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Fußball: Im Jubelsturm bleibt nur einer cool

Fußball

Im Jubelsturm bleibt nur einer cool

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    Für Joachim Löw war der Sieg gegen die Niederlande ein kleiner Befreiungsschlag, nachdem er zuletzt viel und hart kritisiert worden war.
    Für Joachim Löw war der Sieg gegen die Niederlande ein kleiner Befreiungsschlag, nachdem er zuletzt viel und hart kritisiert worden war. Foto: Tim Groothuis, Witters

    Oftmals sind die Reaktionen der Verlierer aussagekräftiger als die der Gewinner. Sieger neigen nach dem Triumph dazu, all die Zufälle, die so ein Fußballspiel mit sich bringt, auf ihre Leistung und Taktik zurückzuführen. Den nicht vor Freude trunkenen Verlierern hingegen gelingt häufiger eine nüchterne Analyse. Was Ronald Koeman nach dem Spiel dann sagte, wiegt daher mehr als all die zwischen Erleichterung und Euphorie changierenden Äußerungen der Deutschen. Der niederländische Nationaltrainer nahm die 2:3-Niederlage gegen Deutschland in seinen Verantwortungsbereich. Er hätte in der Schlussphase wohl defensiver wechseln sollen, übte sich Koeman in Selbstkritik. Schließlich war er mit dem einen Punkt, auf den seine Mannschaft in diesem spektakulären Spiel zusteuerte, zufrieden.

    Die Niederländer schnürten die Deutschen phasenweise spielgewaltig in deren eigener Hälfte ein. Nach dem Treffer zum 2:2 schienen sie nur noch ein wenig weiter drücken zu müssen, um das Spiel komplett zu drehen.

    Doch überraschenderweise schafften es die Deutschen, ihr aus dem Gleichgewicht geratenes Spiel wieder zu stabilisieren. Der Siegtreffer von Nico Schulz in der Schlussminute hatte sich so zwar wirklich nicht angekündigt, fiel aber auch nicht gänzlich überraschend.

    Er habe alles in seinen „rechten Huf reingelegt“, berichtete der Hoffenheimer von seinem zweiten Treffer im Nationaltrikot. „Alles“ ist bei dem Linksverteidiger nicht viel, reichte aber, um Jasper Cillessen im Tor zu überwinden.

    Für die Deutschen war das späte Tor mehr als nur ein Indiz dafür, die Talsohle nun endlich durchschritten zu haben. Diesmal nämlich hatten sie auch endlich wieder das „Spielglück“ auf ihrer Seite, wie es Bundestrainer Joachim Löw und Manuel Neuer nach dem Spiel gleichlautend nannten. Aus dem Kanon der alten Fußballregeln: Glück muss man sich erarbeiten. Das deutsche Team hatte ja auch schon im vergangenen Jahr gegen Frankreich und die Niederlande phasenweise gut gespielt – das Glück aber hatte es sich nach den Schludrigkeiten der Vergangenheit noch nicht verdient.

    Diesmal aber zeigte die Elf eine „fußballerisch überragende erste Halbzeit“, so Löw. Tatsächlich stellte die Mannschaft ihren Gegner vor allerhand Probleme. Die Treffer durch Leroy Sané und Serge Gnabry: kleine Kunstwerke.

    So fiel es auch 45 Minuten nicht auf, dass mit Marco Reus der derzeit beste deutsche Spieler nicht auf dem Feld stand. Der Dortmunder konnte die beiden Tage vor dem Spiel wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel nicht voll belastet werden, begründete Löw. Spieler und Trainer kamen zu der Einsicht, dass ein Einsatz von Beginn an zu risikoreich gewesen wäre.

    Die Dortmunder dürften dankbar gewesen sein, dass ihr fragiler Star die Partie weitgehend von der Bank aus verfolgte. Reus wiederum bewies, dass er nicht viel Zeit braucht, um ein entscheidender Faktor zu sein. Weil der ebenfalls eingewechselte Ilkay Gündogan einen fein temperierten Ball in Reus’ Laufweg spielte und der den aufgerückten Schulz in der Mitte fand, geriet dessen rechter Huf in den Mittelpunkt.

    Joshua Kimmich, der durch allerhand grimmige Gebärden auffiel, befand den so ergatterten Sieg „wichtiger für uns, als wenn wir 3:0 gewinnen. Das Emotionale ist jetzt größer“.

    Gefühlsausbrüche sind in der Nationalmannschaft den Spielern vorbehalten. Löw reagierte hingegen, wie Löw meist reagiert: gelassen. Er fühle keine Genugtuung gegenüber seinen zahlreichen Kritikern. Er sei schlicht „zufrieden“. Und so schlimm seien die Unmutsbekundungen auch gar nicht gewesen: „Ich kann Kritik gut filtern und einordnen.“ Es ist der persönliche Upload-Filter des Bundestrainers. Einer, der scheinbar gut funktioniert. Einer, der durch die Niederlagen der Vergangenheit verfeinert wurde.

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