Die Stadt Hamburg scheint für Liverpooler seit jeher ein gutes Pflaster zu sein. Das ist so seit dem Jahr 1960, als eine bis dato noch relativ unbekannte Band namens The Beatles auf der Reeperbahn ihre ersten Konzerte gab. Und das war auch 17 Jahre später der Fall, als ein nur 1,71 Meter großer Engländer namens Kevin Keegan sich erstmals das Trikot des Hamburger SV überstreifte. Für 2,3 Millionen D-Mark – eine damals unverschämt hoch erscheinende Ablösesumme – wechselte der Mittelfeldspieler vom FC Liverpool in die Hansestadt, ein Rekord sowohl in der englischen als auch der deutschen Liga.
Selten hatte ein Transfer nicht nur für die Fußball-Welt derartig nachhaltige Wirkung. Beim HSV wurde "Mighty Mouse", wie ihn die Fans wegen seiner Körpergröße bald nannten, nicht nur Meister. Sondern auch Popstar, Posterboy und Namensgeber einer ganzen Generation. Am Sonntag wird er 70 Jahre alt.
Ein Interview bei der BBC brachte Keegan nach Hamburg
Dass Keegan überhaupt nach Hamburg wechselte, ist der Legende nach einem Interview des Kickers bei der BBC zu verdanken. Der damalige Manager des HSV, Peter Krohn, sagte dem NDR: "Er hat darin gesagt, dass er eine neue Herausforderung sucht. Und dann dachte ich mir: Er sucht eine Herausforderung – und ich einen Weltstar."
Keegan selbst erinnerte sich im Guardian wie folgt ähnlich daran: "In Liverpool hatte ich alles erreicht. Ich wollte eine neue Herausforderung und Deutschland war eine." Tatsächlich waren die 70er und 80er Jahre eine Zeit, in der die Begriffe "Weltstar" und "Hamburger SV" sich noch nicht ausschließen sollten. Bei den Hanseaten war es noch gar nicht so lange her, dass das Idol "Uns Uwe" Seeler seine Karriere beendet hatte, die Ambitionen des Klubs (das ist heute ja auch noch so) waren hingegen ungebrochen hoch. Krohn formulierte das so: "Es gab eine große Sehnsucht nach einem Star."
Mit Trainer Branco Zebec wurde Kevin Keegan Deutscher Meister
Keegan, der beim FC Liverpool dreimal Meister geworden war und den Europapokal der Landesmeister – den Vorläufer der heutigen Champions League – gewonnen hatte, kam bereits als international renommierter Spieler nach Deutschland. In Hamburg sollte es für ihn dennoch ein weiteres Stück nach oben gehen, er wurde zum ersten ausländischen Superstar der Bundesliga.
Nach einem eher enttäuschenden ersten Jahr unter Trainer Rudi Gutendorf ging unter Trainer Branco Zebec und Manager Günter Netzer sein Stern auf: In der Saison 1978/79 schoss Keegan 17 Tore – einige davon sogar mit dem Kopf – und wurde mit dem HSV Deutscher Meister. Zweimal hintereinander wurde er im Trikot des Hanseklubs sogar Europas Fußballer des Jahres. Ende der 70er war die komplette BRD verrückt nach "Mighty Mouse": Keegan gab es nicht nur in der Sportschau, sondern auch als Starschnitt in der Bravo und in der Hitparade.
Mit "Head over heels in love" stürmte Kevin Keegan die Hitparade
Richtig gelesen: Hitparade. Nach einem Konzertbesuch von Smokie kamen Keegan und Bandleader Chris Norman abends an der Bar ins Gespräch (soweit eine andere Legende) und vereinbarten, musikalisch etwas zu unternehmen. In einer Zeit, in der Tonstudios unter einer Flut singender Fußballer zu leiden hatten ("Gute Freunde" von Franz Beckenbauer, "Dann macht es bumm" von Gerd Müller) musste natürlich auch der Deutschen mittlerweile liebster Angelsachse ans Mikrofon treten. Keegan zog sich auch hier durchaus achtbar aus der Affäre: Das eigentlich für Suzi Quattro verfasste "Head over Heels in Love" zählt nicht nur zu den besseren Kicker-Singversuchen, sondern erklomm 1979, im Meistersommer des HSV, Platz zehn in der deutschen Verkaufshitparade sowie Platz 31 in den UK-Charts.
Aus seinem drei Jahre dauernden Wirken in Hamburg hat Keegan der Bundesrepublik noch etwas anderes hinterlassen: seinen Vornamen. Wer jenseits der 40 ist und Kevin heißt – gut möglich, dass bei der Namensgebung "Mighty Mouse" Pate stand, der Name erlebt dank ihm einen Boom. Ob das nun gut oder schlecht ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Seinen 70. Geburtstag wird Keegan, der als Trainer nur bedingt an seine Spielerkarriere anknüpfen konnte, wohl eher ruhig begehen. Aus der Öffentlichkeit hat er sich zurückgezogen. Aber vielleicht erklingt am Sonntag ja irgendwo in England oder Hamburg noch einmal "Head over Heels in Love".
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