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Fußball: Nach der Champions League: Bayern feiert

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Nach der Champions League: Bayern feiert

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    Thomas Müller und Mario Gomez beim Feiern in London.
    Thomas Müller und Mario Gomez beim Feiern in London. Foto: ALEXANDER HASSENSTEIN, afp

    Als hätte Trainer Jupp Heynckes beim Wettergott ein Alibi bestellt: Heftige Windböen klatschen der Mannschaft den Regen ins Gesicht, als sie gestern am frühen Abend um Viertel vor sechs aus dem Airbus A 380 steigt – und fast nahtlos im Bus auf dem Vorfeld des Münchner Flughafens verschwindet. Rund 150 Journalisten sind zum Rollfeld vorgelassen, an dem der FC Bayern München am Tag nach seinem großen Triumph aus Wembley ankommt.

    Fankontakt ist unerwünscht. Der Blick soll entschlossen auf den Samstag, den Tag des deutschen Pokalfinales, gerichtet und das „Triple“ – Meisterschaft, Champions-League-Titel und DFB-Pokalsieg – perfekt werden. Flughafenmitarbeiter Georg Forster vertritt derweil die vergeblich Wartenden am Terminal zwei: In voller Fanmontur trotzt er Wind und Wetter und reckt den Fanschal in den Münchner Himmel: „Super Bayern, super Bayern!“

    Die Helden von Wembley sind zurück – aber die wenigsten dürfen davon persönlich Notiz nehmen

    Auch der Sonntagmorgen scheint auf den ersten Blick wie jeder andere in der bayerischen Hauptstadt zu sein: ein paar übereifrige Jogger an der Ampel, verwirrte Museumstouristen am Busfahrplan, Familien mit viel Gepäck auf dem Weg zum Verwandten-Besuch. Doch auf den zweiten Blick ist es nicht mehr das München, das es noch am Samstagabend, 20.45 Uhr, war.

    Dazwischen ist etwas passiert, das sich im Detail zeigt: Berge zerbrochener Flaschen kehrt der Kellner des „Augustiner Bräu“ am Odeonsplatz zwischen den Stuhlreihen zusammen. Kein Anzeichen von Unmut ist in seinem Gesicht zu erkennen. „Das ist in Ordnung, wenn man bedenkt, was gelungen ist.“ München ist über Nacht gelassen geworden, scheint es, seit Borussia Dortmund, der Finalgegner in der Champions League, besiegt ist.

    Hier, direkt an der Ludwigstraße, die über das Siegestor in die Leopoldstraße übergeht, strömt die personifizierte Freude am Vorabend aus allen Ecken der Stadt zusammen. Es ist die Begeisterung über das fünfte gewonnene Finale in der Geschichte des FC Bayern – und das in der europäischen Königsklasse des Fußballs.

    An das mögliche Triple nach einem Sieg am Samstag über den VfB Stuttgart denkt in dieser Nacht noch keiner. Aus allen Richtungen eilen die Fans der „Roten“ auf die obligatorische Fanmeile nach großen Münchner Fußballsiegen. An zwei großen Spielstätten haben sie 90 Minuten gebangt: an den beiden offiziellen Public-Viewing-Orten, der Allianz-Arena und auf der Theresienwiese. Außerdem in Wohnzimmern und vor aufgestellten Leinwänden.

    40.000 Menschen fieberten auf dem Oktoberfest-Platz mit

    80 Quadratmeter misst die größte der drei Leinwände unter der Obhut der Bavaria-Statue am westlichen Ende der Theresienwiese. 40.000 Menschen fiebern nach Angaben der Polizei auf dem Oktoberfest-Platz mit ihrer Mannschaft, die Schirme noch aufgespannt. Die ursprünglich 30.000 verkauften Tickets haben die Veranstalter kurzfristig um weitere 10.000 aufgestockt. Manch einer bietet zwar im Internet und dann vor dem Eingang mit Tickets, die er loswerden möchte. Den Originalpreis von 6,90 Euro dürfte aber kaum einer kassiert haben.

    Nie im Leben hätte Mario Westhoff sein Ticket verscherbelt. Der 22-Jährige kommt aus einem Dorf zwischen Paderborn und Dortmund. Kein klassischer Hort für München-Anhänger. Bayern-Fan ist er aber „schon immer“, sagt er. Obwohl sein Vater Schalker ist. Mit vier Kumpels ist der Sauerländer am Nachmittag im Flieger gekommen, nur für einen Abend. „Damit das nicht noch mal passiert“, sagt er und meint das unaussprechbare Ergebnis des Bayern-Endspiels im vergangenen Jahr. Er will das schlechte Omen vertreiben, am Pech darf es heuer nicht scheitern, betont er.

    Dabei sieht es am Samstagabend in der ersten Halbzeit nicht so rosig aus: Die dunklen Wolken über der Theresienwiese lassen zwar nur ein paar Tropfen fallen und Schirme liegen zertreten im Matsch. Doch der Fußballgott lässt sich noch eine Weile bitten, die Leinwand zeigt lange nur Schwarz-Gelbe im Strafraum. Keine Fangesänge. Dafür Kraftausdrücke gegen „den Holländer“ (Arjen Robben) im Dienste der Bayern.

    In Halbzeit zwei, in der 60. Spielminute, ist der Bann gebrochen. 1:0 für den deutschen Rekordmeister. Die Sauerländer umarmen die Münchner. Geschmuggelte Bengalos tauchen die Menge in rotes Licht: Bayernlicht. Kurz vor Schlusspfiff sorgt „der Holländer“ für die Entscheidung zugunsten seines Klubs. 2:1.

    Hüpfen, bis die Stoßdämpfer ächzen

    Ein Hotelzimmer haben die fünf Sauerländer nicht, das Flugzeug geht schon wieder um sechs oder sieben Uhr. So genau kann Westhoff das nicht mehr sagen. Das Spiel hat ihn geschlaucht. Er weiß nur, dass sie jetzt, mit dem großen Triumph im Nacken, schnurstracks auf die Leopoldstraße marschieren wollen.

    „Die Münchner Verkehrsgesellschaft gratuliert dem FC Bayern zur gewonnenen Champions League“. In Dauerschleife läuft der Jubel über die Anzeigetafel am Bahnsteig Theresienwiese. Die Massen drängen zur Fanmeile. In den öffentlichen Verkehrsmitteln: Weiter feiern, hüpfen, bis die Stoßdämpfer ächzen. Der Ordner bleibt ruhig.

    Schon seit Donnerstag haben die Anzeigetafeln vor allem entlang der U 6 zur Allianz-Arena gewarnt: „Am Samstag Engpässe wegen Public Viewing, Baustelle und Sperrung möglich.“ Das große Chaos ist zumindest vor dem Spiel ausgeblieben. Die Münchner Verkehrsgesellschaft ist vorbereitet. Die Menschenmassen stören Florian Fähndrich und seine Kumpels nicht. 31 Fans kamen im Bus, den er aus Sonthofen im Oberallgäu nach München geordert hat. Gemeinsam mit Arbeitskollegen hat er sich in der Woche zuvor in die 400 Meter lange Warteschlange vor der Allianz-Arena eingereiht und die maximal vier kostenfreien Tickets pro Person abgeholt. Bis zu 45 000 Fans durften ins Stadion. 30.000 kamen auch tatsächlich, so die Polizeibilanz.

     Von den 15.000 leeren Plätzen im Stadion merken die Fans um Tobias Haug, einem der Oberallgäuer im Fanbus, nichts. Am Sonntag, kurz nach dem späten Frühstück, schwärmt er immer noch von der tollen Stimmung – einzig die zu kleine Leinwand in der Südkurve war von ihren Plätzen in der Nordkurve schlecht zu erkennen.

    Die Spieler des FC Bayern feiern die ganze Nacht

    Gelohnt hat sich die Fahrt allemal, sagt er. Nicht zuletzt, weil es auch „richtig Multi-Kulti“ war. Vor ihnen Pakistani, die komplett als Bayern-Fans ausgestattet waren, hinter ihnen zwei Chinesen. Und alle jubelten für den FC Bayern München. Ein Flitzer nach dem Abpfiff brach die Dämme dann völlig. „Wir sind alle aufs Spielfeld gerannt. Manche haben sich sogar den Elfmeterpunkt als Erinnerung mitgenommen“, sagt Haug. Das passiert in München. Zeitgleich schneiden die Bayern-Spieler in London mit der stumpfen Schere aus einem Verbandskasten das Netz eines Tores auseinander – und nehmen die einzelnen Stücke als Souvenirs mit.

    Auch andere drehen erst nach dem Spiel richtig auf. Die Clique um Philipp Kloibhofer hat das Finale zu Hause in einer Münchner WG im Stadtteil Lehel verfolgt. Nach dem Abpfiff geht es zur Leopoldstraße, wo schon 50.000 andere warten. Kloibhofer breitet die Arme aus und ruft „Gebt mir ein H“. Ein „H“ schallt zurück. Gebt mir ein „U“. Es schallt zurück. Aus dem Nichts hat er ein „Humba, humba, humba, tätärä“ heraufbeschworen und die halbe Leopoldstraße vor sich auf den Knien, bis alle gleichzeitig in die Luft springen und jubeln. So feiern die Münchener Fans.

    Während gegen 23.30 Uhr die Zahl der Feiernden noch überschaubar ist, zählt die Polizei eine Stunde später bereits 150.000. Der Autokorso startet an der Feldherrnhalle, findet aber sein Ende an der Straßensperrung kurz vor dem Siegestor. Mehr als 450 Polizisten sorgen dafür, dass dahinter nur noch Fußgänger unterwegs sind. Mehr als 40 Anzeigen gehen auf das Konto der Feiernden, teilt die Polizei am Morgen mit: Es geht um Drogen, Pyrotechnik und Körperverletzungen.

    Die Spieler des FC Bayern, die mit dem Last-Minute-Tor ihr Finaltrauma abgestreift haben, feiern die ganze Nacht in London. Auf der Bühne des Bankett-Saales lässt Karl-Heinz Rummenigge Europas neue Fußball-Könige los zur Sause ohne Limit. „Wir haben in sechs Tagen wieder ein Finale, aber ich glaube, mit 1,8 Promille haben wir trotzdem eine Chance“ gegen Stuttgart, ruft der Chef des FC Bayern den im dritten Anlauf gekrönten Champions-League-Helden zu.

    Es ist eine Fußball-Nacht der Emotionen

    Nach den Jubel-Arien mit 2. 000 Fans im Wembley-Stadion bringen sich Matchwinner Robben und Kollegen bei der offiziellen Party mit 1800 geladenen Gästen im „Grosvenor House“ in Stimmung. Es wird eine lange Nacht im großen Kreis. Im Rausch der Gefühle kündigt Robben eine Feier über „zwei, drei Tage“ an. Es ist eine Fußball-Nacht der Emotionen. „Meine Frau hat zu mir gesagt, ich habe die Spieler umarmt wie meine eigenen Söhne“, erzählt Rummenigge gerührt auf der Bühne: „Mir treibt’s gerade ein bisschen die Tränen in die Augen.“

    Kapitän Philipp Lahm ist glücklich und erleichtert: „Wenn man eine goldene Generation werden will, muss man einen internationalen Titel gewinnen“, sagt er. Jetzt hat er ihn. (mit dpa)

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