Die Ära von Joachim Löw als Bundestrainer, mit dem Weltmeistertitel 2014 als Höhepunkt – sie endete nach knapp 15 Jahren im Nieselregen von Wembley. Mit dem Aus im EM-Achtelfinale durch die 0:2-Niederlage gegen England nach späten Gegentoren durch Raheem Sterling und Harry Kane zerschlug sich Löws Traum, mit einem weiteren Titel aus dem Amt zu scheiden. Stattdessen erhielt seine Regentschaft nach dem Vorrunden-Aus bei der WM in Russland vor drei Jahren, dem 0:6 gegen Spanien und dem 1:2 gegen Nordmazedonien ein weiteres, ein letztes trauriges Kapitel zum Abschied.
Die Deutschen unterlagen England in einer umkämpften Partie verdient, weil sie nie richtig in Schwung kamen und ihre Chancen sträflich vergaben. Nach dem Kraftakt in der Vorrunde war das Glück aufgebraucht. Während sich England über den Einzug ins Viertelfinale am Samstag in Rom gegen die Ukraine freut und mehr denn je vom ersten Titel seit dem WM-Erfolg 1966 träumt, muss Hansi Flick bei der deutschen Nationalmannschaft den Neuanfang unternehmen mit Blick auf die WM im kommenden Jahr in Katar.
Die deutsche Mannschaft zog sich nach gutem Start gegen England zurück
In Wembley bekamen die Deutschen den unfreundlichen Empfang. Das englische Publikum pfiff die deutsche Nationalhymne leidenschaftlich aus. Falls noch jemand einen Beweis gebraucht hatte, wie ernst die Engländer die Rivalität zu Deutschland nehmen – hier war er, gut hörbar. Die Deutschen zeigten sich davon allerdings unbeeindruckt und beherrschten – nach dem gemeinsamen Anti-Rassismus-Kniefall mit den Engländern – die Anfangsphase. Die von Fans und Fachleuten geforderte Hereinnahmne von Leon Goretzka für Ilkay Gündogan zahlte sich aus. Deutschland dominierte in den ersten zehn Minuten Ball und Mittelfeld, kam zu einem Torschuss von Goretzka, schickte den überraschend für Serge Gnabry startenden Timo Werner gefährlich steil und erspielte sich einen Freistoß in bester Position. Kai Havertz setzte den Ball aus 16 Metern allerdings in die Mauer.
Danach entglitt Löws Mannschaft das Spiel. Sie zog sich zurück, verursachte immer wieder Freistöße in gefährlichen Situationen und war den Engländern in der Luft unterlegen. Nach einer Viertelstunde parierte Manuel Neuer einen Fernschuss von Sterling stark. Nach einer knappen halben Stunde kam Harry Maguire im deutschen Strafraum frei zum Kopfball, dieser war aber schwach. Am heftigsten atmeten die Deutschen kurz vor der Pause auf. Nach einem schwachen Fehlpass von Thomas Müller landete der Ball bei Kane, der fast nur noch das leer Tor vor sich hatte. Mit einer sensationellen Grätsche nahm ihm Mats Hummels den Ball vom Fuß und verhinderte den Rückstand.
Kane beendet mit seinem Tor im EM-Achtelfinale die Ära von Weltmeister-Trainer Löw
Die Deutschen hatten ihre beste Chancen durch zwei Spieler, die es gewohnt sind, in London zu spielen. Nach einem schönen Pass von Chelsea-Profi Havertz vergab Chelsea-Profi Werner nach einer guten halben Stunde im Eins-gegen-Eins gegen Englands Torwart Jordan Pickford Deutschlands beste Chance in der ersten Hälfte. Kurz nach der Pause war es Havertz selbst, der Pickford prüfte, und zwar mit einem beherzten Volley aus 16 Metern. Nach einer knappen Stunde konterte Deutschland, Havertz spielte Werner frei, der verlor den Ball. Die Probleme, die der einstige Leipziger Stürmer in seiner ersten Premier-League-Saison bei Chelsea hatte – sie setzten sich in Wembley fort, bis Löw ihn in der 68. Minute durch Gnabry ersetzte.
Je länger die Partie dauerte, desto mehr kam Deutschland der Umstand entgegen, dass die Partie in Wembley stattfand – eigentlich. Englands Publikum wurde zunehmend nervös angesichts der zähen Veranstaltung. Eine Viertelstunde vor Schluss allerdings gelang den Engländern der Durchbruch. Sie kombinierten am Strafraum schnell, Luke Shaw flankte, in der Mitte schob Sterling ein. Müller hätte Deutschland danach noch im Turnier halten können, nein: müssen. Er lief alleine auf Pickford zu, setzte den Ball aber neben das Tor. Und so schlug Kane mit seinem Treffer zum Endstand in der 86. Minute den traurigen Schlussakkord in der Ära von Weltmeister-Trainer Löw an.