdacht in die Welt setzen, aber am Ende steht immer die Frage: Wie kommen diese Leistungen zustande? Natürlich sind die Räder sicher besser geworden und im Hochleistungssport wird jedes Detail im Training, in der Regeneration und in der Ernährung immer weiter optimiert. Das muss man fairerweise sagen. Auf der anderen Seite wissen wir einfach nicht, ob das der einzige Grund ist.

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