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Fußball: Lothar Matthäus: "Ich war Rudolf Dasslers dritter Sohn"

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Lothar Matthäus: "Ich war Rudolf Dasslers dritter Sohn"

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    Lothar Matthäus sieht seine Trainerkarriere als beendet an.
    Lothar Matthäus sieht seine Trainerkarriere als beendet an. Foto: Ina Fassbender, dpa

    Herr Matthäus, vergangene Woche wurden Sie in die Gründungself der Hall of Fame des deutschen Fußballs aufgenommen. Wenn Sie Mitglied der Jury gewesen wären und nur eine Stimme gehabt hätten. Für wen hätten Sie sie abgegeben?

    Matthäus: Günter Netzer. Das war immer mein Idol. Ich war als Kind großer Mönchengladbach-Fan und damit automatisch Günter-Netzer-Fan. In dieser Zeit war er das Gesicht des Vereins. Wobei ich mit jedem aus dieser Elf eine besondere Geschichte teile. Ich hätte gerne jeden gewählt, aber Sie haben ja gesagt, ich darf nur eine abgeben.

    Da bin ich streng, ja.

    Matthäus: Sonst hätte Franz Beckenbauer vermutlich die zweite bekommen. Ich hoffe nicht, dass der Franz oder Andy Brehme jetzt sauer sind.

    Sicher nicht. Sind Sie stolz, Teil dieser Elf zu sein?

    Matthäus: Meine Eltern waren vermutlich sehr stolz. Ich persönlich sehe das eher als Bestätigung meiner Leistung als Fußballer, für viele Trainingseinheiten, die ich absolviert habe. Ich habe mich geschmeichelt gefühlt und gefreut, dass ich gewählt worden und bin und dass ich bei der Ehrung viele alte Bekannte gesehen habe.

    Letztes Jahr sind Sie noch einmal für Ihren Heimatverein FC Herzogenaurach in einem Pflichtspiel aufgelaufen. Sie durften sogar Aufstieg und Meisterschaft feiern.

    Matthäus: Stimmt. Ich kann jetzt sagen: Ich bin Bezirksligameister in Mittelfranken geworden. Aber den Titel rechne ich mir nicht an. Das hat die Mannschaft schon vorher ohne mich geschafft. Das Ganze war gedacht als Werbung für den Amateurfußball und für mich war es ein schöner Moment.

    Was verbindet Sie denn noch mit Franken?

    Matthäus: Vor allem meine Eltern. Die besuche ich nach wie vor regelmäßig. Und dann schaue ich natürlich auch beim Fußballplatz vorbei. Da hat sich nicht viel verändert. Die Stehtribünen sind geblieben, die Werbebanden gleich, die Umkleiden ähnlich.

    Ist Herzogenaurach noch Ihre Heimat?

    Matthäus: Es ist mein Geburtsort, die Heimat meiner Kindheit. Ich freue mich immer wieder, wenn ich da bin. Dann nehme ich extra den Weg durch die Stadt und nicht die Umgehung, damit ich ein bisschen erinnert werde: Wo hast Du früher ein Bierchen getrunken, wo Deine Freundin das erste Mal ausgeführt? Wo hast Du Dich Nachmittags beim Billardspielen rumgetrieben? Da kommt dann auch ein bisschen Wehmut auf. Meine Heimat aber ist mittlerweile woanders.

    In Budapest.

    Matthäus: Ja, dort lebe ich seit 14 Jahren. Dort fühle ich mich heimisch.

    Was ist der Grund?

    Matthäus: Weil ich dort so leben kann, wie ich gerne möchte - nicht unbekannt, aber privat. Die Leute sind zurückhaltender als hierzulande, sie lassen mich zufrieden. Es verfolgt mich keiner, wenn ich mal abends rausgehe und es will nicht ständig jemand ein Selfie mit mir machen. Die Leute akzeptieren das Leben eines Prominenten. Ich kann mit meinem Sohn einfach so auf den Spielplatz. Er kann dort unbeschwert aufwachsen. Aber trotz alledem bin ich auch froh, hin und wieder rauszukommen. Ich kann nicht gut an einem Ort sein.

    Die Hall of Fame des deutschen Fußballs: Sepp Maier und Andreas Brehme vorne. Hinten von links: Günter Netzer, Paul Breitner, Matthias Sammer, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus.
    Die Hall of Fame des deutschen Fußballs: Sepp Maier und Andreas Brehme vorne. Hinten von links: Günter Netzer, Paul Breitner, Matthias Sammer, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus. Foto: Ina Fassbender, dpa

    Sie haben viel erreicht in Ihrer Karriere, schmerzt es Sie manchmal, dass Sie nie einen Verein in der Bundesliga trainiert haben?

    Matthäus: Überhaupt nicht. Ich war eher überrascht, dass offenbar jeder mal durfte, nur ich nicht. Wobei so ganz richtig ist das auch nicht. Ich hätte ja einige Male fast gedurft.

    Mit dem 1. FC Nürnberg gab es Gespräche…

    Matthäus: Ja, aber da wollten mich die Fans nicht. Es gab aber auch Anfragen von anderen vier, fünf anderen Bundesligisten. Einigen habe ich abgesagt, bei anderen hat es nicht gepasst. Es ist schade, aber traurig bin ich deshalb nicht. Ich hatte als Trainer eine schöne Reise, vielleicht nicht eine so erfolgreich wie als Spieler. Aber ich war zweimal Meister, habe an der Champions League teilgenommen, zwei Nationalmannschaften trainiert und viele junge Spieler gefördert.

    Ist die Reise als Trainer endgültig beendet für Sie?

    Matthäus: Ja. Trainer, das ist für mich vorbei. Ich habe viele interessante Aufgaben, die alle mit dem Fußball zu tun haben. Ich bin Experte bei Sky, schreibe eine Kolumne für die die englische Zeitung Sun und bin Botschafter unter anderem für Bayern, die DFL und für Puma.

    Die Firma, für die Ihr Vater einst als Hausmeister gearbeitet hat.

    Matthäus: Mein Bruder Wolfgang hat dort auch 40 Jahre lang gearbeitet. Apropos: Vor einigen Wochen war es genau 40 Jahre her, dass ich meinen ersten Sponsorenvertrag mit Puma abgeschlossen habe.

    Aber schon vorher, als kleiner Junge, haben Sie Schuhe und Bälle vom Firmengründer bekommen – ganz ohne Vertrag.

    Matthäus: Rudolf Dassler hatte zwei Söhne und ich war quasi sein dritter. Wir haben damals im Nebengebäude gewohnt. Von meinem Schlafzimmer zu seinem Büro war es ein Steinwurf. Die Sekretärin hat mich nur aufgehalten, wenn ein Meeting war, sonst habe ich geklopft und bin rein. Dasslers Büro war für mich genauso offen, wie meine eigene Wohnungstür zu Hause.

    Und hin und wieder haben Sie ihm beim Kicken ein Fenster zerschossen…

    Matthäus: Einige! Oh ja! Und mein Vater musste sie am freien Sonntag immer wieder richten.

    Gab es Ärger?

    Matthäus: Nein. Mein Vater war Schreiner, das war das für ihn eine Kleinigkeit.

    Sie sind Deutschlands einziger Weltfußballer. Was muss passieren, damit es wieder einen gibt?

    Matthäus: Man braucht Talent, Leidenschaft, Ehrgeiz, die Liebe zum Fußball - aber andererseits braucht man auch mit der Mannschaft Erfolg. Deutschland hat immer gute Spieler und 2014 hätte man die Möglichkeit gehabt, einen zum Weltfußballer zu machen, aber keiner ist besonders hervorgestochen. Und dann standen natürlich immer auch die Messis und Ronaldos im Weg. So einen Ausnahmespieler hat es zu meiner Zeit nicht gegeben – außer Maradona vielleicht 1986. Ich hatte 1991 das Glück und auch 1990 habe ich ja schon den inoffiziellen Titel gewonnen – eine Journalistenwahl. Den Preis habe ich trotzdem aufbewahrt.

    Und wo steht er?

    Matthäus: Ich habe eine ganz kleine Ecke bei mir zu Hause. Dort habe ich Sachen aufgehoben, die mich an meine Karriere erinnern. Das sind aber nur knapp eineinhalb Quadratmeter. Dort hängen zwei Regale an der Wand. Die Ecke ist auch etwas versteckt, man muss sie schon ein bisschen suchen. Dort hängt auch der kaputte Schuh aus dem WM-Finale 1990 – vergoldet.

    Wo ist der Rest?

    Matthäus: Ich habe noch zwei, drei Kartons in der Garage mit gut 200, 300 Trikots - das war’s. Ich habe mir aus solchen Sachen nie etwas gemacht. Wenn ich alles aufgehoben hätte, hätte ich jetzt vielleicht auch ein kleines Museum wie Franz Beckenbauer. Der hat in seinem Haus einen sehr schönen langen Eingangsbereich, von dem geht eine Treppe nach oben, da hängt links und rechts alles voll.

    Haben Sie wenigstens ein Duplikat des WM-Pokals?

    Matthäus: Nein. Andere Spieler haben das gemacht. Ich finde das auch gut, aber brauch so etwas nicht. Ich habe eine kleine Miniatur. Die reicht mir. Ich klebe nicht an solchen Sachen.

    Mannschaftskapitän Lothar Matthäus holte mit dem DFB-Team 1990 den dritten Titel.
    Mannschaftskapitän Lothar Matthäus holte mit dem DFB-Team 1990 den dritten Titel. Foto:  Frank Kleefeldt (dpa)

    Sie sind mit knapp 30 Jahren Weltmeister geworden. Heute zählt man damit in der Nationalmannschaft schon zum alten Eisen und wird aussortiert.

    Matthäus: Aber heutzutage fängt man mit zehn, zwölf Jahren auch schon an so zu trainieren, wie wir im Alter von 18. Als Jugendlicher habe ich zweimal die Woche auf dem Dorfplatz trainiert und hin und wieder ein paar Runden gedreht. Dadurch ist es, glaube ich, sehr schwierig geworden, im hohen Alter noch als Profi zu spielen. 1990 waren die meisten aus der Weltmeistermannschaft knapp 30 Jahre alt. Unsere Nachfolger 2014 waren überwiegend Mitte 20. Der Karrierehöhepunkt hat sich eindeutig verschoben.

    Also können Sie die Entscheidung von Jogi Löw nachvollziehen?

    Matthäus: Mich hat sie nicht überrascht, mit dem Zeitpunkt kann ich mich allerdings nicht anfreunden. Diesen Schnitt hätte ich kurz nach der WM erwartet und nicht kurz vor der EM-Qualifikation. Aber im Sommer hat er gezögert und keine klare Kante gezeigt.

    Was meinen Sie, woran das lag?

    Matthäus: Vielleicht hat er die WM nur als Unfall gesehen und wollte ihnen noch eine Chance geben. Nur, dann kam ja nichts nach bei der Nations League. Bei der Nationalmannschaft ist es manchmal nötig, dass man ein Risiko eingeht und ein, zwei Jahre nicht den Erfolg hat, den man sich vielleicht wünscht, aber dafür in der Zukunft wieder eine starke Mannschaft hat.

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