Mesut Özil und Ilkay Gündogan sind begnadete Fußballer. Feinfüßige Strategen und wunderbare Dribbler, die jede Mannschaft der Welt bereichern. Zum Glück von Bundestrainer Joachim Löw sind die beiden Deutsche. Trotz ihrer türkischen Vorfahren haben sich die beiden dafür entschieden, für das Land zu spielen, in dem sie geboren wurden. Dass sie sich abseits des Platzes nicht mit der gleichen selbstverständlichen Eleganz bewegen, ist an sich kein Problem.
Wie für Ärzte, Schreiner oder Bankkaufleute gibt es auch für Fußballer keinen Gesinnungs- oder Intelligenztest. Die Kicker allerdings haben weit mehr als andere an Kritik auszuhalten, wenn sie sich in der Öffentlichkeit ungeschickt, unwissend oder schlicht falsch verhalten. Im Fall von Gündogan und Özil trifft das alles zu. Die beiden posierten mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan für Fotos. Sie überreichten ihm jeweils ein Trikot. Gündogan garnierte seines mit der Widmung „Für meinen verehrten Präsidenten“.
Özil und Gündogan machten sich mit dem autokratischen Staatslenker Erdogan gemein
Beide hätten wissen müssen, welche Reaktionen die Bilder auslösen. Erdogan tritt mancherlei Grundrecht mit Verve ins rechtsstaatliche Nirgendwo. Politische Gegner werden ebenso wie unliebsame Journalisten unter fadenscheinigen Gründen eingesperrt. Özil und Gündogan haben bewusst oder unbewusst die Gefühle vieler Deutscher verletzt. Sie machen sich gemein mit einem autokratischen Staatslenker. Das ist nicht nur ungeschickt, sondern abstoßend und gehört kritisiert. Das Treffen als Geste der Höflichkeit abzutun, wie es Gündogan tat, ist ein verlogener Versuch, halbwegs unbeschadet aus der missratenen PR-Nummer herauszukommen.
Nicht alle Politiker haben das Recht, die beiden Fußballer zu kritisieren
Bei all der Kritik, erhobenen und fuchtelnden Zeigefingern, sollte aber der Maßstab gehalten werden. Politiker fordern den Ausschluss der beiden Kicker aus der deutschen Nationalmannschaft. Politiker, die Flüchtlingsdeals mit der Türkei abnicken. Politiker, die Rüstungsexporte in die Türkei beschließen. Politiker, die den ungarischen Regierungschef und bekennendem Feind freier Presse, Viktor Orbán, als Freund bezeichnen. Politiker, die ein Bekenntnis von Özil und Gündogan zu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einfordern. Niemand muss sich zu irgendwem bekennen. Beide Spieler haben für die Integration von Migranten mehr getan als die meisten Politiker. Entscheidend ist, ob sie jene Werte und Rechte als ihre akzeptieren, die hierzulande als selbstverständlich gelten. Daran gibt es bislang keinen Zweifel. Dann sollen sie natürlich auch weiterhin das deutsche Nationaltrikot tragen.
Profisport ist nie unpolitisch
Die Vorgänge zeigen wieder einmal, dass der Sport nie unpolitisch ist – so sehr sich das einige der Protagonisten auch wünschen. Die Wirkmacht von Sportlern oder Turnieren wird auch in Zukunft genutzt und missbraucht werden.
Wladimir Putin darf sich der Weltöffentlichkeit als Organisator Olympischer Spiele und einer Fußball-Weltmeisterschaft präsentieren. Auf der anderen Seite können Funktionäre und Spieler auch an Profil gewinnen. Sie haben die Möglichkeit, offen Missstände anzusprechen. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat es bislang an deutlicher Kritik für die Vergabe der Weltmeisterschaften nach Russland und vier Jahre später nach Katar vermissen lassen. Länder, die die große Bühne für ihre Zwecke nutzen werden. So wie Erdogan auch Özil und Gündogan benutzt hat. Jetzt ist es am Verband, sich besser aus der Affäre zu ziehen als die beiden Spieler. Die Folgerung der vergangenen Tage muss sein: Deutlich Stellung beziehen. Ansonsten wird dieses Feld nur von Manipulatoren bespielt. Noch führen Erdogan und Putin deutlich.