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Formel 1: Der auf den ersten Erfolg wartet

Formel 1

Der auf den ersten Erfolg wartet

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    Mit einem Schulterklopfen für Sebastian Vettel hat vor einem Vierteljahr das Martyrium für den Heppenheimer, für die Scuderia, ach was, für ganz Italien, und auch für weite Teile der Formel 1 begonnen. Beim Saisonstart in Melbourne war der Favorit Vierter geworden, mit einer Minute Rückstand auf den Siegerpfeil von Valtteri Bottas. Das

    Sechs Mal in diesem Jahr haben sich die Szenen wiederholt, in denen ein geschlagener Binotto nach dem Rennen vor die Medien tritt. Meistens ist er gut gelaunt, lacht oft sogar. Was ihn so amüsiert, weiß man nicht so genau. Aber es ist sympathisch, verkörpert nach außen hin tatsächlich ein neues, offeneres Klima im unter Maurizio Arrivabene so verschlossen, arrogant wirkenden Traditionsrennstall. Seine Antworten sind häufig ähnlich verschmitzt wie sein Lächeln, seine Brille hat ihm im Fahrerlager den Spitznamen „Harry Potter“ eingebracht. Nur das mit dem Zaubern, das haut nicht so hin. Wenn er doch wenigstens die richtige Formel für die Reifenmischung hätte... Stattdessen machen seine Ingenieure, seine Strategen, seine Fahrer unter Druck zu viele Fehler. Was es für Binotto, 49, zunehmend schwerer macht, die Misserfolge wegzulachen.

    Vor dem Rennen in Montreal hat er schonungslos bekannt: „Wir wissen, dass wir derzeit nicht konkurrenzfähig genug sind. Vorerst werden wir auch keine weiteren Änderungen am Auto vornehmen, die maßgeblich auf die Probleme einwirken können, die wir seit Saisonstart festgestellt haben.“ Das klingt wie eine Bankrotterklärung, und sie lässt auch die Geschehnisse zum Ende der letzten Saison in einem anderen Licht erscheinen, als Ferrari technisch bereits die Oberhand über Mercedes gewonnen hatte, und Technikdirektor B. ein entscheidendes Upgrade platzierte. Viel zu spät glaubte man den Zweifeln von Sebastian Vettel, der plötzlich mehr und mehr an Boden verlor. Am Ende mussten die Roten eingestehen, in die falsche Richtung entwickelt zu haben. Da saßen Arrivabene und Binotto längst schon Rücken gegen Rücken beim Essen, den anschließenden internen Machtkampf gewann der Ingenieur.

    Bislang sein letzter großer Sieg. Zuzugucken, wie Ferrari sich immer selbst schlägt, ist mindestens so langweilig wie die Erfolgsserie der Konkurrenz. Das Rennen in Montreal ist die beste Chance für eine Wende, weil die improvisierte Rennstrecke auf der Insel im St. Lorenz-Strom hauptsächlich aus Geraden besteht, und da ist der so zickige SF 90 tatsächlich eine Macht. „Eine magische Formel gibt es für diese Strecke nicht, aber vieles ist anders, die Charakteristik, das Set-up, die Reifen“, sagt der Zauberlehrling. Zu Hause in Maranello hat der technische Stratege Binotto eine Spezialtruppe zur Ursachenforschung und -behebung gebildet, eine Art CSI Ferrari. Aber die Suche nach dem richtigen Grip kann wohl dauern, bis den Erklärungen auch Lösungen folgen. Deshalb deutet sich eine erste Personalie an: Simone Resta, einer der Top-Designer der Formel 1, soll vom im schweizerischen Hinwil stationierten Alfa-Satelliten-Team in die Zentrale zurückberufen werden. „Entschieden ist es noch nicht, aber wir versuchen, unsere Mannschaft immer da zu verbessern, wo sie Schwächen hat“, sagt Binotto, der auch der Personalchef ist. Eine heikle Entscheidung – mit Restas Rückkehr würde er zumindest indirekt auch das Scheitern der eigenen Ideen eingestehen. Binotto sieht seine Führungsrolle aber nicht als die eines Diktators an: „In erster Linie sehe ich mich als jemanden, der anderen dabei hilft, ihren Job bestmöglich auszuführen.“

    Jetzt aber braucht er die Unterstützung der anderen mehr denn je, wenn er sein ehrgeiziges Ziel („Wir wollen nicht einmal Weltmeister werden. Sondern eine neue Ära beginnen...“) umsetzen will. Gelingt in Montreal nicht der ersehnte Befreiungsschlag, sei das nicht das Aus aller Hoffnungen: „Kanada ist nicht das letzte Rennen der Saison.“

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