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Fußball: Fans gegen Funktionäre: Es rumort im deutschen Fußball

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Fans gegen Funktionäre: Es rumort im deutschen Fußball

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    Ultras von Eintracht Frankfurt brennen im Juni 2017 Pyrotechnik ab und schwenken Fahnen.
    Ultras von Eintracht Frankfurt brennen im Juni 2017 Pyrotechnik ab und schwenken Fahnen. Foto: Ina Fassbender (dpa)

    Draußen, im Rund der Münchner Arena, tobte ein Unwetter. Als ZDF-Moderator Jochen Breyer in der Halbzeitpause der Bundesligabegegnung zwischen dem FC Bayern und Leverkusen DFB-Präsident Reinhard Grindel im TV-Studio fragte, ob er nass geworden sei, wollte er nur das Gespräch einleiten. Grindel indes gab eine Antwort, die ihm dieser Tage negativ ausgelegt wird. „Das ist das Privileg, das man hat, wenn man auf den VIP-Plätzen sitzt. Ist schon okay“, sagte Grindel.

    Der 55-Jährige verkörperte in diesem Moment jene aalglatte Obrigkeit, an der sich Ultras, also der harte Fankern, massiv stören. Grindel repräsentierte einen Funktionärstypen, der sich im Trockenen in seinen bequemen Sessel drückt, während der Fan im Stehplatzblock bedingungslos seine Mannschaft anfeuert, Wind und Wetter trotzt und den Fußball pflegt.

    Seit Wochen und Monaten gehen Teile der Anhänger auf Konfrontationskurs mit dem Deutschen Fußball-Bund und der Deutschen Fußball-Liga (DFL), martialisch festgehalten im Motto „Krieg dem DFB“. Ihr Vorwurf: Die Organisationen missachten die Fankultur, streben stattdessen ausschließlich nach größtmöglichem Gewinn.

    DFB-Pokal-Show: Helene Fischer als Symbol für Kommerz und Ausverkauf

    Die Halbzeitshow mit Schlagersängerin Helene Fischer während des DFB-Pokalfinales steht sinnbildlich für ausufernde Eventisierung; die Zerstückelung des Spieltags sorgt für Ärger, weil die Auslandsvermarktung wichtiger ist als fanfreundliche Anstoßzeiten; Vereinsmodelle wie RB Leipzig untergraben die 50+1-Regel und verschaffen Investoren Einfluss. Ansätze für Kritik gibt es derer viele. Anstoß nehmen die Fans zudem an der Sportgerichtsbarkeit, die bisher angewandten Kollektivstrafen empfinden sie als unfair.

    Auf Krawalle, diffamierende Banner und Pyrotechnik-Exzesse reagierte der DFB in der Vergangenheit mit Geisterspielen oder Blocksperren. Grund dafür war, dass vermummte Täter in den Fanblocks kaum zu ermitteln waren. Umso überraschender war, dass Grindel den Anhängern in der vergangenen Woche die Hand reichte, indem er Kollektivstrafen aussetzte und die Fans zum Dialog aufrief. Sogar auf die Ausschreitungen im DFB-Skandal-Spiel zwischen Rostock und Berlin reagierte er milde und hob einen Fan-Ausschluss auf. Klären will Grindel mit den Fanvertretern zwei zentrale Fragen: Was ist Fankultur? Was ist Fangewalt?

    Was sind eigentlich "Hooligans"?

    Als Hooligans werden meist junge Männer bezeichnet, die sich in Gruppen im Umfeld von Fußballspielen oder anderen Großereignissen Schlägereien mit anderen Hooligan-Gruppierungen liefern. Diese Schlägereien werden oft zuvor abgesprochen, können aber auch spontan entstehen.

    Normalerweise sollen dabei keine unbeteiligten Dritten angegriffen werden. Allerdings ist Gewalt gegen Sicherheitsbeamte oder auch zufällig anwesende Personen keine Seltenheit.

    Seine Anfänge hat die Hooligan-Kultur in England. Dort trafen sich die Randalierer in den 50er- und 60er-Jahren in Discos und gingen aufeinander los. Wenig später schwappte die Welle der Gewalt auch in die Fußballstadien.

    Anfang der 80er-Jahre waren auch vermehrt Hooligans in deutschen Stadien zu sehen. Aufgrund der erhöhten Polizeipräsenz verlegten die Hooligans ihre Schlägereien aber immer häufiger auf abgelegene Felder.

    Hooligans sind grundsätzlich keiner politischen Strömungen zuzuordnen. Intention ihrer Gewalt sind keine politischen Forderungen. Ursprünglich war es der "Kick", der die Hooligans dazu brachte, aufeinander loszugehen.

    Wie auch bei anderen Fan-Gruppierungen - wie beispielsweise den Ultras - versuchen die Rechten in den vergangenen Jahren diese zu unterwandern. Ihren Höhepunkt fand dieses Vorgehen am 26. Oktober 2014 in Köln.

    Dort versammelte sich die Gruppe HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten) unter dem Deckmantel, gegen Salafisten zu protestieren. Unschwer zu erkennen war allerdings, dass sich die rund 4000 Protestanten überwiegend rechte Spinner befanden, die Ärger mit der Polizei anzettelten.

    In der Gruppe HoGeSa sind nicht nur Hooligans aus dem Bereich des deutschen Fußballs zu finden, sondern auch aus anderen Gebieten. Zudem ist die Gruppe ein Sammelbecken für sämtliche Rechtsextreme. In den kommenden Wochen und Monaten sind weitere Kundgebungen der HoGeSa geplant.

    Bisher ließen sich die stimmgewaltigen Kurven von den Zugeständnissen nicht beeindrucken, vielmehr beleidigten sie am Wochenende bundesweit mit dem einheitlichen Banner „Fick dich DFB!“. Zumindest verzichteten sie auf Pyrotechnik – ein weiterer Streitpunkt. Allein wegen der heterogenen Zusammensetzung innerhalb der Ultra-Gruppierungen werden Gespräche mit ihnen schwierig werden. Doch allmählich müssen sie sich bewegen. Füllen sie ihre Parolen nicht mit Inhalt, wird der Protest wenig bewirken.

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