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Glosse: Jeder hat das Recht auf seine eigene Realität

Glosse

Jeder hat das Recht auf seine eigene Realität

Tilmann Mehl
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    Vielleicht sind die Schalker ja tatsächlich 2001 Deutscher Meister geworden.
    Vielleicht sind die Schalker ja tatsächlich 2001 Deutscher Meister geworden. Foto: Boris Roessler, dpa

    Niemand, von dem sich nichts lernen ließe. Klar, es gibt die offensichtlichen Fälle. Robinson Crusoe, der das beste aus einer misslichen Lage macht. Oder Sepp Blatter, der veranschaulicht, dass man es als Führungskraft gar nicht dreist genug mit der Kumpanei treiben kann. Von größerem Interesse aber sind jene Lehrbeispiele, deren moralische Essenz sich nicht flutartig ausbreitet.

    Auf Anhieb lässt sich beispielsweise wenig Erquickliches aus dem Tun von Kim Jong-un destillieren. Der Mann scheint seinen Machterhalt recht skrupellos abzusichern. Er trachtet selbst nahestehenden Familienmitgliedern nach dem Leben, wenn die es in Zweifel ziehen, dass der göttliche Führer Nordkoreas von allwissender Weisheit ist. Sollte man sich nicht zum Vorbild nehmen. Die Medienarbeit des Diktators ist allerdings von feiner Raffinesse gekennzeichnet. Nicht etwa die plumpen Propagandavideos. Das ist autokratisches Einmaleins.

    Die USA haben es mit weniger Hingabe als die Nordkoreaner versucht

    Unlängst aber hat der Staatssender tatsächlich Bilder von den Olympischen Spielen ausgestrahlt. Vor allem der Frauenfußball scheint es den nordkoreanischen Fernsehmacherinnen und -machern angetan zu haben. Sie verwöhnten die Interessierten mit den Schmankerln Großbritannien – Chile (2:0) und kurz darauf Brasilien – China (5:0). Von Anpfiff bis Ausstrahlung hat es rund drei Wochen gedauert. Für hinterwäldlerkoreanisch hält das nur, wer die Automatismen nicht verstanden hat. Niemand in Nordkorea konnte wissen, dass es sich nicht um eine Liveübertragung handelt. So blieben rund 20 Tage, um das Material auf staatszersetzenden Inhalt zu überprüfen. Die Amerikaner erdachten ein ähnliches Konstrukt, nachdem Justin Timberlake mal eine Brust von Janet Jackson freigelegt hatte. In den USA aber begnügte man sich mit ein paar Sekunden, um tugendgefährdende Haut zu zensieren.

    Bleibt nun nur noch die Frage: Sind wir sicher, dass es in Deutschland nicht auch schon soweit ist? Woher wissen wir denn, dass 2014 Lionel Messi nicht doch noch den Ausgleich gegen

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