Es ist ein weiterer Schlag für die Sportjournalisten weltweit. Die Leserbriefe, die ihnen seit Dekaden Unfähigkeit, Parteilichkeit für einen Verein oder Abneigung (gegen den im Zweifelsfall gleichen Verein) unterstellen: geschenkt. Da ähnelt die Zunft jenen der Berufskicker. Schmerzensgeld ist im horrenden Gehalt inbegriffen. Nur ohne das horrende Gehalt.
Selbstvertrauen holen sich Schreiber, Radiogesichter und TV-Experten beim Freizeitsport. Trikot von Wayne Gretzky oder Norbert Nachtweih über den Kessel ziehen und andere Fußlahme noch älter aussehen lassen, als es Tränensäcke und Glatzen vermuten lassen. Wem selbst das zu viel der Bewegung ist, begibt sich auf das digitale Sportfeld, um sein Expertenwissen unter Beweis zu stellen. Welt- und Europameisterschaften zeigen allerdings, dass Pförtner, Sekretärin und Redaktionshund (einmal bellen: Sieg für Team A, zweimal bellen: Sieg für Team B) die besseren Tipper sind. Glücksspiel, elendiges!
Was bildet sich dieses Genie ein?
Letzte Bastion sind Online-Managerspiele. Dabei lassen sich Fantasie-Mannschaften aus den Originalkadern zusammenstellen. Die Spieler werden anhand bestimmter Parameter wie Toren oder Gelben Karten benotet. Wer am meisten Punkte hat, gewinnt.
In England hat nun ein Spitzensportler die Führung der „Fantasy Premier League“ übernommen. Bester Spieler unter sieben Millionen Teilnehmern ist: Magnus Carlsen, Schachweltmeister. Der 29-Jährige führt den Sprung an die Tabellenspitze auf einen einzigen Faktor zurück: „Glück.“ Schachspieler sind ja dafür bekannt, Strategien und Wahrscheinlichkeiten komplett außer Acht zu lassen. Was bildet sich dieses Genie eigentlich ein? Der soll bei seinem Denksport bleiben. Ansonsten wird Gleiches mit Gleichem vergolten – und Sportjournalisten setzen auf diesem Brett mit den 59 Feldern sämtliche Fänger in die Zwickmühle. Von Schach haben wir mindestens so viel Ahnung wie vom Fußball.