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Führungswechsel: FC Bayern: Uli Hoeneß löst den Kaiser ab

Führungswechsel

FC Bayern: Uli Hoeneß löst den Kaiser ab

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    Bildnummer: 00426596 Datum: 01.07.2001 Copyright: imago/Alternate
    Bildnummer: 00426596 Datum: 01.07.2001 Copyright: imago/Alternate Foto: imago

    Wenn Uli Hoeneß vor Wirtschaftsjunioren oder fränkischen Metzgern spricht, erzählt er gerne die Geschichte von seinem ersten Arbeitstag als Manager des FC Bayern.

    Hoeneß war damals 27. Die Geschichte ist kurz. Am frühen Nachmittag hat er gefragt, ob es für ihn noch etwas zu tun gebe. Dann schloss er seinen Schreibtisch ab und ging nach Hause.

    Das war im Mai 1979. Der FC Bayern, man glaubt es kaum, hatte Schulden. Der letzte Europacup-Gewinn lag drei Jahre zurück. Irgendetwas musste geschehen. Der gebürtige Ulmer Hoeneß hatte schon als Spieler Gespür für Geld bewiesen und dem FC Bayern den ersten Trikotsponsor verschafft, 1,8 Millionen Mark schwer: Magirus, einen Baufahrzeug-Hersteller aus seiner Heimatstadt.

    Den Vertrag schloss man, wie es sich für solche Geschichten gehört, auf einem Bierdeckel. Hoeneß kassierte die Provision.

    Ein solches Trüffelschwein brauchten die Bayern damals. Hoeneß wurde der erste Bundesliga-Manager. Er spielt seine Rolle herunter. "Der Präsident", sagt Hoeneß, "hat nur einen unerfahrenen Prellbock gesucht, für die bevorstehende Steuerprüfung."

    Drei Wochen nach seinem ersten Arbeitstag trat Hermann Neudecker zurück und hinterließ einen angeschlagenen Klub. Zwölfter in der vorausgegangenen Bundesliga-Saison, zwölf Millionen Euro Umsatz, 31.000 Zuschauer im Schnitt.

    Umsatz um das 50-fache gesteigert

    30 Jahre später hat der Verein seinen Umsatz um das 50-fache gesteigert. 300 Millionen Euro waren es 2008. 25 Millionen im Jahr bringt der soeben verlängerte Sponsoren-Vertrag mit der Telekom. In den nächsten Tagen soll ein 200-Millionen-Deal mit Audi über die Bühne gehen.

    Die Ingolstädter erwerben neun Prozent Anteile an der FC Bayern AG, dazu einen Werbevertrag mit zehnjähriger Laufzeit. Zu jedem Heimspiel kommen 69 000 Besucher in die Allianz-Arena. Würde Franck Ribéry am Mittelkreis nur Baguette verkaufen, wären es nicht viel weniger.

    Das alles ist, mehr oder weniger, das Werk des Managers. Hoeneß ist Geist, Seele und Motor dieses Vereins, der wirtschaftlich zu den erfolgreichsten der Welt gehört. Im Nebenerwerb führte der Metzgersohn in Nürnberg eine Wurstfabrik, die inzwischen sein Sohn leitet.

    Das zu schaffen, reicht es, mit seinem Handy telefonieren zu können. Man muss nicht wissen, wie eine SMS funktioniert, und darf auch das Internet meiden, versichert Hoeneß.

    Andere, deren Wort beim Rekordmeister ebenfalls Gewicht hat, kamen erst später dazu: Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge oder Präsident Franz Beckenbauer. Hoeneß aber war immer da und - abgesehen von einer Saison als Spieler beim 1. FC Nürnberg - nie weg.

    Am Freitagabend, bei der Jahreshauptversammlung, verabschiedet er sich als Manager. Den sportlichen Teil seines Jobs hat er an Christian Nerlinger weitergereicht. Nerlinger kommt aus dem eigenen Stall, wie fast alle, die Schlüsselpositionen besetzen.

    Ob Fanbetreuer (Aumann), Spielerbeobachter (Dremmler) oder Amateurtrainer (Scholl) - alle sind vom Geist des Klubs geprägt. Erst recht die Führungstroika Hoeneß - Rummenigge - Beckenbauer. Es ist die gemeinsame Sache, die das Trio zusammengehalten hat, nicht die große Freundschaft.

    Wie oft haben Rummenigge und Hoeneß die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn Beckenbauer wieder gefranzelt hat. Aber den Bild-Schützling öffentlich zu rüffeln, hat sich keiner getraut. Das wird so bleiben, auch wenn Beckenbauer am Ende der Jahreshauptversammlung nicht mehr Präsident sein wird.

    Der Kaiser mag nach 15 Jahren im Amt nicht mehr. Das Tagesgeschäft lief schon lange ohne ihn. Wenn er gelegentlich mal wieder mit seinem Urteil neben Hoeneß & Co. lag, haben ihn die beiden das auch öffentlich wissen lassen. Beckenbauer hat sich nie nach einem Amt gedrängt, also geht er auch leichten Herzens. Er wird Ehrenpräsident.

    Der Wechsel an der Spitze ist von langer Hand vorbereitet. Rummenigges Vertrag als Vorstandschef wurde kürzlich bis 2011 verlängert. Für Marketing und Sponsoring, den zweiten Teil des alten Hoeneß-Jobs, soll 2010 eine neue Stelle geschaffen werden. Was das alles bedeutet? Manche sagen: nichts.

    Beckenbauer wird als Fernseh-Gast und Bild-Flüsterer weiter für die Auftritte der Bayern granteln, wenn ihm danach ist. Hoeneß wird auch als Präsident und Aufsichtsrats-Chef weiter die Geschäftsstelle regieren.

    Es könnte am Freitag also ein geschmeidiger Übergang werden, würden die Bayern sportlich nicht mal wieder in einer Krise stecken. Ausgerechnet jetzt stolpert die für 70 Millionen Euro aufgemotzte Truppe durch das Niemandsland der Bundesliga. In der Champions League steht sie vor dem Aus. Eine Entwicklung, die sich nicht allein auf den Trainer abwälzen lässt, sondern auch Schatten auf Hoeneß & Co. wirft.

    Das Bayern-Volk, das sich am Freitag in der Messehalle versammelt, könnte verhalten auf das Vorhaben der Bosse reagieren, eine große Party zu inszenieren. Möglicherweise gibt es sogar Pfiffe. Dann allerdings könnte zurückkehren, was 2007 wie ein Orkan über die Köpfe der Mitglieder gefegt ist: der zürnende Hoeneß.

    In Momenten, in denen der 57-Jährige Ungerechtigkeit wittert, haut er mit harter Hand dazwischen. Hoeneß ist ein Emotionsbündel, das für eine gute Sache alles gibt. Gnade dem aber, der sich ihm dabei in den Weg stellt.

    Hoeneß ist Kraftprotz und Seelchen, kalter Rechner und sozialer Geist. Er hat vielen Spielern geholfen, die nach ihrem Weggang vom FC Bayern abgestürzt sind. "Wir haben eine Sorgfaltspflicht für die Leute, die für uns arbeiten oder gearbeitet haben", sagt er.

    Wenn die Wirtschaftsjunioren abgezogen sind, sitzt er noch unter den Gästen. Irgendjemand drückt ihm dann einen Glücksbringer in die Hand. Hoeneß reißt ein Stück Papier von der Serviette. "Sagen Sie mir Ihren Namen und Ihre Adresse", bittet er, "ich schicke Ihnen etwas zurück." Auch das ist Hoeneß. Anton Schwankhart

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