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FIFA-Krise: Blatter, Platini, Niersbach: Wer hat welche Interessen in der FIFA-Krise?

FIFA-Krise

Blatter, Platini, Niersbach: Wer hat welche Interessen in der FIFA-Krise?

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    Die FIFA rechnet mit einem langen Kongress-Tag.
    Die FIFA rechnet mit einem langen Kongress-Tag. Foto: Alessandro Della Bella (dpa)

    Nach dramatischen Stunden in Zürich steht der Fußball-Weltverband vor der Wahl eines neuen Präsidenten - der höchstwahrscheinlich der alte sein wird. Joseph Blatter hat trotz aller Kritik die Rücktrittsforderungen abschütteln können. UEFA und DFB müssen sich wohl eine neue Strategien überlegen, um den ungeliebten Schweizer zu besiegen. 

    Wie hat es FIFA-Chef Joseph Blatter doch wieder geschafft, einen Rücktritt einfach ablehnen zu können?

    Die Situation schien für Blatter zwischenzeitlich tatsächlich prekär. Doch letztlich musste der Machtmensch wieder nur seinem untrüglichem Instinkt folgen und alles machen wie immer: Erst schweigen, dann beschwichtigen und schließlich sich selbst zum Problemlöser erklären, der die Feinde der Fußball- und FIFA-Familie eliminieren wird. Seine Bande zu den Freunden in Afrika und Asien sind so stark, dass ihm wenig passieren kann. Rechtfertigen muss er sich nur vor dem lammfrommen Wahlvolk, nicht vor der empörten Weltöffentlichkeit.

    Wieso hat die UEFA ihre Boykott-Drohung nicht wahr gemacht?

    Die FIFA-Skandale unter der Führung von Präsident Joseph Blatter

    DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL 1998: Der damalige FIFA-Generalsekretär Joseph Blatter gewinnt die Präsidentschaftswahl gegen UEFA-Präsident Lennart Johansson kurz vor WM-Beginn in Frankreich. Bis heute stehen Vorwürfe über angebliche Zahlungen von je 50.000 Dollar an afrikanische Delegierte in einem Pariser Hotel im Raum, die Blatter beharrlich zurückweist.

    DER ISL-SKANDAL: Blatters Präsidentschafts-Vorgänger Joao Havelange und dessen ehemaliger Schwiegersohn Ricardo Teixeira kassierten Millionen Schmiergeld für WM-Marketing-Deals mit dem später Pleite gegangenen Vermarkter ISL. Blatter wurde von allen Verdächtigungen freigesprochen, obwohl er 1997 als Generalsekretär eine Zahlung an Havelange von 1,5 Millionen Schweizer Franken persönlich zurücküberwiesen und somit offenbar zumindest Kenntnis vom System hatte.

    DIE WM-VERGABE 2018 UND 2022: Schon vor der Doppel-Vergabe an Russland und Katar wurden zwei FIFA-Exekutivmitglieder wegen nachgewiesener Bestechlichkeit suspendiert. Die Vorwürfe gegen die beiden künftigen Gastgeber wurden schließlich aufwändig von der FIFA untersucht, aber von den Ethikhütern ohne maßgebliche Ergebnisse eingestellt. Der Generalverdacht wurde aber nie entkräftet. Vom damaligen Exekutivkomitee sind künftig wohl nur noch acht von damals 22 Mitgliedern in dem mächtigen Gremium.

    DIE PRÄSIDENTSCHAFTSWAHL 2011: Lange schien es, als könne der Katarer Mohamed bin Hammam Blatter bei der Wahl 2011 tatsächlich gefährlich werden. Dann stolperte der Funktionär kurz vor der Abstimmung über konkrete Bestechungsvorwürfe aus der Karibik. Die 35 Stimmen aus der CONCACAF-Zone galten als entscheidend. Blatter hatte den Verbänden eine Million Dollar als offizielle FIFA-Zuwendung versprochen. Bin Hammam versuchte es inoffiziell mit 40.000 Dollar pro Verband - und flog auf, weil ihn andere mittlerweile der Korruption überführte Funktionäre anschwärzten.

    WM-TICKETS: Der Umgang mit von Millionen Fans begehrten WM-Tickets im Exekutivkomitee war schon häufig lax. Jack Warner trieb es 2006 auf die Spitze, als er die Vermarktung in seinem für das Turnier in Deutschland qualifizierten Heimatland Trinidad und Tobago übernahm. Sein Familienunternehmen strich angeblich 900.000 Dollar Provisionen ein. Die FIFA-Untersuchungen konnte keine Verdachtsmomente gegen Warner, sondern nur gegen dessen Sohn ergeben. Warner senior kam mit einer Verwarnung davon. Warners Exko-Kollege Ismail Bhamjee aus Botswana wurde 2006 überführt, zwölf WM-Karten auf dem Schwarzmarkt verkauft zu haben. 2014 in Brasilien gab es Berichte über vermutlich illegal veräußerte WM-Karten aus dem Besitz des mittlerweile verstorbenen argentinischen Topfunktionärs Julio Grondona.

    Der UEFA-Spitze um Michel Platini fehlte es schlicht an der notwendigen Unterstützung im eigenen Verband. Russlands Multi-Funktionär Witali Mutko und der Spanier Angel Maria Villar Llona sind enge Blatter-Freunde und werden wohl sogar für den Schweizer stimmen. Sie hätten einen Boykott nicht mitgetragen. So musste Platini zurückrudern. Eventuell siegte aber auch die Einsicht, dass ein Boykott letztlich der UEFA selber schaden würde. Eine Spaltung der FIFA kann auch nicht im Interesse Platinis sein.

    Wie ernst sind die Drohungen eines WM-Boykotts von UEFA-Boss Platini?

     Da ist viel Funktionärs-Getrommel dabei. Platini muss von seiner Niederlage in der Boykott-Frage ablenken und den Druck auf Blatter hochhalten. Nur so kann er bei der erwarteten Fortsetzung des Machtkampfs der Fußball-Alphatiere nach dem Kongress den nächsten Stich gegen den Schweizer setzen. Der Franzose hat zwar schon oft mit der Umsetzung abstrus wirkender Ideen überrascht - wie bei der Pan-Europa-EM 2020 - ein WM-Boykott oder ein Ausstieg aller Europäer aus dem FIFA-Exko ist aber eine unvorstellbare Eskalationsstufe.

    Welche Rolle spielt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in dem FIFA-Drama?

    Niersbach hat sich früh an Platinis Seite gestellt. Im FIFA-Exko ist er damit automatisch ein Gegner Blatters. Der Gedanke an einen Verzicht auf das FIFA-Amt, wie vom Engländer David Gill angekündigt, ist Niersbach unangenehm. Er spürt auch die Forderung des DFB, den deutschen Fußball zu repräsentieren. Mit einer Ausnahme (1998 bis 2002) ist der größte Sportfachverband der Welt seit 1968 in dem wichtigen Gremium vertreten. Niersbach weiß: Gestalten kann er einen Wandel der FIFA besser, wenn er mit an den Schalthebeln setzt. Auch wenn der große Gegner diese fest in den Händen hält. AZ/dpa

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