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Eishockey: Bundestrainer Sturm über Talente und sein Bauchgefühl

Eishockey

Bundestrainer Sturm über Talente und sein Bauchgefühl

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    Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm gibt am Ende der kommenden Woche den Kader Nationalmannschaft für den Deutschland Cup bekannt.
    Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm gibt am Ende der kommenden Woche den Kader Nationalmannschaft für den Deutschland Cup bekannt. Foto: dpa

    Herr Sturm, sowohl beim ERC Ingolstadt (Timo Pielmeier, Fabio Wagner, David Elsner) als auch bei den Augsburger Panthern (Thomas Holzmann, Daniel Schmölz, Jaroslav Hafenrichter) stehen Akteure im Kader, die in jüngerer Vergangenheit bei DEB-Maßnahmen vertreten waren. Wie intensiv verfolgen Sie – auch im Hinblick auf den Deutschland-Cup (8. bis 11. November) in Krefeld – die Entwicklung dieser Spieler?

    Sturm: Schon sehr intensiv – wie im Übrigen auch von jedem anderen deutschen Akteur, die bereits für die Nationalmannschaft gespielt hat beziehungsweise ein Thema für uns werden könnte. Diesbezüglich geht mein Blick aber natürlich auch schon in die Zukunft. Im Januar beziehungsweise Februar haben wir zum ersten Mal eine U 24/U 25-Maßnahme, die unter anderem zwei Partien gegen die Schweiz beinhaltet. Und da sind auch bei den von Ihnen genannten Teams auf alle Fälle interessante Kandidaten dabei.

    Trifft das auch auf den Kader für den Deutschland-Cup zu?

    Sturm: Selbstverständlich. Einige von diesen Jungs habe ich ja erst vor einigen Monaten persönlich kennengelernt. Das war auf alle Fälle sehr positiv. Die Bekanntgabe des Kaders wird wohl Ende der kommenden Woche erfolgen. Wer dann letztlich tatsächlich im Aufgebot stehen wird, muss man sehen. Da spielt sicherlich auch eine gewisse Bauchentscheidung eine Rolle.

    Marco Sternheimer stammt aus dem Nachwuchs des AEV.
    Marco Sternheimer stammt aus dem Nachwuchs des AEV. Foto: Siegfried Kerpf

    Sturm hat AEV-Talent Sternheimer im Blick

    Bleiben wir konkret bei den „jungen Wilden“! Beim ERC Ingolstadt hat sich in dieser Saison Tim Wohlgemuth (19 Jahre) in den Vordergrund gespielt, während bei Augsburg Marco Sternheimer (20) positiv überrascht! Sind das Akteure, die Sie für die Zukunft besonders auf dem Rader haben?

    Sturm: Ja, absolut! Tim ist ja aktueller U 20-Nationalspieler. Hier haben wir ja im Dezember die WM in Füssen, wo er sicherlich dabei sein wird. Da schauen wir definitiv ganz genau drauf. Aber auch auf die anderen Jungs richtet sich unser Blick bezüglich der bereits beschriebenen U 24/U 25-Maßnahme jetzt noch intensiver. Dass gerade die jungen Spieler in der Lage sind, sehr gutes Eishockey zu absolvieren, hat zuletzt die WM wieder gezeigt. Von dem her möchte ich einfach immer auf dem neuesten Stand und bestens vorbereitet sein.

    Sie sind seit nunmehr 2015 Bundestrainer und General Manager der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft. Wenn man diese Zeit einmal Revue passieren lässt: Hat sich in den vergangenen drei Jahren die Entwicklung von jungen deutschen Spielern in der DEL zum Positiven verändert?

    Sturm: Im oberen Bereich denke ich eher nicht. Wo es aber definitiv Veränderungen gegeben hat, ist im Nachwuchsbereich. Wir haben beispielsweise das sogenannte „Fünf-Sterne-Projekt“ gestartet, das sich in eine gute Richtung entwickelt. Man sieht ganz deutlich, dass die Vereine immer mehr „Kids“ hinzugewinnen. Um dann in der Spitze davon zu profitieren, dauert es schlichtweg seine Zeit. In diesem Bereich merkt man schon den größten Unterschied, seit ich beim DEB angefangen habe. An allen anderen Themen müssen wir hart weiterarbeiten, um uns entsprechend nachhaltig zu verbessern.

    Ob dann auch ein Augsburger oder Ingolstädter Panther auf dem Spielberichtsbogen stehen wird lässt Sturm aber noch offen.
    Ob dann auch ein Augsburger oder Ingolstädter Panther auf dem Spielberichtsbogen stehen wird lässt Sturm aber noch offen. Foto: dpa

    Seit dieser Saison gibt es in der Deutschen Eishockey-Liga eine Regeländerung: Um einen 19. Feldspieler auf den Spielberichtsbogen schreiben zu können, muss dieser U 23 oder jünger sein. Ist das ein Schritt in die richtige Richtung oder nur ein „Alibi“?

    Sturm: Da bin ich jetzt der Falsche, der darauf antworten soll (lacht). Nein, es ist sicherlich ein guter Anfang. Aber ich blicke in diesem Fall immer auf das „Endresultat“ – und das ist die Nationalmannschaft! Ich bin einfach der Meinung, dass wenn man dauerhaft unter den „Top Acht“ oder „Top Zehn“ bleiben möchte, dann wird es unter diesen Voraussetzungen schwierig. Das „Schlimme“ daran ist, dass die Top-Nationen an erstklassigen Talenten immer weiter zunehmen, da es in diesen Ländern ganz andere Förderungen gibt. Und das macht es für uns sicherlich nicht leichter.

    Wenn Sie heute mit deutschen Vereins- oder Verbandsfunktionären sprechen: Haben Sie den Eindruck, dass diese – gerade mit dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang im Rücken – nun offener für Veränderungen sind oder werden doch noch vermehrt die alten Strukturen verteidigt?

    Sturm: Nein, ich denke schon, dass jedem bewusst ist beziehungsweise bewusst sein sollte, woran wir noch arbeiten müssen. Was jetzt die DEB-Seite betrifft, werden wir uns nach den Olympischen Spielen sicherlich nicht auf die faule Haut legen. Im Gegenteil. Und ich hoffe, dass alle dieser Meinung sind.

    Nach einem derart großen Erfolg, der in der Regel ja auch immer mit einer riesigen öffentlichen Wahrnehmung verbunden ist, heißt es stets: Man müsse die entstandene Euphorie nutzen und umsetzen! Ist das in Ihren Augen gelungen?

    Sturm: Auf alle Fälle! Ich spüre diese Euphorie vor allem im Nachwuchsbereich. Beispielsweise hat die Anzahl an U 10-Spielern in den Vereinen seit den Olympischen Spielen um 15 Prozent zugenommen. Aber auch in anderen Bereichen hat sich viel verändert. Man wird heutzutage viel öfter auf Eishockey angesprochen – auch von Leuten, die bislang gar nichts damit zu tun hatten. Das öffentliche Interesse ist seit Pyeongchang nochmals deutlich gestiegen. Gleichzeitig muss uns aber auch bewusst sein: Wenn wir weiter auf dieser Erfolgswelle reiten wollen, dann müssen im Grunde auch wieder die gleichen Erfolge her. Doch dazu sind wir momentan einfach noch nicht in der Lage. So realistisch und ehrlich muss man einfach sein.

    Der Silbermedaillen-Gewinn hat dem deutschen Eishockey auch in der NHL geholfen

    Vor allem aus Ihrer aktiven Zeit haben Sie nach wie vor erstklassige Kontakte nach Nordamerika. Haben Sie den Eindruck, dass das deutsche Eishockey seit dem Gewinn der olympischen Silbermedaille in den USA und Kanada anders wahrgenommen wird?

    Sturm: Absolut! Während des Sommers war ich zweimal in Nordamerika – unter anderem beim Draft und einem Trainer-Symposium in Dallas. Wie oft ich darauf angesprochen und mir zu diesem Erfolg gratuliert wurde, war schon unglaublich. Nahezu jeder hat das in Nordamerika verfolgt. Aber man merkt das auch an den deutschen Spielern. Dominik Kahun, Yasin Ehliz, Brooks Macek, Marcel Noebels oder Jonas Müller waren plötzlich für die NHL-Klubs interessant. Das ist einfach schön zu sehen und bestätigt auch die harte Arbeit, die die Jungs in den vergangenen Jahren investiert haben.

    Die Chicago Blackhawks um den deutschen Nationalspieler Dominik Kahun (r) gewannen gegen die St. Louis Blues.
    Die Chicago Blackhawks um den deutschen Nationalspieler Dominik Kahun (r) gewannen gegen die St. Louis Blues. Foto: Kamil Krzaczynski/AP (dpa)

    Dominik Kahun hat sich aktuell bei den Chicago Blackhawks festgebissen, während Yasin Ehliz und Brooks Macek in der AHL auf Torjagd gehen. Sieht es der Bundestrainer Marco Sturm mit einem weinenden und der ehemalige NHL-Star Marco Sturm mit einem lachenden Auge, das immer mehr Deutsche den Sprung nach Nordamerika wagen?

    Sturm: (lacht) Nun, nachdem ich ja selbst viele Jahre in der NHL aktiv war, weiß ich, wie schön es dort ist. Wenn mich ein Spieler fragt, ob er rübergehen soll, bin ich der Erste, der „Ja“ sagt. Ich merke das auch jetzt, wenn ich mit den Jungs drüben spreche. Sie sind einfach nur glücklich, dass sie dabei sind. Es ist einfach eine großartige Erfahrung, die dir keiner mehr nimmt. Nach Deutschland zurück können sie dann immer noch.

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