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Fußball-EM 2016: Deutschland träumt vom Double - Die Chancen stehen gut

Fußball-EM 2016

Deutschland träumt vom Double - Die Chancen stehen gut

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    Mario Götze und Bundestrainer Joachim Löw beim WM-Endspiel 2014.
    Mario Götze und Bundestrainer Joachim Löw beim WM-Endspiel 2014. Foto: Marcus Brandt (dpa)

    Die 113. Minute, André Schürrle stürmt die linke Außenbahn entlang, schafft es irgendwie, den Ball um den heranrauschenden Mascherano Richtung Strafraum zu flanken. Als er wieder freien Blick hat, sieht er, wie Mario Götze den Ball mit der Brust annimmt und einen Sekundenbruchteil später ins Tor schießt. Zwölf Minuten später ist Deutschland Weltmeister. Es ist der verdiente Lohn, das deutsche Team war die beste Mannschaft des Turniers. Sie hat ihr Niveau seitdem nicht halten können.

    Mit Miroslav Klose, Philipp Lahm und Per Mertesacker sind seit 2014 drei wichtige Spieler zurückgetreten. Bastian Schweinsteiger verbringt seit dem Finale mehr Tage im Krankenstand als auf dem Feld. Finaltorschütze Götze war beim FC Bayern in den vergangenen Jahren lediglich Ergänzungsspieler. So geriet die Qualifikation zur Europameisterschaft zwar nie wirklich in Gefahr, der Gala-Fußball des Sommers 2014 war aber nur mehr eine Erinnerung. Trotzdem soll dieser Mannschaft gelingen, was bislang nur wenigen gelungen ist: Gleichzeitig Besitzer des WM- und des EM-Titels zu sein. Deutschland schaffte dieses Kunststück durch die Siege 1972 (EM) und 1974. Die Franzosen um den fantastischen Zinédine Zidane ließen dem Triumph bei der Heim-WM 1998 zwei Jahre später den EM-Sieg folgen. Und dann ist da noch diese goldene Generation spanischer Ausnahmekönner, die zwischen den Siegen bei den

    Aber dieses deutsche Team? Ohne überragenden Einzelkönner? Ohne Außenverteidiger? Mit einem angeschlagenen Kapitän? Skepsis ist verständlich, wahrscheinlich sogar angebracht. Genauso wie vor den vergangenen Turnieren. 2002 wurde eine Mannschaft nach Südkorea und Japan entsandt, die aus Oliver Kahn, Michael Ballack und einem Haufen solider Bundesligaprofis bestand. Carsten Jancker, Dietmar Hamann und Jens Jeremies gehörten zum Stamm. Das Team wurde Vize-Weltmeister. Vier Jahre später wollten einige Hinterbänkler im Bundestag Trainer Jürgen Klinsmann nach einem 1:4 in der Vorbereitung gegen Italien vor den Sportausschuss zitieren. Es folgte das Sommermärchen.

    2010 sendete die ARD einen Brennpunkt, als Kapitän Ballack für die WM in Südafrika verletzt absagen muss. Deutschland scheitert erst im Halbfinale am späteren Weltmeister Spanien. Auch vor dem Triumph von Rio läuft nicht alles, wie es soll. Mit Marco Reus verletzt sich – wie auch diesmal – einer der talentiertesten Spieler im letzten Testspiel. Lars Bender muss ebenfalls absagen. Als bei einer Werbeaktion im Trainingslager Formel-1-Fahrer Niko Rosberg und Pascal Wehrlein mit ihren schnittigen Autos durch Südtirol schießen, kommt es zu einem Unfall. Ein Mann wird schwer verletzt. Ein PR-Desaster, die Spieler sind geschockt. Sechs Wochen später sind sie Weltmeister.

    EM 2016 in Frankreich: Deutschland will Double holen

    Die deutsche Mannschaft ist geschult darin, mit Rückschlägen umzugehen, Hindernisse zu umgehen, aus vermeintlichen Schwächen Stärken zu machen. Beispielsweise stört es das Trainerteam recht wenig, dass neben dem Kölner Jonas Hector kein weiterer gelernter Außenverteidiger im Kader steht. 2014 ließen sie zeitweise mit vier Innenverteidigern in der Viererkette spielen. Daraus resultierte eine enorme Qualität bei Standardsituationen. Nicht nur, dass die deutsche Mannschaft zahlreiche Tore nach Ecken und Freistößen erzielte, vor allem in der Defensive nutzten die großen Kerle. 2006 war es eine Ecke der Italiener, die das Aus bedeutete, 2010 eine der Spanier – in Brasilien kassierte das Team kein Tor nach einer Standardsituation.

    Ein Großteil der deutschen Fans hat akzeptiert, dass Bundestrainer Joachim Löw offenbar viel richtig macht beim Zusammenstellen und Trainieren der Mannschaft. Obwohl Marcel Schmelzer nicht nominiert wurde, fiel das Wehklagen leise aus. Nicht einmal die Dortmunder sahen sich bemüßigt, vehement für ihren Verteidiger (der eine gute Saison gespielt hat) einzustehen. Bringt ja auch nichts. Die Erwartungshaltung der Zuschauer ist mittlerweile so stark gestiegen, dass sie auch mal pfeifen, wie in diesem Frühling beim 2:3 gegen England in Berlin. Wenige Tage später begeistern Thomas Müller und Co. beim 4:1 gegen Italien. Es sind diese beiden Gesichter, die schwanken lassen zwischen Euphorie und Skepsis. So viele tolle Fußballer. So viele lethargische Kicker. Toni Kroos oder Mesut Özil können beides sein.

    Genauso zwiespältig ist das Auftreten der Mannschaft in der Öffentlichkeit. Da sind die witzigen Interviews von Thomas Müller, der präsidiale Sami Khedira, ein Team das sich volksnah gibt – und es gerne auch wäre. Auf der anderen Seite die Inszenierung. Marketingsprech. Das Nationalteam wird vom DFB nur noch als „Die Mannschaft“ vermarktet. Die Wort-Bild-Marke mit passendem Schriftzug ist omnipräsent. Vorangetrieben von Oliver Bierhoff. Der Manager des Teams hat sich verdient darum gemacht, Klinsmann und Löw den Rücken frei zu halten.

    EM 2016 in Frankreich: Wird Schweinsteiger fit?

    Kam Kritik an Gymnastikbändern auf, die Spieler auf Geheiß von amerikanischen (!) Fitnesstrainern zwischen den Beinen spannten – Klinsmann schickte Bierhoff vor. Ausrüster Adidas zu neuen Rekordzahlungen animieren – der Job Bierhoffs. Er war es auch, der sich um das Campo Bahia in Brasilien verdient machte. Jenes Refugium, in dem sich ein Teamgeist verfestigte, der die Mannschaft zum Titel trieb. In vier Wohngemeinschaften lebten die Spieler während der WM zusammen, nicht nebeneinander. Das Quartier wird von allen als Glücksgriff beschrieben. Doch schon im vorangegangenen Trainingslager in Südtirol wurden die Grundlagen für den Turniergewinn gelegt. Abgesehen von Verletzungen und dem Marketing-Unfall, arbeitete die Mannschaft ruhig und konzentriert. Löw ist ein Spezialist der Turniervorbereitung. Bei jedem der vergangenen Championate reiste seine Mannschaft selbstbewusst und austrainiert an. Davon ist auch in Frankreich auszugehen.

    Die Vorrunde mit den Spielen gegen die Ukraine, Polen und Nordirland ist nicht mehr als ein lockeres Aufwärmprogramm. Danach könnte ein feuriger Antreiber wie Bastian Schweinsteiger gefragt sein. Ob er bis dahin fit ist? Wer könnte ihn ersetzen? Skepsis. Im WM-Finale musste Sami Khedira kurzfristig passen. Für ihn kam Christoph Kramer zu seinem ersten Pflichtspieleinsatz. Er dauerte eine halbe Stunde, dann zwang ihn eine Gehirnerschütterung zur Auswechselung. Für die EM wurde er nicht einmal nominiert. Im Finale von Rio wurde er ersetzt von André Schürrle. Dem Vorbereiter des späteren Siegtores.

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