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Glosse: Bildhaft, direkt, brutal: Fußball ist Weltsprache - aber nicht immer korrekt

Glosse

Bildhaft, direkt, brutal: Fußball ist Weltsprache - aber nicht immer korrekt

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    Jürgen Klopp (r.) und James Milner
    Jürgen Klopp (r.) und James Milner Foto: John Walton, dpa

    Fußballsprache ist einfach. Versteht jeder. Eine Weltsprache. Das Esperanto des Sports. So haben die Manager der Großklubs, die gerade wieder einen 17-Jährigen aus Burkina Faso verpflichtet haben, der außer einigen Stammesdialekten nichts spricht, auf Fragen zu Kommunikation mit dem Juwel geantwortet. Fußball, Weltsprache. Eh klar.

    Das Kopfball-Ungeheuer Horst Hrubesch liebte kurze, einfache Sätze

    Sie ist bildhaft und direkt. Gerne auch organisch unterwirft sie sich selten einer Grammatik („Gib’ mich die Kirsche“). Für all das stand kein Junge aus Burkina Faso, sondern ein Kopfball-Ungeheuer aus Hamm.

    Horst Hrubesch hat auf dem Fußballfeld seinen Schädel an alles gehalten, was in zwei bis drei Metern Höhe den Luftraum kreuzte. Meistens servierte sein Kumpel Manfred Kaltz die Kugeln zum Kopfball. „Manni Bananenflanke, ich Kopf – Tor“, beschrieb Hrubesch, so knapp es die deutsche Sprache zuließ, sein Erfolgsgeheimnis. Waren Fragen komplizierter, spielte er auf Zeit („Das muss ich erst mal Paroli laufen lassen“).

    Nirgendwo ist die Fußballsprache so direkt wie in einer Spielerkabine

    Die Fußballsprache ist aber auch herablassend, entwürdigend und brutal. Nirgendwo ist sie das mehr als in einer Spielerkabine, in den letzten Augenblicken vor dem Anpfiff. Einen überraschenden und verstörenden Einblick dazu lieferte Söhnke Wortmanns Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“ als Dokumentation der WM 2006.

    Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Polen hörte das Publikum den deutschen Teamchef Jürgen Klinsmann vor seinen Spielern schwadronieren: „Die stehen mit dem Rücken zur Wand und wir knallen sie durch die Wand.“

    Man muss kein Anhänger des politisch Korrekten sein, um darüber aufzustöhnen. Dabei war Klinsmann, der neben schwäbisch auch fließend englisch, italienisch und spanisch spricht, unverdächtig, Gegnern den Respekt zu verweigern. Aber kurz vor dem Anpfiff war auch in ihm der Heißmacher gefragt. Ansprachen im Tonfall von „Liebe Anwesende, wir sind hier zusammengekommen, um unseren Fußballfreunden nach den Regeln des Fairplay ...“ führen zur eigenen sportlichen Beerdigung.

    Stattdessen geht es um Pulsbeschleunigung. Eine Spezialdisziplin. Nicht einmal Jürgen Klopp, dem auf diesem Feld alles zuzutrauen ist, wagt sich beim FC Liverpool selbst daran. Klopp hat sich über die Jahre bei den Reds ein passables Englisch angeeignet, aber in den letzten Augenblicken vor dem Spiel muss jedes Wort sitzen. Wer hier nicht direkt in die Herzen und Köpfe der Spieler kommt, hat schon verloren.

    Jürgen Klopp setzt beim Trash-Talk vor dem Anpfiff auf James Milner

    Klopp darf vorher noch über die hängende Neun und abkippende Sechs referieren, zum Verbal-Doping, dem Trash-Talk, schickt er seinen Spieler James Milner vor. Mr. Milner verdichtet das Trainerreferat in eine Handvoll kurzer Sätze. Wenn die Empfindsamen Glück haben, kommt das Wort „Wall“ darin nicht vor. Aber das ist dann auch schon egal.

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