Rechts antäuschen, links vorbeiziehen. Arjen Robben zeigte ein letztes Mal in dieser Saison sein Können. Ohne Ball am Fuß. Dafür mit Trolley in der Hand. Er verlud keine Gegenspieler, er flüchtete vor Journalisten; und vor allem deren Fragen. Hellseherische Fähigkeiten waren kaum nötig, um zu erahnen, wie sich Robben, 28, zu später Stunde fühlte, als er die Münchner Arena im Eiltempo verließ.
Die beißenden Pfiffe der Bayern-Fans hatten ihn tief ins Mark getroffen. Sie hatten ihn nicht nur bei der Einwechslung begleitet, sondern bei jeder Ballberührung. Die Anhänger hatten die verschossenen Strafstöße in Liga und Champions League nicht vergessen. Robben war ihr Sündenbock, nun sollte er büßen. Die Unmutsäußerungen auf den Rängen wirkten derart nach, dass die sportlich-finanzielle Wiedergutmachung der Niederlande und der 3:2-Erfolg der Bayern endgültig niemanden mehr interessierten.
Nächste Nagelprobe für die Bayern und Robben
Robben litt an diesem Abend. Erst auf der Bank, dann auf dem Rasen. Schweinsteiger tröstete ihn nach dem Schlusspfiff, umarmte ihn geradezu symbolisch. Bei den Bayern waren Spieler und Verantwortliche bemüht, die Pfiffe wenigen Ausnahmen zuzuordnen. „Das waren Einzelfälle“, sagte etwa Kapitän Philipp Lahm. Sportdirektor Christian Nerlinger versuchte mit exklusiven Gedanken, die Sache kleinzureden. „Ich kann mir vorstellen, dass die Leute, die gepfiffen haben, sich Arjen Robben im Bayern-Trikot gewünscht hätten“, sagte er.
Insgeheim musste Nerlinger einsehen, dass die Beziehung zwischen den Bayern und dem holländischen Weltklassespieler einer weiteren Nagelprobe unterzogen wird. Erst die Prügelei mit Ribéry in der Kabine, dann das Gezerre um die Vertragsverlängerung, jetzt der verschossene Elfmeter im Finale und das Pfeifkonzert im Stadion. Hinzu kommt das Auftreten Robbens, das in sich gekehrt, zugleich aber auch arrogant und überheblich wirkt.
Robbens Eigensinn, dem die Bayern auch viele Siege zu verdanken haben, scheint nicht mehr so recht ins bajuwarische Einheitsgefüge zu passen. Auch, weil der andere Ego-Spieler zuletzt erstaunlichen Gemeinschaftssinn bewies. Ribéry haben die Fans lieb, Robben nicht.
Als der Franzose sich Mitte der zweiten Hälfte neben dem Tor warm lief, begrüßten ihn die Bayern-Fans mit Sprechchören; auf der gegenüberliegenden Seite, dort, wo Robben trabte, schimpfte das rot-weiße Volk auf den Rängen.
Das Verhältnis zwischen Bayern, dessen Fans und Robben scheint nachhaltig gestört. Selbst ein Vereinswechsel wird nicht ausgeschlossen – trotz des kürzlich bis 2015 verlängerten Vertrags. Womöglich kehrt der Holländer nach der EM nicht mehr zu den Bayern zurück. „Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mir das ganz genau überlegen“, sagte Mark van Bommel, der selbst viereinhalb Jahre in München spielte. Die Pfiffe gegen Robben empfand er als „Skandal“. Und Mittelfeldspieler Wesley Sneijder schob hinterher, dass er Robben ab Sommer gerne im Trikot seines Klubs Inter Mailand sehen würde.
Das Selbstverständnis des FC Bayern zehrt von Titeln und Pokalen. Nach einer Saison ohne muss Veränderung her. Stürmer Pizarro kehrt wohl aus Bremen zurück. Nach Dante (Mönchengladbach), Shaqiri (Basel) und Torhüter Starke (Hoffenheim) der vierte Neuzugang. Dafür wechselt der Japaner Takashi Usami zu 1899. Bayern-Trainer Heynckes wünscht sich noch einen Weltklasse-Spieler fürs Mittelfeld. Wobei sogar sein Verbleib fraglich erscheint. Der 67-Jährige wich aus und verwies ebenso wie Sportdirektor Nerlinger auf seinen Vertrag bis 2013. Klare Bekenntnisse hören sich anders an.