Von den großen Fragen der Vergangenheit hat sich die Bundesliga entkoppelt. Der Gewinner des Meisterschaftskampfes ist bekannt, bevor der Ball am Freitag erstmals rollt. Die Champions-League-Plätze machen neben den Münchnern die quersubventionierten Klubs aus Leipzig, Hoffenheim, Wolfsburg, Berlin und Leverkusen zusammen mit Dortmund und Gladbach aus.
Der Rest spielt gegen den Abstieg. Ist das noch Wettbewerb oder schon Seifenoper? Immer mal wieder neue Wendungen, das Ende aber ist bekannt. Immerhin ein paar Nuancen bleiben offen – und unterhaltsam ist der Showbetrieb Bundesliga allemal.
FC Bayern München
Spannend, wie sich die gefräßigen Münchner mit dem skrupellosesten Raubfisch im trüben Spielerberater-Teich balgen. Der in Finanzsachen nicht gänzlich unbeleckte Uli Hoeneß bezichtigte Alabas Agenten Pini Zahavi, ein "geldgieriger Piranha" zu sein. Fand Alaba wenig lustig und zögert mit einer Unterschrift unter dem vorgelegten Vertrag. Ansonsten verhält es sich ruhig bei den Bayern. Vielleicht ist der schlimmste Titelhunger ja dann doch mal gestillt?
Fazit: Nichts da! Die Bayern leiden an akuter Fresssucht. Je mehr Titel sie holen, desto größer wird der Hunger auf weitere Titel. Schade für die Konkurrenz.
Borussia Dortmund
Marco Reus ist endlich wieder fit. Jaden Sancho wirbelt zumindest eine weitere Saison für den BVB. Ein mal wieder vernünftig zusammengestellter Kader. Titelhunger aber gibt es auf dem Transfermarkt nicht. Bisher haben es die Dortmunder nicht geschafft, dass er sich aus der Mannschaft entwickelt.
Fazit: Sie werden wieder phasenweise begeisternden Fußball spielen. Und sie werden sich wieder keine Vitrine besorgen müssen.
RB Leipzig
Aus einem Team chronisch Hochtalentierter stach Timo Werner vergangene Saison heraus: 28 Tore und acht Vorlagen gelangen dem Ex-Stuttgarter, der neuerdings auch Ex-Leipziger ist. Neuzugang Hee-chan Hwang taten die gewieften Späher der Leipziger bei einem gewissen Fußballklub aus Salzburg auf. Weil der Südkoreaner zwar gut, aber kein zweiter Werner ist, baggern die Bullen beharrlich an Alexander Sörloth. Der 24-jährige Norweger ist zwar auch kein zweiter Werner, soll aber mindestens ein zweiter Haaland sein, mit dem er in der Nationalelf zusammenspielt.
Fazit: Vieles hängt am Werner-Ersatz. In der Spitzengruppe bleiben die Sachsen zwar, eine Herbstmeisterschaft gibt es aber nicht mehr.
Borussia Mönchengladbach
Mittelfeldspieler Hannes Wolf hat zuletzt nicht zwingend alles richtig gemacht: Bei RB Leipzig gönnte sich der lange verletzte Ersatzspieler ein Goldsteak und Reisen im Privatjet sowie die ein oder andere kesse Aussage, die in Sachsen nicht so gut ankamen. Der Leih-Wechsel zu Mönchengladbach dürfte aber ein guter Entschluss gewesen sein. In seinem neuen Team trifft der Österreicher auf Trainer Marco Rose, der ihn schon in Salzburg unter seinen Fittichen hatte. Rose sei "eine Art Mentor" für ihn, befindet Wolf. In Gladbach trifft der hoch veranlagte Wolf auf eine funktionierende Mannschaft, die keinen Leistungsträger abgeben musste. Dass die Borussia die Kaufoption für ihn zieht, will er mit Leistung rechtfertigen – keine schlechten Voraussetzungen für den Klub.
Fazit: Gladbach schafft erneut den Einzug in die Champions League.
Bayer Leverkusen
Kai Havertz soll das Spiel Chelseas strukturieren und Kevin Volland fortan für Monaco Tore schießen. Die Wechsel ihrer beiden treffsichersten Spieler spülten etliche Millionen Euro in die Bayer-Kasse. Geld schießt am wenigsten Tore, wenn es nicht reinvestiert wird. Das aber haben sich die neuerdings sparsamen Leverkusener bisher verkniffen.
Fazit: Trainer Peter Bosz wird seine Mannschaft erneut zu einem vergnüglichen Offensivkonzept verpflichten. In die Champions League geht es so aber nicht.
TSG Hoffenheim
Endlich wieder ein Hoeneß in der Bundesliga: Sebastian Hoeneß, Neffe von Uli und Sohn von Dieter, soll die TSG wieder ins internationale Geschäft führen. Auch mangels schillernder Neuzugänge konzentriert sich in Sinsheim vieles auf den Coach mit dem großen Namen. Sein Vorteil: Daran sind sämtliche Mitglieder der Familie Hoeneß gewohnt.
Fazit: Hoffenheim schafft die Quali für die Europa League.
VfL Wolfsburg
Die Zeiten, in denen die Wölfe nach allem (Luft, Waden, Titel) schnappten, sind seit dem Abgang von Felix Magath vorbei. Unter Dieter Hecking straffte sich das Team nochmals und gewann den Pokal. Seitdem schlingert der Klub durch die Liga.
Fazit: Die Wolfsburger finden Halt. Im Niemandsland.
SC Freiburg
Es gab schon Spielzeiten, die unter besseren Vorzeichen standen: Die Nationalspieler Waldschmidt und Koch sind weg, Torwart Schwolow ebenfalls. Die Ablösemillionen hatte der Verein lange Zeit nur zögerlich investiert. Am Donnerstag aber sicherten sie sich Mittelfeldspieler Baptiste Santamaria vom französischen Erstligisten Angers. Zehn Millionen soll der kosten – und wäre damit der Rekordeinkauf der Breisgauer in ihrer Geschichte. Etwas störend ist noch die Sache mit dem Stadion: Das ist zwar bezugsfertig, die Nachbarn haben aber keine Lust auf Lärm zur Schlafenszeit. Abendspiele sind vorerst verboten. Der Freiburger nimmt’s eben genau.
Fazit: Der Aderlass macht sich bemerkbar. Ernsthafte Abstiegssorgen bekommt Freiburg aber nicht.
Eintracht Frankfurt
Wenn sich die Eintracht-Stürmer über eines nicht beschweren können, dann über zu wenig Flanken von der linken Seite. Dort verrichtet Filip Kostic im Takt einer Nähmaschine seinen Dienst: Satte 209 Flanken schlug der Serbe in der vergangenen Saison aus dem Spiel heraus. Zweiter in dieser Disziplin war der Freiburger Christian Günter – mit 115 Flanken.
Fazit: Frankfurt sorgt für Höhepunkte, in die Europa League flanken sich aber andere.
Hertha BSC Berlin
Hach, Hertha! Selbsternannter Big City Klub. Investor Lars Windhorst plant den Weg nach Europa mit Millionen Euro zu pflastern. Den einfachsten Weg über den DFB-Pokal haben sich die Berliner mit einem 4:5 gegen Braunschweig schnellstmöglich verbaut.
Fazit: Ein Bruno Labbadia lässt sich nicht aufhalten. Der Trainer führt die Hertha tatsächlich in die Europa League
Union Berlin
Endlich hat sich gefunden, was zusammengehört: Max Kruse spielt in Berlin. Der Stürmer und das Nachtleben der Hauptstadt – seit dem Zusammenspiel von Heiß und Fettig war keine Kombination verheißungsvoller.
Fazit: Die Abgänge von Keeper Gikiewicz und Angreifer Andersson haben die Eisernen gut kompensiert. Auch nächstes Jahr hat Berlin zwei Erstligisten.
FC Schalke 04
Sie hatten auf Schalke im Verlauf der Jahrzehnte einen Sonnenkönig als Präsidenten, einen Zigarre nuckelnden Macher oder einen Super-Schlachter als Boss. Aus dem schillernder Malocher-Klub droht ein Almosen-Verein zu werden. Neuzugang Vedad Ibisevic spielt zum Mindestlohn und um Trainer David Wagner von seinen Aufgaben zu entbinden, fehlen schlicht die finanziellen Mittel.
Fazit: Aus Königsblau wird Mausgrau.
FSV Mainz 05
Das dürfte dann selbst den geselligen Mainzern die Stimmung verhageln: Um den Straßenkarneval ist es in Zeiten der Pandemie schlecht bestellt und dann macht der örtliche FSV auch noch den Eindruck, als habe er seine besten Jahre hinter sich. In der vergangenen Saison sorgte eine Kraftanstrengung für den schon fast unmöglich gehaltenen Klassenerhalt.
Fazit: Wunder gibt es immer wieder – aber nicht zwei Jahre aufeinander an gleicher Stelle.
1. FC Köln
FC Köln Hach, Köln! Spielst eine solide Saison und verzichtest auf vollmundig-rheinische Europapokal-Ansagen. Und dann zoffen sich in der Öffentlichkeit die sogenannten Alt-Internationalen (mit Wolfgang Overath an der Spitze) mit der Geschäftsführung, weil der Medienchef entlassen wird und wenig später werden wenig erbauliche Mails des Bosses des Mitgliederrats publik gemacht. Wer keine Probleme hat, der macht sich eben selber welche.
Fazit: Hätte eine entspannte Spielzeit werden können – allerdings werden die Kölner in die Relegation müssen. Ausgang offen.
FC Augsburg
Der FCA war in den vergangenen beiden Spielzeiten der englische Patient der Liga. Ähnlich wie die Nationalmannschaft des Inselstaates schien es dem FCA unmöglich, langfristig einen halbwegs soliden Torwart in den Kasten zu stellen. Mit Slapstickeinlagen angelsächsischem Vorbilds beförderte sich Tomas Koubek aus dem Tor. Rafal Gikiewicz soll endlich für die Konstanz zwischen den Pfosten sorgen. Zusammen mit den ebenfalls neuen Caligiuri und Strobl soll der Pole vorangehen. An Selbstbewusstsein scheint es dem extrovertierten Gikiewicz jedenfalls nicht zu mangeln. Auch hinter den Kulissen tauschte der FCA Personal aus: Ein neuer Torwarttrainer und ein neuer Assistenztrainer sollen nicht nur die Schlussleute fit machen.
Fazit: Ist Gikiewicz endlich der erhoffte Rückhalt, hat der FCA keine Abstiegssorgen.
Werder Bremen
Sie haben es tatsächlich getan und Claudio Pizarro nach München ziehen lassen. Der ewige Torjäger soll den Bayern als schlawinernder Markenbotschafter zu noch mehr Ruhm verhelfen. Dabei hätte die Marke Werder viel eher eine Charme-Politur notwendig. Den ambitionierten Europa-Plänen folgte der Beinahe-Absturz. Die Mannschaft für die kommende Saison: Kaum besser als die der vergangenen.
Fazit: Ohne Verletzungspech ist das möglich, wonach sich Werder sehnt: eine langweilige Saison.
Arminia Bielefeld
Arminia ist wieder da! Die letzte Bundesligasaison der Ostwestfalen ist zwar erst elf Jahre her, die damaligen Umstände wirken aber, als ob seither deutlich mehr Monde vergangen sind: Jürgen Klinsmann trainierte den FC Bayern, ein gewisser Grafite schoss sich zum Torschützenkönig, Meister wurde Wolfsburg. Wolfsburg! Trainer im letzten Bundesligaspiel der Arminia war übrigens Jörg Berger, den der Klub für genau ein Spiel verpflichtet hatte. Die aktuelle Arminia kommt als Zweitligameister daher, der in der Rückrunde kein Spiel verlor. Dumm nur, dass gleich das erste Pflichtspiel – das Pokalspiel gegen Essen – verloren ging.
Fazit: Schön, dass Bielefeld wieder da ist. Daran gewöhnen sollte man sich nicht.
VfB Stuttgart
Aus dem so soliden Erstligisten ist ein Fahrstuhlteam geworden. Selbst in der zweiten Liga konnte sich der VfB lange nicht entscheiden, ob er denn nun hoch will – oder lieber auf der unteren Etage verweilt. Der HSV nahm den Stuttgartern die Entscheidung mit einer lächerlichen Saison-Endphase ab. VfB-Coach Pellegrino Matarazzo hat genug von der Wankelmütigkeit. Ex-Nationalspieler Mario Gomez verabschiedete er in den Ruhestand, Ex-Weltklasseinnenverteidiger Holger Badstuber grätscht nur noch für die zweite Mannschaft und Marc-Oliver Kempf ist auf einmal nur noch Ex-Kapitän – dafür übernimmt die Binde der Ex-Dortmunder Gonzalo Castro.
Fazit: Klare Entscheidungen, knapper Klassenerhalt.
Wir haben FCA-Stürmer Florian Niederlechner getroffen – und mit ihm über die kommende Bundesliga-Saison gesprochen. Hier können Sie sich die Podcast-Folge anhören:
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