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Fußball-EM 2021: Wie aufeinanderprallende Kontinentalplatten: Das italienische Wunder

Fußball-EM 2021

Wie aufeinanderprallende Kontinentalplatten: Das italienische Wunder

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    Leonardo Bonucci erklomm nach dem Spiel eine Werbebande, um den Fans möglichst nah zu sein. Zwar waren nur knapp 13.000 Anhänger im Stadion – die jedoch sahen eines der spektakulärsten Spiele dieser EM.
    Leonardo Bonucci erklomm nach dem Spiel eine Werbebande, um den Fans möglichst nah zu sein. Zwar waren nur knapp 13.000 Anhänger im Stadion – die jedoch sahen eines der spektakulärsten Spiele dieser EM. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Das größte Wunder dieses fantastischen Spiels ließ das Wesen, das den Fans als Fußballgott bekannt ist, bereits in der 31. Minute im Stadion zu München geschehen. Der noch soeben erlahmte und vor Schmerz über den Boden zuckende Ciro Immobile konnte plötzlich seinen geschundenen Leib erheben, um sich unter die Seinigen zu begeben.

    Auslöser der Wunderheilung war ein Schuss Nicolò Barellas zur 1:0-Führung der Italiener im Viertelfinale der EM gegen Belgien. Immobile also konnte wieder laufen, doch dies war nicht die letzte erinnerungswürdige Szene im Aufeinandertreffertreffen der beiden formidablen Mannschaften.

    Das italienische Team samt Auswechselspielern und Betreuern erinnerte kurz vor dem Anpfiff an das nun schon zum zweiten Mal in Folge abgesagte Münchner Oktoberfest. Wie sich die Männer zur Nationalhymne in Stimmung schunkelten, ist normalerweise am mittleren Wiesn-Wochenende zu sehen, wenn die Italiener die Bierbänke in den Zelten einer Belastungsprobe unterziehen. Auch diesmal schonten sie ihre Körper nicht und so überraschte es kaum, dass sie sich gegen Ende des Spiels auf dem grünen Rasen ausruhten, als würden sie sich nach übermäßigem Bierkonsum zu Füßen der Bavaria hinlegen.

    Bonucci und Chiellini wie zwei Schulhofschläger

    Abgesehen von den reichlich übertriebenen schauspielerischen Einlagen aber verdiente sich die Mannschaft den Halbfinal-Einzug durch eine taktisch herausragende Leistung, die von den Akteuren mit weitaus mehr Leben gefüllt wurde, als das beispielsweise im deutschen Team der Fall war. Mit Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci verteidigten zwei Mann im Zentrum, die es auch nicht schleuniger angehen können als Mats Hummels und Antonio Rüdiger. Während sie aber über das stillschweigende Verständnis eines Zwei-Mann-Schulhofschlägertrupps verfügen, musste sich der deutsche Abwehrverbund immer versichern, was denn nun das jeweils andere Mitglied eigentlich so genau vorhat. So wie Chiellini und Belgiens Romelu Lukaku aufeinanderprallten, dürfte sich der Zusammenstoß von Kontinentalplatten anfühlen. Ein Spektakel seltensten Ausmaßes.

    Lorenzo Insigne erzielte einen herrlichen Treffer gegen Belgien.
    Lorenzo Insigne erzielte einen herrlichen Treffer gegen Belgien. Foto: Ettore Ferrari, dpa

    Für Freunde der schönen Künste war aufseiten der Italiener vor allem Lorenzo Insigne zuständig, der mit seinem Schlenzer zum 2:0 den Wunsch aufkommen ließ, einmal im Leben so zärtlich behandelt zu werden wie von des Stürmers rechtem Fuß. Weil aber die Belgier auf der Gegenseite mit dem ungemein spektakulären Jérémy Doku eine der Entdeckungen des Turniers in ihren Reihen hatten, war das Spiel nicht schon früh entschieden. Nicht nur, dass der 19-Jährige kurz vor der Halbzeit den Elfmeter zum 1:2 herausholte, er beschwor mit seinen Dribblings auch nach der Pause mancherlei gefährliche Situation hervor, die Hoffnung auf eine wünschenswerte Verlängerung machte. Vor allem Lukaku aber hatte schon glücklichere Tage in seinem Stürmerleben gesehen.

    Kevin De Bruyne spielte mit einem Bänderriss gegen Italien

    Dazu war Kevin De Bruyne zwar in jedem Moment anzusehen, dass er imstande ist, diese eine entscheidende Aktion zu leisten – allerdings war ebenso unübersehbar, dass der Offensivspieler angeschlagen ins Spiel gegangen war. „Es war ein Wunder, dass ich heute gespielt habe“, sagte De Bruyne nach der Niederlage. Er sprach von einem „Riss in meinen Bändern.“ De Bruynes Wunder allerdings nahm ein weniger gutes Ende als Immobiles Spontanheilung.

    Am schlimmsten aber erwischte es Italiens stürmischen Linksverteidiger Leonardo Spinazzola. Spätestens als ihn die Sanitäter auf der Trage vom Rasen trugen, stand zu befürchten, dass sein Wehklagen nicht im künstlerischen Fach zu verorten war. Am Tag nach dem Spiel bestätigte sich der erste Verdacht: Achillessehnenriss. Spinazzola wird also nicht dabei sein, wenn am Dienstag in London die beiden wohl st pielstärksten Mannschaften dieser Europameisterschaft aufeinandertreffen. Den Italienern hängt noch immer die Final-Niederlage gegen Spanien 2012 nach, als sie beim 0:4 chancenlos waren. Diesmal allerdings sehen sie sich nicht einmal in der Außenseiterrolle. Wer bei einem wahren Wunder auf dem Feld war, dem fehlt es nicht an Glauben.

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