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Fußball-Weltmeisterschaft: Was macht den perfekten WM-Hit aus?

Fußball-Weltmeisterschaft

Was macht den perfekten WM-Hit aus?

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    Eine knallbunte Profi-Performance lieferte Shakira bei der Eröffnungsfeier der WM 2010 mit „Waka waka“ hin.
    Eine knallbunte Profi-Performance lieferte Shakira bei der Eröffnungsfeier der WM 2010 mit „Waka waka“ hin. Foto: dpa

    Hier finden Sie den kompletten Spielplan zur WM, den Sie über diesen Link auch im PDF-Format zum Ausdrucken finden: Spielplan zum Herunterladen und Ausdrucken.

    Die deutsche Nationalmannschaft hat es getan. Udo Jürgens, Michael Schanze und Herbert Grönemeyer auch. Gianna Nannini und Shakira ebenfalls. Sie alle haben einen WM-Song aufgenommen, wie zahlreiche andere Künstler. Und heuer auch noch Schauspieler Will Smith. Der darf die offizielle Fifa-Hymne zur Weltmeisterschaft in Russland singen. Coca-Cola steuert die Hauptsponsoren-Hymne bei, ARD und ZDF haben Lieder für die Berichterstattung ausgewählt, und das DFB-Team wird sicher wieder verraten, was es zur Motivation in der Kabine hört. Wie 2006 „Dieser Weg“ von Xavier Naidoo.

    So geht das seit Jahren und es wird immer konfuser und kommerzieller, könnte man meinen. Eine Flut an WM-Hits hat sich über viele Turnier-Jahre angesammelt. Aber was macht einen Hit zu einem Hit? „Das richtige Tempo, der richtige Beat“, erklärt Popmusik-Experte Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg. Den einen WM-Song gibt es dabei nicht, eher verschiedene Kategorien an Liedern: Die von den Spielern selbst gesungenen, die Dauerbrenner, die Marketing-Songs und die umstrittenen.

    Zu letzterer Kategorie gehört das Lied „Buenos días, Argentina“. Damit brachten Udo Jürgens und die Nationalelf um Sepp Maier, Vogts, Rummenigge und Co. die deutschen Fußballfans 1978 in Stimmung für die Weltmeisterschaft – in einem Land, in dem nach einem Putsch die Militärjunta regierte, die brutal gegen das eigene Volk vorging. Zehntausende Menschen starben, unzählige werden bis heute vermisst. „Buenos días, Argentina! Wenn die rote Sonne glüht, rauscht von ferne der La Plata und er singt mit mir ein Lied“, trällerten Udo Jürgens und das deutsche Team. Dass die Junta ihre Opfer von Flugzeugen aus in den riesigen Fluss Río de la Plata schmiss, wurde erst nach der WM bekannt. Bereits während des Turniers aber wurde diskutiert, Diktator Jorge Videla und seinen Generälen den Handschlag zu verweigern. „Buenos días, Argentina! Komm wir reichen uns die Hand“, sangen Jürgens und die Jungs. Es klingt im Nachhinein wie Hohn.

    Sollte man Musik, Sport und Politik also trennen? Nein, findet Popmusik-Experte Dahmen. Im Gegenteil: Künstler seien dazu aufgerufen, sich zu äußern, eine eigene Meinung zu haben und Stellung zu beziehen. Das wünsche er sich auch für die WM in Russland.

    Doch es geht auch anders: skandalfrei, beschwingt, dynamisch, wie der deutsche Team-Chor 1974 bewiesen hat. Blasorchester-Marsch-Charakter hat das Kultstück, das die WM-Helden um Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Uli Hoeneß im Tonstudio gut gelaunt ins Mikro sangen: „Fußball ist unser Leben.“ Lässt sich die deutsche Seele besser beschreiben? Jedenfalls: Mit so viel guter Laune im Team kann man den Titel ja nur holen.

    1982 sorgte die damalige Nationalmannschaft gemeinsam mit Entertainer Michael Schanze zur WM in Spanien erneut für ein musikalisches Schmankerl. Land, Titel und Rhythmus sind Programm. „Olé España“ heißt der Song, bei dem im Hintergrund unter anderem Toni Schumacher mitträllert. Die Sportstars erklären den Deutschen unter viel Olé, Olé: „Das Glück hat einen Namen, in

    1990 sorgten nicht mehr der Kicker-Chor, sondern Gianna Nannini und Edoardo Bennato für Gänsehaut. Mit „Un’Estate Italiana“ schmetterten die Italiener das offizielle WM-Lied.

    Ja, auch zum Arme schwenken, Schunkeln und Mitsingen muss sich ein Lied eignen, damit es groß rauskommt. Wichtig ist laut Udo Dahmen „die Verbindung aus singbarer Melodie und den richtigen Worten dazu“.

    Die richtigen Worte fand 2010 zum Beispiel Shakira in ihrem offiziellen Song für die WM in Südafrika: „Tsamina mina zangalewa“ sang sie. Wer versteht es nicht? Ausschlaggebend war aber wohl die einprägsame Zeile „Waka waka eh eh“. Millionfach hat sich der Song verkauft. Da klingelt die Kasse.

    Das dürfte sie dieses Jahr auch bei Jason Derulo. Immerhin singt er die offizielle Hymne von Hauptsponsor Coca-Cola. Deren Werbebotschaft hat er geschickt verpackt. Vor dem Refrain singt er das Motto der Kampagne: „Taste the Feeling“. Fast hätten wir es nicht gemerkt.

    Musik und Marketing sind heute untrennbar mit Sportevents verbunden. „Musik ist ein wichtiges Mittel, um Stimmung zu erzeugen“, sagt Dahmen. Es gehe um Wiedererkennung und Merchandise. Klar: Jeder Like und jeder Download, den ein Song erhält, ist bares Geld. Für Musiker bergen Weltmeisterschaften dem Experten zufolge ein hohes kommerzielles Potenzial. Ein sehr großes Publikum lasse sich erreichen. Und es gehe um Identifikation – mit einem Produkt, einem Fernsehsender, einer Nation.

    Der tatsächliche Erfolg lässt sich oft erst Jahre später feststellen. Bestimmte Songs gehörten dann zur Legende einer WM, sagt Dahmen. Das habe 2014 zum Beispiel Andreas Bourani mit „Ein Hoch auf uns“ geschafft. Eine Hymne aus dem Lehrbuch, die wir heute noch schmettern. Eigentlich hatte Bourani das Stück nicht als Fußballhymne komponiert, was fast schon ehrenhaft wirkt in der WM-Marketing-Maschinerie. Beflügelt wurde sein Lied durch das ZDF, das es zum WM-Sender-Song befördert hatte.

    Wie heuer den englischsprachigen Titel „The Bravest“ der Band Sir Rosevelt.

    Bei der ARD gibt es „Zusammen“ von den Fantastischen Vier und Clueso zu hören. Wer 2018 wohl den großen Hit landet?

    Neben Fanta 4 treten unter anderem an: Will Smith und Nicky Jam mit der offiziellen Fifa-Hymne „Live It Up“ und Jason Derulo mit „Colors“. „Live It Up“ findet Udo Dahmen spannend. Das habe einen gewissen Reggae-Touch. Reggae-Sounds in Russland? Warum nicht.

    Inoffiziell bewirbt sich auch Adel Tawil mit „Flutlicht“ um die Gunst der Hörer – mit viel „ooh oohs“. So richtig viel Stimmung mag dabei nicht aufkommen, doch „der hymnische Schlussteil hat Potenzial“, sagt Dahmen.

    Den offiziellen WM-Songs macht auch Max Giesinger Konkurrenz, wie schon bei der EM 2016 mit „80 Millionen“. Heuer hofft er wohl mit „Legenden“ einen WM-Hit zu landen. Ganz zufällig hat er ihn jedenfalls genau zu Beginn des Fußballsommers veröffentlicht.

    Welcher Song sich auch durchsetzen wird – wenn wir ihn zu Weltmeisterschaften künftig genauso häufig auspacken wie Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ und so oft grölen wie „54, 74, 90, 2010“ von den Sportfreunden Stiller, dann hat er den Titel Hymne verdient.

    Dieser Artikel ist Teil unserer WM-Beilage, die am 12. Juni unserer Zeitung kostenlos unserer Zeitung beiliegt.

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