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Frauen-Fußball WM: Die fatale Pechsträhne der Dzsenifer Marozsan

Frauen-Fußball WM

Die fatale Pechsträhne der Dzsenifer Marozsan

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    Das DFB-Team muss auf Dzsenifer Marozsan verzichten.
    Das DFB-Team muss auf Dzsenifer Marozsan verzichten. Foto: Sebastian Gollnow (dpa)

    Drei Rückmeldungen haben die deutschen Fußballerinnen morgens in der Frühe an den Trainerstab zu übermitteln: Angaben zu Spielfähigkeit, Schlaf und  Muskelstatus bilden die Grundlage, um die individuelle Belastung zu steuern. Eine allerdings war bereits über die Pfingsttage vom Prozedere ausgenommen: Dzsenifer Marozsan: Seit Samstagabend ist intern bekannt, dass die Spielmacherin mit einem Bruch des mittleren Zehs am linken Fuß – im medizinischen Fachbegriff Digitus pedis III -  mindestens für die Vorrunde der Frauen-WM ausfällt.

    Erst am Dienstagmorgen klärte indes Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg in Valenciennes vor dem zweiten WM-Gruppenspiel gegen Spanien (Mittwoch 18 Uhr/ZDF) über die Diagnose auf: „Das trifft uns nicht nur sportlich, sondern auch persönlich. Der Ausfall tut weh, auch mir persönlich. Und auch Dzseni musste das erstmal verarbeiten, weil es für sie ein besonderes Turnier ist.“

    Die Krankenakte von Dzsenifer Marozsan ist lang

    Die im Ausrichterland Frankreich in der Divsion 1 Féminine zur besten Spielerin gekürte Starspielerin von Olympique Lyon hatte sich für ihre Wahlheimat ganz, ganz viel vorgenommen. Wer um den sensiblen Charakter der 27-Jährigen weiß, kann nur vermuten, welche emotionalen Schwankungen sie gerade durchmacht. Vergangenen Sommer hatte sich alles für sie bei einer beidseitigen Lungenembolie vieles relativiert. Die Edeltechnikerin kämpfte sich schneller als sie selbst erwartet hatte zu alter Leistungsstärke zurück. Im Trainingslager in Grassau bat Voss-Tecklenburg  den Lieben Gott, „dass Dzseni diese Form noch ein paar Wochen behält.“

    Insofern sorgen bei der Fußballlehrerin in dem „Maro“-Drama die Umstände der Verletzung für Unverständnis. Aus ihrer Sicht hätten Attacken der Chinesin Shanshan Wang härter als mit Gelb geahndet werden müssen; der Unmut darüber sei von der deutschen Delegation hinterlegt worden. Als die 51-Jährige vom „Zehenbruch“ berichtete, ging ein Raunen durch den Pressesaal im Stade du Hainaut. „Bei dieser Verletzung weiß jeder, wie weh das tut.“ Umso erstaunlicher, dass Marozsan in Rennes noch mehr als 75 Minuten durchhielt – und die Ecke vor dem Siegtreffer schlug. Noch soll diese WM für die deutsche Nummer zehn nicht vorbei sein. „Wir werden versuchen, Dzseni im Laufe des Turniers wieder auf den Platz zu bringen. Aber Prognosen können wir zeitlich nicht abgeben“, erklärte die Bundestrainerin betroffen.

    Fußball-WM: Die deutschen Frauen verlieren eine wichtige Stütze

    Ihr bricht vorerst  der fußballerische Stützpfeiler weg, auf den die gesamte Spielausrichtung basierte. Marozsan sollte wie ein Magnet die Bälle anziehen und verteilen. Nun muss sofort der Emanzipationsprozess von der Überfigur gelingen.  Eine naheliegende Lösung wäre, dass Toptalent Lena Sophie Oberdorf übernimmt, zumal die 17-Jährige bei der SGS Essen sich als torgefährliche Allrounderin gezeigt hat. Die verspieltere Möglichkeit wäre Lina Magull vom FC Bayern. Die offensivste Variante könnte Kapitänin Alexandra Popp sein, vor der dann Lea Schüller stürmt. Gleichwohl schränkte Voss-Tecklenburg auch ein: „Dzsenifer Marozsan kann man nicht ersetzen. Das funktioniert nicht, weil sie einfach besondere Eigenschaften hat.“

    Für die 91-fache Nationalspielerin hat sich eine groteske WM-Leidensgeschichte verlängert. 2011 riss bei der damals 19-Jährigen vor dem Heimturnier das Innenband, so dass sie vor lauter Enttäuschung das Event nur aus dem Urlaub verfolgte. 2015 knickte sie auf kanadischem Kunstrasen vor dem ersten WM-Spiel um, schleppte sich angeschlagen durch die Spiele, setzte im Achtelfinale gegen Schweden (4:1) als Einwechselspieler den Schlusspunkt, verwandelte humpelnd im Viertelfinale gegen Frankreich (5:4 nach Elfmeterschießen) einen Strafstoß – und bezahlte einen hohen Preis.

    Eine Operation war nach der Rückkehr unumgänglich, bei der ein nicht erkannter Bänderriss auffiel: Marozsan humpelte lange auf Krücken, trug wochenlang eine Spezialschiene. Ihr damaliger Arbeitgeber 1. FFC Frankfurt äußerte nur hinter vorgehaltener Hand Vorwürfe gegenüber dem DFB, bei dem das Supertalent ja zwischenzeitlich eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht hatte.

    Mit der „Informationspflicht“ gegenüber dem aktuellen Verein Lyon erklärte Voss-Tecklenburg nun das  Versteckspiel über die Verletzung, die bereits nach der ersten der Untersuchung im  Krankenhaus bekannt gewesen sei. „Wir haben aber bewusst gesagt, wir müssen das alles erst einmal verarbeiten. Deshalb haben wir uns die Zeit genommen, das zu kommunizieren. Um den Verarbeitungsprozess, der ein Schock war, einleiten zu können.“ Allein aus diesen Worten war abzuleiten, wie hart das deutsche Team offenbar dieser lädierte Digitus pedis III trifft.

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