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Fußball: Büchsenwurf gegen Mönchengladbach: Am Tag, als Boninsegna fiel

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Büchsenwurf gegen Mönchengladbach: Am Tag, als Boninsegna fiel

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    War es der Schmerz, der Roberto Boninsegna den Arm vor die Augen legen ließ, oder mochte er nicht mehr mit ansehen, wie Gladbach seine Mailänder Mannschaft am 20. Oktober 1971 im Europapokal zerlegte?
    War es der Schmerz, der Roberto Boninsegna den Arm vor die Augen legen ließ, oder mochte er nicht mehr mit ansehen, wie Gladbach seine Mailänder Mannschaft am 20. Oktober 1971 im Europapokal zerlegte? Foto: imago

    Roberto Boninsegna kann auf eine pralle Fußballkarriere zurückblicken. Der heute 76-jährige Italiener aus Mantua hat 366 Spiele in der Serie A absolviert und respektable 163 Tore erzielt. Er war dreimal italienischer Meister und einmal Vize-Weltmeister. Auch beim sogenannten „Jahrhundertspiel“ – dem WM-Halbfinale 1970 zwischen Deutschland und Italien – stand er auf dem Platz und erzielte das erste Tor. Wenn deutsche Fußball-Fans das jemals gewusst haben, haben sie es vergessen. Woran sie, besonders aber jene, die ihr Herz an Borussia Mönchengladbach verloren haben, sich bis ans Ende ihrer Tage minutiös erinnern werden, ist jener 20. Oktober 1971, an dem ihnen Boninsegna für lange Zeit den Glauben an das Gute im Italiener nahm.

    Die berühmteste Büchse im Weltfußball befindet sich im Vereinsmuseum der Gladbacher Borussia.
    Die berühmteste Büchse im Weltfußball befindet sich im Vereinsmuseum der Gladbacher Borussia. Foto: dpa

    Italiener Boninsegna fiel nach Büchsenwurf zu Boden

    28 Minuten waren im Europapokal der Landesmeister zwischen Borussia Mönchengladbach und Inter Mailand gespielt, als beim Stand von 2:1 für die Heimmannschaft eine Cola-Dose von der Haupttribüne auf das Spielfeld flog und den italienischen Stürmer touchierte. Boninsegna sank, mit einiger Verzögerung, wie von einer Abrissbirne gefällt, zu Boden. Ob die Büchse leer oder voll war, wo und wie heftig sie Boninsegna traf, wurde zur Glaubensfrage. Abgesehen von kurzen Filmausschnitten gab es keine Fernsehbilder – und die Augenzeugenberichte gingen weit auseinander.

    „Ich konnte ganz klar sehen, dass die Dose ihn nicht am Kopf getroffen hat“, beteuert Volker Klüttermann, damals Ordner am Bökelberg. Sein Fazit: „Reine Schauspielerei. Das sah auch Boninsegnas damaliger Gegenspieler Luggi Müller so: Erst auf Zuruf eines Mitspielers habe sich der Stürmer fallen lassen wie ein gefällter Baum. „Ich habe gesehen, wie die Dose Boninsegna an der Schulter traf. Zunächst schaute er nur ganz verdutzt.“ Als der Inter-Mannschaftsarzt und ein Betreuer aufs Feld kamen, „wollte Boninsegna aufstehen, aber der italienische Betreuer drückte ihn wieder runter“. Für Spieler und Fans der Borussia war es ein unwürdiges Schauspiel, in dem der Inter-Stürmer den sterbenden Schwan mimte.

    7:1 von Gladbach gegen Inter Mailand zählte nicht

    Der Italiener erzählt die Geschichte anders. „Ich war auf dem Weg, um einen Einwurf auszuführen, als ich einen Schlag verspürte und ohnmächtig wurde. Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, wollte ich weiterspielen, aber der Arzt brachte mich in die Umkleidekabine.“ Dort blieb er und ließ sich auswechseln. Das ersparte ihm eine Gladbacher Demütigung. Angeführt vom überragenden Günter Netzer spielte sich die Borussia in einen Rausch und gewann durch Tore von Ulrik le Fevre (2), Günter Netzer (2), Jupp Heynckes (2) und Klaus-Dieter Sieloff 7:1.

    Doch der glanzvolle Triumph war nichts wert. Die Uefa annullierte die Partie und setzte ein Wiederholungsspiel auf neutralem Platz an, das 0:0 in Berlin endete. Das Rückspiel in Mailand verloren die Gladbacher 2:4 und schieden damit aus dem Wettbewerb aus. Boninsegna war auch im Rückspiel der Buhmann gewesen: In der Schlussphase der Partie brach sich Müller im Zweikampf mit dem Italiener das Bein.

    Büchse heute im Gladbacher Vereinsmuseum ausgestellt

    Als Büchsenwurfspiel (La Partita della Lattina) ging das Gladbacher 7:1 später in die Fußball-Geschichte ein. Die Büchse selbst ist heute im Vereinsmuseum der Borussia ausgestellt. Natürlich leer.

    Dieser Artikel ist Teil der Serie "Schwarze Schafe des Sports". Sie erscheint hier in loser Abfolge.

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