Den Oberschenkelmuskel „Musculus quadriceps femoris“ haben schon viele Sportler verflucht. Eisenhart gestählt sichert er den Alpinisten trotz halsbrecherischer Geschwindigkeit die Abfahrts-Hocke bis in den Zielhang, entzündet und angeschlagen erlaubt er ihnen nicht einmal das Schuhebinden. Ein geschädigter Musculus quadriceps femoris kann Karrieren beenden und Beziehungen belasten.
Im aktuellen Fall gehört der schmerzende Oberschenkelmuskel der deutschen Eiskunstläuferin Aljona Savchenko. Seit einem Sturz vor zwei Wochen ist er verhärtet und schmerzt so, dass sie mit ihrem Partner Robin Szolkowy den Start bei der Europameisterschaft abgesagt hat. Und fast hätte dieser Muskel dabei das seit Langem angespannte Verhältnis zwischen den dreifachen Weltmeistern, ihrem Trainer Ingo Steuer und den Verbänden vor die nächste Zerreißprobe gestellt.
Da Savchenko/Szolkowy seit Jahren die einzigen Medaillensammler für die Deutsche Eislauf-Union sind, hat man sich dort zähneknirschend mit dem ehemaligen Stasi-Informanten Ingo Steuer als Trainer arrangiert. Aber obwohl er seine Goldläufer als Faustpfand wirksam einzusetzen weiß, fließt das Geld vom Verband nur spärlich. So ist das Trio darauf angewiesen, seinen Lebensunterhalt mit hoch dotierten Eislauf-Shows zu verdienen. Der verhärtete Muskel hätte dem beinahe ein Ende gesetzt.
Gesperrter Olympiasieger
Die Internationale Eislauf-Union (ISU) befürchtet nämlich schon lange, von den Spitzenläufern ihrer Mitgliedsländer zum Narren gehalten zu werden, und hat deshalb einen Beschluss verfasst, der so in der Geschichte des Spitzensports einmalig sein dürfte: Wer eine EM oder WM schwänzt, darf in der Zeit danach auch keine lukrativen Eis-Shows laufen. An Olympiasieger Jewgeni Pluschenko wurde schon mal ein Exempel statuiert. Weil er die Weltmeisterschaft 2010 ausließ, wurde er ein Jahr für jegliche Shows gesperrt.
Diese Regelung bedrohte auch die Paarläufer Aljona Savchenko und Robin Szolkowy, hätte nicht ein ärztliches Attest ausdrücklich die Schwere und Nachhaltigkeit der Verletzung bestätigt. Der deutsche Mannschaftsarzt konnte der ISU einleuchtend erklären, dass der Muskel nicht nur zwickt, sondern wirklich schmerzt. Er machte klar, dass Dreifachsprünge bei der EM für die Läuferin momentan zu riskant sind, dass der Muskel in zwei Wochen bei der Eis-Tournee in Zürich aber durchaus geheilt sein könnte.
Bei so viel Fachkenntnis rund um den Musculus quadriceps femoris mochte dann sogar die kritische ISU nicht mehr an der Ehrlichkeit der Athleten zweifeln.