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FC Bayern-Drama: Desaster dahoam

FC Bayern-Drama

Desaster dahoam

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    Thomas Müller`s Tor hat nicht gereicht: Der FC Bayern verliert das Champions League-Finale.
    Thomas Müller`s Tor hat nicht gereicht: Der FC Bayern verliert das Champions League-Finale. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Man kennt die Geschichte aus dem richtigen Leben. Der Mensch, der ein Ziel hat. Es ist fern, aber sein Wille, es zu erreichen, ist unerschütterlich. Er schaut nicht mehr links und nicht mehr rechts. Darunter leiden die Freunde, der Garten, der Hund. Irgendwann ist die Prüfung bestanden, der Gipfel erklommen, das Finale. Als Erster steht der Zielstrebige vor der Schatztruhe mit der silbernen Trophäe. Jetzt muss er sie nur noch herausnehmen, den Sack zumachen, wie es in der Fußballersprache heißt – und dann im Triumphzug nach Hause.

    Aber der Sack lässt sich nicht schließen. Und plötzlich kehrt sich alles gegen den Strebsamen. Der Garten ist verdorrt, Freunde und Hund ignorieren ihn. Alles, was er geopfert hat, schmerzt nun zwei- und dreifach. Derweil sammelt ein anderer die Silbervase ein.

    Von jenem Tag, an dem der Europäische Fußball-Verband Uefa verkündete, das Finale der  Champions League 2012 werde in München stattfinden, hatte der FC Bayern vor allem ein Ziel: dieses Endspiel in der Allianz-Arena im eigenen Stadion zu erreichen. Schon zweimal, 1993 und 1997, war München Finalort – und der FC Bayern war nur Zuschauer. So etwas, hat der heutige Präsident Uli Hoeneß damals erklärt, dürfe sich nicht wiederholen.

    Trotz Liga- und Pokal-Pleiten zog das "Finale dahoam" den FC Bayern auf Kurs

    Das Ziel „Finale dahoam“ war wie ein Magnet, der die mitunter schlingernde Truppe immer wieder auf Kurs gebracht hat. Zuletzt beim 2:5-Debakel im DFB-Pokal-Finale gegen Dortmund. Ein Ergebnis, das geeignet war, den Verein für ein Jahr zuzusperren. Stattdessen haben die Bayern einfach über die Pleite hinweggesehen und den Blick auf den 19. Mai gerichtet, das große Finale in München. Daheim, wo sie in dieser Champions-League-Saison alle sieben Heimspiele gewonnen haben, wo der Großteil der 62 500 Zuschauer hinter ihnen stehen würde; dieses eine Mal vielleicht sogar die gesamte Republik.

    Nicht selten geht einer unter solchem Druck in die Knie. Die Bayern aber sind an diesem Abend, der in eine opernhafte Inszenierung gebettet war, stehen geblieben. Sie waren dem Triumph näher als der FC Chelsea – und mussten ihn nach Verlängerung und Elfmeterschießen doch den Engländern überlassen.

    Am Ende wendete sich ihr Ziel, das Finale dahoam, gegen sie wie der Hund und die Freunde. Man darf dem FC Bayern in der Königsklasse inzwischen einen Hang zum großen Drama zuschreiben. Von ihren letzten vier Champions-League-Finals haben sie drei verloren. Eines, das 1:2 in der Nachspielzeit 1999 gegen Manchester United, ging als Mutter aller Niederlagen in die Fußballgeschichte ein, am Samstag kosteten sie den bitteren Kelch gar bis zum letzten Tropfen aus.

    Dreimal Zweiter: Silber gilt im Fußball als Etikett der Verlierer

    Ja, hätte das Spiel in Istanbul oder Kopenhagen stattgefunden – alles wäre etwas weniger bitter gewesen. So aber mussten die Geschlagenen vor eigenem Publikum und landesweit 16,7 Millionen Zuschauern vor dem Fernseher durch das Spalier der Sieger gehen, um die Silbermedaille in Empfang zu nehmen

    Silber aber ist im Fußball das Etikett der Verlierer. Das gilt für den deutschen Rekordmeister besonders. Ab Platz zwei in der Bundesliga-Tabelle beginnt für den FC Bayern, nach eigenem Empfinden, die Krisenregion. Nirgendwo im Lande sind die Ansprüche höher als dort.

    Nun sind die Münchner in dieser Saison dreimal Zweiter geworden. In der Meisterschaft, im DFB-Pokal, in der Champions League. Bayer Leverkusen hat 2002 das gleiche Schicksal ereilt, was dem Klub das spöttelnde „Vizekusen“ eintrug. Bloß gut, dass sich in den Namen des Rekordmeisters der „Vize“ nicht ganz so geschmeidig einfügen lässt. „Wir haben immer über Leverkusen gelächelt“, räumt Hoeneß ein, „jetzt sind wir in einer ähnlichen Situation.“

    Schlimm genug, dass es auf dem Briefkopf des FC Bayern, der alle Triumphe der Münchner dokumentiert, schon im zweiten Jahr hintereinander keine Bewegung gibt. Stillstand dort, wo ihn Hoeneß & Co. am meisten verabscheuen.

    Trainer Heynckes zieht ein skurriles Fazit

    Jupp Heynckes kennt das zur Genüge, auch wenn sein Fazit etwas skurril klingt: „Wenn man zwei Jahre keinen Titel geholt hat, ist das für den FC Bayern keine gute Saison.“ Es ist weit nach Mitternacht, als der 67-Jährige zur Pressekonferenz erscheint. Der Uefa-Delegierte auf dem Podium neben Heynckes begrüßt die 150 Journalisten mit „Good Morning.“ Heynckes schmunzelt.

    Er sieht nicht aus wie einer, der wahrscheinlich soeben das letzte große Finale seiner Karriere verloren hat. Er trägt jenen grauen, schlecht sitzenden Dienstanzug, der aussieht, als hätte er ihn im Secondhandladen für Senioren gekauft. Heynckes interessieren keine Äußerlichkeiten.

    Andererseits färbt der Anzug auf ihn ab. Jupp Heynckes war nie jung. Auch als Spieler nicht. Damals, als Torjäger bei Borussia Mönchengladbach. Später als Trainer erwarb er sich den Beinamen „Osram“. War er verärgert, kniff er die Lippen zusammen und schwieg, während der Blutdruck ein dunkelrotes Leuchten im Gesicht erzeugte. Inzwischen gibt es nicht mehr vieles, was ihn ärgern kann. „Ich habe im Fußball fast alles erlebt“, sagt Heynckes gelassen. Dazu gehört auch ein Champions-League-Sieg mit Real Madrid. Acht Tage später haben ihn die Madrilenen entlassen, weil nicht Real, sondern der Erzrivale Barcelona die Meisterschaft gewann.

    Vergleichbares wird ihm in München nicht widerfahren. Es ist seine dritte Amtszeit beim FC Bayern und die Leute mögen seine unprätentiöse, manchmal auch noch immer unbeholfene Art. Wenn Heynckes ins Schleudern gerät, verwechselt er gelegentlich Begriffe. Mit dem charmanten Ergebnis, dass die falschen Worte oft treffender sind als die richtigen. So hat er verkündet: „Die Spieler hatten die große Illusion, die Champions League in München zu gewinnen.“ Was sie hatten, war Hoffnung, zur Illusion wurde sie hinterher.

    Das Spiel steht und fällt mit "Robbery"

    Der 67-jährige Heynckes war genau der Trainer, den die Münchner nach den Abenteuern mit Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal wollten. Einen berechenbaren Moderator und Friedensstifter, der nicht die Nerven verliert, wenn sich die beiden Diven Ribéry und Robben kloppen. Keinen, der gegen das Präsidium arbeitet, als Pfau durch die Gegend stolziert oder ständig Ärger mit den Medien hat.

    Was den Bayern mit Heynckes fehlt, ist ein nach vorne orientierter Trainer, der ein Konzept entwickelt, das über ihr durchschaubares Spiel hinausgeht. Es steht und fällt mit „Robbery“, den beiden Egomanen an den Außenlinien. Fühlen sie sich von der Muse geküsst, zerlegen sie Betonmauern. Haben sie schlecht geschlafen, flanieren sie schattenhaft über den Rasen.

    Auch an guten Tagen können sie schon lange nicht mehr so, wie sie wollen, weil der Gegner gerne mehrere Akteure als Bewacher abstellt.

    Schwere Niederlagen, wie die vorliegende, ziehen nicht nur im Sport oft Zäsuren nach sich. Man kann sich also gut vorstellen, wie Hoeneß & Co. in den nächsten Wochen durch die Vorstandszimmer tigern werden, um wieder in Zukunft mal ein Finale zu gewinnen. Schon in seiner nächtlichen Bankettrede hat Rummenigge eine Aufarbeitung der Niederlage angekündigt. Den personellen Rundumschlag allerdings kann es kaum geben.

    Was Hoeneß von der Mannschaft verlangt

    Heynckes’ Vertrag läuft noch bis 2013. Die Bayern würden ihn sogar gern noch länger behalten. Ein großflächiger Umbau der Mannschaft ist ausgeschlossen. Kroos, Müller, Badstuber, Boateng sind gerade dem U-21-Alter entwachsen. Alaba ist noch mittendrin. Neuer ist 25, Gomez ein Jahr älter. Selbst Lahm und Schweinsteiger, die beiden stärksten Bayern-Spieler des Samstagsfinales, können mit ihren 28 und 27 Jahren noch etliche Endspiele gewinnen.

    Aber daran mag jetzt keiner denken. Das Leben wird, auch wenn sich das im Moment niemand beim FC Bayern vorstellen mag, irgendwie weitergehen. Als Erster war, wie so oft, Uli Hoeneß zu klaren Sätzen fähig: „Auf Dauer habe ich keine Lust, immer Platz zwei zu belegen. Das ist kein Zustand, den ich akzeptieren kann“, zürnte der Präsident.

    Beim FC Bayern darf man das als Drohung werten.

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