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FIFA-Skandal: Blatter attackiert weiter - Beckenbauer wird Kronzeuge wider Willen

FIFA-Skandal

Blatter attackiert weiter - Beckenbauer wird Kronzeuge wider Willen

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    FIFA-Chef Joseph Blatter geht weiter gegen seine Gegner vor.
    FIFA-Chef Joseph Blatter geht weiter gegen seine Gegner vor. Foto: Patrick Seeger (dpa)

    Nach wilden Tiraden gegen die USA und die UEFA hat FIFA-Präsident Joseph Blatter den Verbal-Feldzug gegen seine Widersacher fortgesetzt. Seinen Freund Franz Beckenbauer benutzte er dabei als vermeintlichen Kronzeugen für einen Frontalangriff gegen die Spitze des deutschen Fußballs. "Ich habe mit

    "Ich habe mit Wolfgang Niersbach freundschaftlich diskutiert. Von Zusammenfalten kann überhaupt keine Rede sein", sagte Beckenbauer der "Bild"-Zeitung. Niersbach, seit Freitag Mitglied in dem vom weltweit kritisierten Blatter angeführten FIFA-Exekutivkomitee, ließ über DFB-Mediendirektor Ralf Köttker verlauten: "Keine Ahnung, wie Blatter auf sowas kommt, ein Telefonat mit dem Inhalt hat überhaupt nicht stattgefunden." 

    Mit den obskuren Anschuldigungen aus der Schweiz setzte Blatter am Sonntag sein unsouveränes Gebaren nach der knapper als erwarteten Wiederwahl zum FIFA-Boss fort. Eine Strategie für den Weg aus der größten Krise des Weltverbandes nach dem jüngsten Korruptionsskandal gab der 79-Jährige nicht vor. Schon bei der Pressekonferenz am Samstag hatte sich Blatter zu Beginn seiner fünften Amtszeit mehr mit der Verunglimpfung der Konkurrenten aufgehalten.

    Joseph Blatter: "Verhaftet, wofür? Nächste Frage"

    Die Beschuldigten im Fifa-Korruptionsskandal

    Insgesamt 14 Personen werden im neuen Fußball-Skandal um den Weltverband FIFA vom US-Justizministerium beschuldigt Zu den Angeklagten gehören prominente und altbekannte Figuren aus der Fußball-Welt:

    Jeffrey Webb (50 Jahre/Kaimaninseln): Webb ist seit 2012 CONCACAF-Präsident und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees. Inzwischen zählt er zu den Stellvertretern von Joseph Blatter.

    Eduardo Li (56/Costa Rica): Der Präsident des Verbandes Costa Ricas galt als designiertes Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees. Li ist ein Geschäftsmann mit chinesischen Wurzeln.

    Julio Rocha (64/Nicaragua): Rocha als FIFA-Entwicklungsmanager tätig und war früher Präsident des Verbands Zentralamerikas und Nicaraguas.

    Jack Warner (72/Trinidad und Tobago): War von 1983 bis 2011 Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees und zeitweise auch FIFA-Vizepräsident. Warner war in mehreren Korruptionsskandalen verstrickt, insbesondere auch durch seine Rolle als CONCACAF-Präsident. Aktuell fungiert er als Berater des CONCACAF-Präsidenten.

    Eugenio Figueredo (83/Uruguay): Neben Webb der zweite aktuelle FIFA-Vize in der Affäre. Der Ex-Präsident des südamerikanischen Fußballverbandes CONMEBOL musste sich zuletzt in seiner Heimat wegen angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten bei CONMEBOL vor Gericht verantworten

    Rafael Esquivel (68/Venezuela): Ist seit 1988 Präsident des Verbands Venezuelas und damit der am längsten agierende Verbandschef in Südamerika. Esquivel sitzt aktuell auch im Exekutivkomitee des CONMEBOL-Verbandes.

    José Maria Marin (83/Brasilien): War bis April dieses Jahres Präsident des brasilianischen Verbandes. Medienberichte in Brasilien konfrontierten ihn mit Anschuldigungen wegen Korruption und angeblicher Veruntreuung öffentlicher Mittel in den 1970er und 1980er Jahren.

    Nicolás Leoz (86/Paraguay): ): Der langjährige Präsident des südamerikanischen Kontinentalverbandes CONMEBOL gehörte bis 2013 auch dem FIFA-Exko an. Leoz wurde vom früheren englischen Verbandschef David Triesman beschuldigt, unlautere Forderungen vor den WM-Vergaben an Russland und Katar gestellt zu haben.

    Alejandro Burzaco (50/Argentinien): In einer Aufsichtsfunktion bei einer Sportmarketing-Agentur in Argentinien tätig.

    Aaron Davidson (44/USA): Präsident von Traffic Sports USA, eines Eventmanagement-Unternehmens im Bereich Fußball.

    Hugo (70) und Mariano Jinkis (40/Argentinien): In Aufsichtsfunktionen einer Sportmarketing-Agentur in Argentinien tätig.

    José Margulies (75/Brasilien): Ihm wird vorgeworfen, als Vermittler bei illegalen Zahlungen aufgetreten zu sein.

    Bereits vier Personen haben sich im Zuge des Skandals für schuldig bekannt:

    Chuck Blazer (70/USA): Gehörte von 1996 bis 2013 dem FIFA-Exekutivkomitee an. Zusammen mit Jack Warner führte er als Generalsekretär auf zwielichtige Weise den CONCACAF-Verband. Hatte den Spitznamen «Mister Zehn Prozent», weil er diesen Anteil bei Fußball-Geschäften in die eigene Tasche gewirtschaftet haben soll.

    Nachdem das FBI ihm 2012 kam auf die Schliche gekommen war, kooperierte Blazer er mit den US-Behörden und soll andere Funktionäre ausgespitzelt haben. Er verzichtete 2013 auf eine Wiederwahl ins FIFA-Exko, nachdem Korruptionsvorwürfe gegen ihn publik wurden.

    Blazer wird unter anderem organisierte Kriminalität, Betrug, Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Er hat sich am 25. November 2015 für schuldig bekannt und die Zahlung einer Strafe von 1,9 Millionen Dollar sowie eines weiteren Geldbetrags bei Verurteilung akzeptiert.

    José Hawilla (71/Brasilien): Gründete 1983 die brasilianische Firma Traffic Group, die mit Spieler-Transferrechten und Fernsehrechten ihr Geld verdiente.

    Hawilla wird organisierte Kriminalität, Betrug, Geldwäsche und Behinderung der Behörden vorgeworfen. Er hat sich am 12. Dezember 2014 für schuldig bekannt und eine Strafzahlung von 151 Millionen Dollar akzeptiert.

    Daryan Warner (46/Trinidad und Tobago): Er ist der Sohn von Jack Warner und kümmerte sich in dessen Haus um die Finanzen.

    Daryan Warner werden organisierte Kriminalität, Geldwäsche und dubiose Finanztransaktionen vorgeworfen. Er hat sich am 25. Oktober 2013 für schuldig bekannt und die Zahlung einer Strafe von 1,1 Millionen Dollar sowie eines weiteren Geldbetrags bei Verurteilung akzeptiert.

    Daryll Warner (40/Trinidad und Tobago): Er ist der Sohn von Jack Warner und war früher als Entwicklungsmanager bei der FIFA tätig.

    Daryll Warner werden Betrug und dubiose Finanztransaktionen vorgeworfen. Er hat sich am 15. Juli 2013 für schuldig bekannt.

    Mit Verschwörungstheorien und drohenden Worten attackierte er die US-Justizbehörden sowie die Europäische Fußball-Union um Michel Platini und Niersbach. Vor der Weltpresse legte er einen dünnhäutigen Auftritt hin. Ob er Sorge habe, angesichts des Korruptionssumpfs irgendwann selbst hinter Gitter zu müssen? "Verhaftet, wofür? Nächste Frage", beschied Blatter und verabschiedete sich nach den wohl aufwühlendsten Tagen seiner Dauerherrschaft in ein freies Wochenende mit der Familie. "Er wird jetzt mit uns und Selena shoppen gehen", berichtete Corinne Blatter Andenmatten im "Sonntagsblick" über die Freizeitgestaltung mit ihrem Vater und ihrer Tochter.

    Die nächsten offiziellen Termine des FIFA-Chefs sollen erst zu Wochenbeginn koordiniert werden. Sicher ist allerdings, dass er nicht zum Eröffnungsspiel der Frauen-WM am Samstag nach Kanada fliegen wird. Erst zum Finale am 05. Juli will er in Vancouver dabei sein. Ein pikanter Termin, denn die USA haben mit ihrem nördlichen Nachbarland eine enge Justiz-Kooperation. Eventuell könnte Blatter zu den Vorgängen um seine in Zürich am Mittwoch festgenommenen Ex-Stellvertreter Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo befragt werden. 

    Auch am Sonntag gab es Neuigkeiten zum Mega-Skandal um Betrug und Bestechung, die nach Ermittlungen des US-Justizministeriums auch die WM-Vergabe 2010 betraf. Der frühere Chef des Organisationskomitees in Südafrika hat einem Bericht zufolge eine Sonderzahlung von zehn Millionen Dollar eingeräumt. Das Geld sei jedoch entgegen einer Anklageschrift der US-Justizbehörden keine Bestechung der FIFA gewesen, sagte Danny Jordaan der Zeitung "Sunday Independent". 

    Jordaan zufolge wurde das Geld 2008 an die Konföderation von Nord- und Mittelamerika CONCACAF bezahlt, um den Sport dort zu fördern. CONCACAF-Präsident war zu dem Zeitpunkt der damalige FIFA-Vize und Blatter-Vertraute Jack Warner, der diese Woche aufgrund der Bestechungsvorwürfe der US-Justiz zeitweise festgenommen worden war. 

    Blatter hatte sich eher flapsig zu den Vorwürfen geäußert. "Ich nehme keine Stellung zu den Anklagen. Wenn das jetzt irgendwo untersucht wird, sollen die Untersuchungen abgeschlossen werden", sagte er auf die Frage, ob er die Identität des FIFA-Funktionärs kenne, der die Zahlung veranlasst habe. "Ich kann nur sagen, dass ich es nicht war."

    Vom großen Unterstützer zum größten Konkurrenten

    Im Gefühl der Genugtuung über den Wahlerfolg legte sich der Schweizer sofort mit seinen Lieblingsfeinden an. Es gebe "einen Hass, der nicht nur von einer Person bei der UEFA kommt, aber von der UEFA als Organisation, die nicht verstanden hat, dass ich 1998 Präsident geworden bin", wetterte Blatter im Schweizer Sender RTS. Vor 17 Jahren hatte sich er gegen UEFA-Widersacher Lennart Johansson durchgesetzt.

    Ein großer Unterstützer von damals ist mittlerweile sein größter Kontrahent. UEFA-Chef Michel Platini bekam noch die nächste Breitseite ab. Bei einem Vier-Augen-Gespräch in seinem Büro in der FIFA-Zentrale zur Mittagszeit am Donnerstag habe dieser ihm vorgeschlagen, "einen guten Whisky unter Freunden" zu trinken. Dies habe er aber abgelehnt. Anschließend habe ihm der Franzose offenbar eine Goldene Brücke bauen wollen: "Und dann meinte er allen Ernstes: 'Sepp, du machst den Kongress und am Schluss gibst du bekannt, dass du zurücktrittst. Du bekommst ein gigantisches Fest und dein Büro hier bei der FIFA kannst du behalten'", berichtete Blatter im "Sonntagsblick". Eine Platini-Reaktion hierzu gab es vorerst nicht. 

    Das ist die FIFA

    FIFA ist ein Akronym für Fédération Internationale de Football Association.

    Der Weltfußballverband wurde am 21. Mai 1904 in Paris gegründet.

    Die Zentrale der FIFA befindet sich in Zürich (Schweiz).

    Die FIFA ist offiziell ein gemeinnütziger Verein im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, außerdem im Handelsregister eingetragen.

    Der FIFA gehören aktuell 209 Nationalverbände an. Sie müssen gleichzeitig Mitglied eines der sechs Kontinentalverbände sein.

    Seit 1998 ist der Schweizer Sepp Blatter Präsident des Fußballverbandes.

    Im Jahr 2012 zeichnet der Journalisten-Bund "Netzwerk Recherche" die FIFA mit der sogenannten Verschlossenen Auster aus. Damit prangerten die Journalisten die Ignoranz des Fußballverbandes gegenüber wiederholten kritischen Medienanfragen an.

    Die FIFA ist seit Jahren mit Vorwürfen der Korruption und Schmiergeldzahlungen konfrontiert.

    Im Jahr 2014 verfügte die FIFA über ein Kapital von 1,523 Milliarden Dollar.

    Am 27. Mai 2015 eröffnet die Schweizer Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar ein Strafverfahren.

    Obwohl die Europäer bei der Sitzung des Exekutivkomitees am Samstag mit der Bestätigung der WM-Startplätze für 2018 und 2022 zumindest keine fußballpolitische Niederlage hinnehmen mussten, spitzt sich der Konflikt weiter zu. "Ich vergebe jedem, aber ich vergesse nicht", sagte Blatter zu den direkten Rücktrittsforderungen von Platini. Die UEFA will vor dem Champions-League-Finale in Berlin in der kommenden Woche ihre Strategie beraten. Die Zeichen deuten jedoch darauf hin, dass Niersbach auf seinen Sitz im FIFA-Exko im Gegensatz zum Engländer David Gill nicht verzichtet.

    Der Vorstoß Platinis und die Festnahmen von sieben Funktionären in Zürich zwei Tage vor der Wahl auf Antrag von US-Behörden seien "kein Zufall", vermutete Blatter. Zudem wollte er einen Zusammenhang zwischen seinem Herausforderer, dem Jordanier Prinz Ali bin al-Hussein, und den USA erkennen. "Man darf nicht vergessen, dass sie der Hauptsponsor des haschemitischen Königsreichs sind, also von meinem Gegner. Diese Sache riecht nicht gut", sagte Blatter. Von Arne Richter und Florian Lütticke, dpa

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