Über dem rechten Auge ist ein Cut noch sichtbar. Ein Andenken von Claressa Shields nach ihrem Boxkampf in Amerika?
Nikki Adler: Ja klar, sie hat mich schon erwischt. Aber das gehört beim Boxen dazu. Ich habe den Kampf klar verloren und ich bin natürlich immer noch enttäuscht, aber ich habe daraus auch Kraft geschöpft. Die nächsten Tage werde ich noch ein bisschen meine Wunden lecken und dann geht es weiter. Ich bin ja ein positiver Mensch.
Regina Halmich hat Ihnen Respekt gezollt und Sie bewundert, dass Sie sich überhaupt trauen, gegen Shields zu boxen...
Adler: Es freut mich zwar, dass Halmich an mich gedacht hat, aber das ist natürlich Quatsch. Ich bin Boxerin und Amerika war immer ein großes Ziel von mir. Wenn ich Angst hätte, würde ich mir einen anderen Sport aussuchen.
Hat sich dieses Ziel gelohnt?
Adler: Natürlich. Ich habe etwas erlebt, das kann mir kein Mensch mehr nehmen. Zum ersten Mal gab es dort einen Frauenkampf als Hauptkampf. Er war der Erste, der in den USA live im Fernsehen übertragen wurde. Ich habe Eindrücke bekommen, die waren überragend.
Zum Beispiel...
Adler: Es gab bei dieser Veranstaltung sechs Vorkämpfe. Ich war die einzige Sportlerin, die zuvor im Kronk Gym trainieren durfte. Das ist dort eine Institution. Dieses Studio gehörte dem verstorbenen Ex-Trainer von Wladimir Klitschko, Emanuel Steward. Dort haben Legenden trainiert wie Mike Tyson oder Lennox Lewis. Die anderen Boxer waren ziemlich neidisch, dass ich dort trainieren durfte. Die Witwe von Steward führt dort jetzt dieses Studio. Ich wurde unglaublich herzlich empfangen.
Und dann kamen Sie am Kampftag in eine Halle mit knapp 15.000 Fans. Vor so einer Kulisse hatten Sie zuvor ja noch nie geboxt...
Adler: Du kriegst natürlich diesen Höllenlärm mit. Doch man ist auch so konzentriert und geht wie durch einen Tunnel. Aber das war schon eine sensationelle Atmosphäre. Es war schon beeindruckend bei der Pressekonferenz. Da waren unglaublich viel Journalisten da. Ich musste noch nie so viele Interviews geben. Aber Boxen hat in Amerika eben einen anderen Stellenwert.
Lähmt das auch beim Boxen?
Adler: Nein, das wäre jetzt eine Ausrede. Aber im Nachhinein kann man auf Shields neidisch sein. Sie kann sich als Profiboxerin voll auf das Boxen konzentrieren, ich muss ja noch bei der Post arbeiten. Andererseits muss ich aber sagen, dass ich dort gerne arbeite, weil meine Vorgesetzten und meine Kollegen unglaublich nett sind und mich immer unterstützen. Meine Arbeit werde ich auch nie aufgeben.
Adler: "Jetzt geht es erst richtig los."
Arbeiten Sie schon wieder?
Adler: Aufgrund des Jetlags habe ich noch zwei Tage freibekommen. Am Mittwoch trage ich schon wieder Post aus. Nachdem ich sechs Wochen freigestellt worden bin, muss ich ja einiges nacharbeiten.
Sie werden einigen Trost von Ihren Kunden bekommen...
Adler: Ich werde sicherlich mal zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Da freue ich mich schon darauf. Es war ja überhaupt einmalig. Ich habe von so vielen Leuten gehört, dass sie um 4 Uhr früh aufgestanden sind, nur um im Internet meinen Kampf zu sehen. Das macht mich schon stolz. Mitbekommen habe ich das, weil ich unmittelbar nach dem Kampf reihenweise WhatsApp und SMS bekommen habe.
Am Ring saß auch Christina Hammer aus Dortmund. Die fünffache Weltmeisterin im Mittelgewicht ist die nächste Herausforderin von Claressa Shields. Hatten Sie Kontakt mit ihr?
Adler: Nein, mit ihr rede ich überhaupt nicht.
Das klingt nicht nach Sympathie...
Adler: In fast jedem Interview hetzt sie gegen mich. Das hat sie in den USA auch gemacht. Damit kam sie aber nicht gut an. Aber sie braucht halt Aufmerksamkeit. Ich bin gespannt, ob sie gegen Shields was ausrichten kann. Ich kann es mir nicht vorstellen. Aber vielleicht will sie es ja dann mit mir aufnehmen. Das würde mich freuen, damit sie endlich einmal ihre Klappe hält.
In einem Interview hat sie einmal gesagt, sie hätte Nikki Adler schon mehrfach herausgefordert...
Adler: Ja, wie schon gesagt. Da kommt viel Blabla von ihr.
Allerdings kämpft sie in einer anderen Gewichtsklasse. Sie sind eine Stufe höher im Supermittelgewicht...
Adler: Das ist kein Problem. Für Christina Hammer nehme ich auch zwei oder drei Kilo ab.
Das klingt nach richtig Lust aufs Boxen, trotz der klaren Niederlage?
Adler: Jetzt geht es erst richtig los. Ich bin auch überzeugt, dass es nicht mein letzter Kampf in Amerika war. Da gibt es noch einige gute Gegnerinnen und es rücken derzeit aus dem Amateurlager noch viele nach.
Lesen Sie auch, wie Nikki Adler ihre erste Niederlage erlebte sowie unser Porträt der Augsburger Boxerin.