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Interview: Angelique Kerber: "Ich wollte immer Profi werden"

Interview

Angelique Kerber: "Ich wollte immer Profi werden"

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    Angelique Kerber ist derzeit Deutschlands beste Tennisspielerin und führte das Fed-Cup-Team ins Halbfinale.
    Angelique Kerber ist derzeit Deutschlands beste Tennisspielerin und führte das Fed-Cup-Team ins Halbfinale. Foto: John G. Mabanglo (dpa)

    Angelique Kerber, 26, ist Deutschlands beste Tennisspielerin und steht auf Platz sieben der Weltrangliste. Bei zwei Grand-Slam-Turnieren stand sie bisher im Halbfinale (Wimbledon und US-Open), einmal im Viertelfinale (Paris).

    Wie würden Sie den Begriff „Heimat“ definieren?

    Kerber: Heimat bedeuet für mich in erster Linie Freunde und Familie. Das ist für mich das Wichtigste und da fühle ich mich auch zuhause.  Aufgrund der Tatsache, dass ich ja mit der WTA-Tour sehr viel unterwegs bin, ist es immer wieder schön, nach Hause zu kommen, mit meinen Freunden und meiner Familie zusammen zu sein, um auch einmal auf andere Gedanken zu kommen.

    Lässt sich Heimat für Sie an einem bestimmten Ort festmachen?

    Kerber:  Klar, ich bin in Deutschland aufgewachsen, mein Herz schlägt für Deutschland und ich bin Deutsche. Aber ein Teil meiner Familie kommt aus Polen beziehungsweise meine Großeltern leben dort. Deshalb habe ich auch dahin einen gewissen Bezug. Auch wenn das Ganze etwas gesplittet ist, fühle ich mich letztlich schon als Deutsche. Das Wichtigste ist für mich, wie bereits gesagt, dass ich meine Freunde und Familie um mich habe. Wo das dann am Ende genau der Fall ist, ist für mich absolut zweitrangig.

    Gerade wenn man das ganze Jahr über auf allen Kontinenten unterwegs ist: Lernt man dann seine Heimat noch mehr zu schätzen?

    Kerber: Ja, absolut! Auch wenn ich den Tennis-Sport wirklich liebe, ist es für mich enorm wichtig, regelmäßig etwas Abstand zu gewinnen. Und das bekomme ich eigentlich sehr gut hin, wenn ich mit meinen Freunden beispielsweise ins Kino, einen Kaffee trinken oder zum Abendessen gehe. Aber auch zuhause, wo ich mich einfach ganz „normal“ fühle, kann ich sehr gut entspannen – ohne Druck, ohne Trainingsstress oder Konzentration auf das nächste Match.

    Wie oft haben Sie während eines Jahres überhaupt die Gelegenheit, Ihre Freunde und Familie zu treffen?

    Kerber:  Leider nicht so oft.  Aber wenn ich wirklich einmal die Zeit habe, dann mache ich das auch zu 100 Prozent. Sind es zwei, drei Tage hintereinander, dann ist es gut. Habe ich mal eine Woche am Stück, dann ist es bereits purer Luxus (lacht).

    Für die meisten Menschen klingt es sicherlich wie ein Traum: Durch die Welt zu reisen und Tennis zu spielen! Würden Sie sagen, dass Sie Ihren eigenen Traum „

    Kerber:  Das kann man sicherlich so sagen, ja. Ich spiele seit meinem dritten Lebensjahr Tennis und wollte immer Profi werden. Jetzt bin ich auf der Tour dabei und zähle auch noch zu den besten Spielerinnen der Welt. Das ist natürlich schon ein Traum. Mir ist es gelungen, mein Hobby zum Beruf zu machen. Das weiß ich jeden Tag und es motiviert mich auch, das Beste aus mir heraus zu holen. Letztlich ist es genau das Leben, das ich mir erhofft und vorgestellt habe – auch wenn es beispielsweise mit dem ganzen Reisen und Kontinenten wechseln natürlich nicht immer einfach ist. Aber man macht das ja auch nicht sein ganzes Leben lang. Irgendwann ist damit Schluss.  Deshalb genieße ich das „Hier und Jetzt“ beziehungsweise jede Sekunde davon.

    Stichwort „Genuss“! Wenn Sie ein Turnier in Melbourne, Paris, Mailand oder momentan in Miami spielen: Haben Sie auch die Möglichkeit, etwas von den jeweiligen Städten und deren Sehenswürdigkeiten zu genießen oder bleibt dafür keine Zeit?

    Kerber: Früher bin ich tatsächlich nur von Turnier zu Turnier gereist und habe außerhalb des Tennis eigentlich gar nichts wahrgenommen.  Mittlerweile habe ich allerdings für mich herausgefunden, dass es auch auf Turnieren ungemein wichtig ist, mal ein paar Stunden abzuschalten und etwas Anderes zu machen. Dann gehe ich zum Shoppen, an den Strand oder schaue mir einfach ein paar interessante Sachen an. Diese Zeit nehme ich mir ganz bewusst.

    Dass der Traum „Tennis-Profi“ durchaus auchs eine „Schattenseite“ hat, haben Sie ja bereits angesprochen. Neben dem ständigen Reisen, dem damit oftmals verbundenen Jetlag, Leben aus dem Koffer in den Hotels und einer eisernen Disziplin gehört sicherauch ein gewisser Verlust der Privatsphäre dazu. Wie würden Sie die positiven und negativen Aspekte Ihres Berufs gegeneinander aufwiegen?

    Kerber: Keine Frage, man muss das Ganze natürlich lieben – und ich liebe es!  Es gibt sehr viele positive Dinge. Man lernt zum Beispiel viele Leute auf der ganzen Welt kennen, man hat zudem ein Team bei sich, das einen ständig unterstützt.  Aber klar, es gibt auch die andere Seite. Die Freunde und Familie sind nicht da, man reist sehr viel, das Essen ist auf den jeweiligen Kontinenten sehr unterschiedlich. Ich nehme das alles jedoch gerne in Kauf, weil Tennis-Profi genau das ist, was ich eben machen möchte. Und ich sehe natürlich auch, dass ich damit Erfolg habe, was mich zudem motiviert. Ich möchte nach meiner Karriere einfach sagen, dass ich alles dafür getan habe. Meine Freunde und Familie kennen es übrigens gar nicht anders. Die nehmen mich, wie ich bin.

    Gerade das Thema Disziplin spielt in einer Profi-Karriere oftmals die entscheidende Rolle! Wie schwer fällt Ihnen diese „eiserne Disziplin“ gegenüber sich selbst?

    Kerber:  Eigentlich fällt sie mir relativ leicht. Ich habe immer mein Ziel vor Augen und weiß, was ich möchte. Ich stehe jeden Morgen auf, bin diszipliniert und mache meine Trainingseinheiten zu 100 Prozent. Natürlich gibt es auch Tage, an denen es etwas schwerer fällt. Dann hat man allerdings seine Leute drumherum, die einen daran erinnern und motivieren. Dann macht es auch wieder Spaß. Grundsätzlich würde ich mich schon als einen sehr disziplinierten Menschen beschreiben. Ich glaube, das ist auch ein bisschen Deutsch in mir (lacht).

    Ihr sportlicher Aufstieg und Ihre Erfolge in den vergangenen beiden Jahren als beste deutsche Tennis-Spielerin sind zweifelsohne beeindruckend. Sie rangieren in diesem Zeitraum in der Weltrangliste nahezu durchgängig in den „Top Ten“, wobei ihre beste Platzierung Rang fünf war. Augenblicklich werden Sie auf Position neun geführt. Haben Sie den Eindruck, dass die Wertschätzung und Anerkennung Ihrer Person gegenüber in Deutschland angemessen ist?

    Kerber: Ich denke, dass das ein sehr schwieriges Thema ist. In Deutschland ist Fußball sicherlich die Nummer eins, wobei ich ja selbst auch ein Fußballfan bin. Aber wenn man Erfolg hat, dann wird das von den Leuten schon anerkannt – gerade dann, wenn dieser noch größer wird. Insgesamt kann man Deutschland von der Mentalität her schon als eine „Siegernation“ bezeichnen.  Ob die Wertschätzung mir beziehungsweise meinen Erfolgen gegenüber jetzt gebührend ist, lässt sich für mich selbst sehr schwer beurteilen.

    Was ist aus Ihrer Sicht  schwierige: Überhaupt in die „Top Ten“ zu kommen oder sich über einen längeren Zeitraum dort zu halten?

    Kerber:  Ich würde Letzteres sagen. Natürlich ist es auch nicht einfach, den Sprung unter die zehn besten Tennis-Spielerinnen der Welt zu schaffen. Dazu braucht es schon ein sehr konstantes Jahr. Aber dieses dann im darauffolgenden zu bestätigen, um nicht wieder herauszurutschen, war aus meiner Sicht definitiv schwieriger. Man wird auf einmal mit ganz anderen Dingen konfrontiert. So ist der Druck deutlich größer und man muss plötzlich auch außerhalb des Platzes vielen anderen Dingen nachkommen. Von dem her muss man seinen Trainingsalltag wesentlich genauer planen und einhalten.

    Vor rund sechs Wochen haben Sie das deutsche „Fed-Cup“-Team mit ihren beiden Einzelsiegen gegen die Slowakei erstmals seit 19 Jahren wieder ins Halbfinale geführt, in dem es am 19./20. April gegen Australien geht. Welchen Stellenwert nimmt dieser Erfolog bei Ihnen persönlich ein?

    Kerber: Für mich ist der „Fed-Cup“ grundsätzlich sehr wichtig! Zunächst einmal stellt es eine große Ehre dar, für Deutschland spielen zu dürfen. Hinzu kommt, dass mir diese Woche immer sehr viel Spaß bereitet. Nachdem Tennis ja in der Regel ein Individualsport ist, stellt es eine tolle Abwechslung dar. Ich habe mich jedenfalls riesig darüber gefreut, dass wir mit unserer erstklassigen Mannschaft nach so langer Zeit mal wieder ins Halbfinale eingezogen sind. Und da muss ja auch noch nicht Schluss sein.

    Sie haben auf Ihrer Homepage unter anderem Fußball und Handball als Lieblingssportarten angegeben. Beides sind – im Vergleich zu Tennis,  wie Sie es ja soeben selbst gesagt haben – Mannschaftssportarten. Ist gerade dieser Teamgedanke beim Fed-Cup für Sie deshalb so wichtig?

    Kerber: Auf alle Fälle! Beim Fed-Cup stehst Du auf dem Platz und versuchst, für dein Team und damit dein Land zu gewinnen.  Wenn ich mich an unser Match gegen die Slowakei erinnere: Während ich gespielt habe, ging mein Blick des Öfteren nach draußen. Und da standen an der Seite alle, egal ob Physios, Ärzte, Trainer oder Mitspieler, und haben mich angefeuert. Das hilft dir, auf dem Platz nochmals die letzten Prozente herauszuholen. Deshalb genieße ich diese Partien beziehungsweise die Woche mit dem Team.

    Um bei Ihrer Homepage zu bleiben: Als Jugendidol haben Sie dort  Steffi Graf angegeben. Was hat Sie an der 22-maligen Grand-Slam-Turniersiegerin  beeindruckt und fasziniert?

    Kerber: Ich bin nach wie vor ihr größter Fan (lacht). Zum einen war es ihre ungemeine Disziplin und zum anderen natürlich auch die Erfolge. Sie hat letztlich alles erreicht, was man erreichen kann. Was mich aber am tiefsten beeindruckt hat: Am Ende ist sie, trotz dieser ganzen Erfolge,  immer die gleiche Person beziehungsweise bodenständig geblieben und hat ihr Leben so gelebt, wie sie es wollte. Sie ist als Mensch einfach unglaublich – und das inspiriert mich am meisten!

    Wenn man sich in Ihrem Umfeld umhört, dann wird gerade diese Bodenständigkeit auch bei Ihnen immer wieder erwähnt. Wie schafft man es, trotz des ganzen Rummels und Erfolges die Bodenhaftung nicht zu verlieren?

    Kerber:  Für mich ist es eigentlich gar nicht so schwierig. Mein Ziel war es immer – und das habe ich auch stets zu meinen Freunden und meiner Familie gesagt –, unabhängig vom Erfolg die Angie Kerber zu sein, die ich tatsächlich bin. Ich glaube, das ist mir auch ganz gut gelungen und so fühle ich mich auch am besten.  Daher möchte ich das auch so weiterführen. Abgesehen davon könnte ich mich auch gar nicht verstellen.

    Sie haben Ihr großes Vorbild Steffi Graf während des Wimbledon-Turniers 2012 zum ersten Mal persönlich getroffen. Was hat Ihnen diese Begegnung gegeben?

    Kerber: Es war für mich einfach ein unbeschreibliches Gefühl, die Steffi da in der Kabine persönlich kennenzulernen. Ich habe mich auf Anhieb mit ihr verstanden auch auch gemerkt, dass ich ihr wirklich alles sagen konnte. Dieses Treffen wird daher sicherlich für immer in meiner Erinnerung bleiben.

    Lassen Sie uns abschließend noch auf Ihre bisherige Grand Slam-Turnierbilanz blicken. Zwei Halbfinal- (Wimbledon und US-Open) sowie ein e Viertelfinal-Teilnahme (Paris) können sich wahrlich sehen lassen. Angenommen, Sie könnten sich Ihren ersten Grand Slam-Turniererfolg aussuchen: Für welchen  würden Sie sich entscheiden?

    Kerber: Ich würde Wimbledon oder New York nehmen.

    Und warum ausgerechnet diese?

    Kerber: Wimbledon ist ein traditionsreiches Turnier, das jeder kennt. Und an New York haben ich ganz besondere Erinnerungen. Letztlich hat dort für mich im Jahr 2011 alles begonnen. Ich stand in der Weltrangliste auf Platz 95 und habe als ungesetzte Spielerin das Halbfinale erreicht. Deshalb sind die US Open ein ganz besonderes Turnier für mich. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, dann würde ich mich für eines dieser beiden entscheiden – aber ich nehme gerne auch Paris oder Melbourne (lacht).

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