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Eishexe und Schneewittchen

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Eishexe und Schneewittchen

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    Die Schöne (re.) und das Biest: Nancy Kerrigan und Tony Harding, die sich beim gemeinsamen Training nicht mehr viel zusagen hatten.
    Die Schöne (re.) und das Biest: Nancy Kerrigan und Tony Harding, die sich beim gemeinsamen Training nicht mehr viel zusagen hatten. Foto: dpa

    Es ist der 6. Januar 1994. Ein Tag, der das erfolgsverwöhnte Eiskunstlaufteam der USA in den größten Skandal seiner Geschichte reißt. Die Hauptdarstellerinnen in diesem Drama haben Hollywood-Potenzial. Olympiahoffnung Nancy Kerrigan, eine dunkelhaarige, allseits beliebte Ostküsten-Schönheit, und ihre Konkurrentin Tonya Harding, eine wilde, widerspenstige Blonde mit schwieriger Kindheit aus Portland, Oregon.

    Der Plot: Als Kerrigan nach einem Training für die nationalen Meisterschaften das Eis verlässt, wird ihr von einem Unbekannten hinterrücks mit einer Eisenstange aufs rechte Knie geschlagen. Filmdokumente zeigen, wie Kerrigan im weißen Kleidchen tränenüberströmt zu Boden sinkt und verzweifelt immer wieder „Why me?“ schreit (Warum ich?), bevor sie von Sanitätern ins Krankenhaus gebracht wird. Kurz darauf gewinnt ihre Konkurrentin Tonya Harding die amerikanischen Titelkämpfe und qualifiziert sich für die Olympischen Spiele.

    Doch schnell macht eine unglaubliche Erkenntnis die Runde. Der Angreifer, der zügig festgenommen wird, erklärt, er sei von Hardings Mann angeheuert und bezahlt worden, um Kerrigan zu verletzen und für künftige Wettkämpfe auszuschalten. Der Skandal ist perfekt. Niemand glaubt Tonya Hardings anfänglichen Beteuerungen, sie hätte von dem geplanten Anschlag nichts gewusst.

    Dass die genesene Kerrigan und Harding bei den Olympischen Spielen im norwegischen Lillehammer tatsächlich aufeinandertreffen und sogar zum gemeinsamen Training aufs Eis müssen, ist ein gefundenes Fressen für die Medien. Jeder Schritt, jeder Blick der verhassten Rivalinnen wird dokumentiert. „Die Schöne und das Biest“, „liebreizendes Schneewittchen gegen böse Eishexe“– so lauten die Schlagzeilen. Tonya Harding wird den Ruf der fiesen Intrigantin nicht mehr los.

    Auch sportlich bricht die hochtalentierte Eiskunstläuferin, die als erster Frau in den USA einen dreifacher Axel in einem Wettbewerb stand, ein. Während Kerrigan in Lillehammer olympisches Silber holt, reicht es für die Konkurrentin nur zu Platz acht.

    Drei Jahre Bewährung

    Endgültig vorbei mit der sportlichen Karriere ist es für Tonya Harding, als sie vor Gericht tatsächlich wegen Mitwisserschaft und Justizverhinderung verurteilt wird. Die Folge: drei Jahre Haft auf Bewährung, eine Zahlung von 160000 Dollar und eine lebenslange Sperre in ihrem Sport. Ihr öffentliches Geständnis folgt spät. „Ich wusste, dass da was lief. Ich habe gehört, wie sie (ihr Ex-Mann und ihr Bodyguard, Anm. d. Red) darüber geredet haben“, räumt Harding erst zwei Jahrzehnte später in einem Interview ein.

    Für beide Sportlerinnen ändert sich ihr Leben nach dem Attentat grundlegend. Kerrigan verkraftet den Rummel um ihre Person nicht und schottet sich immer mehr ab. Die heute dreifache Mutter konzentriert sich auf ihr Familienleben und ist bemüht, ihre Essstörungen in den Griff zu bekommen. Die „Eishexe“ Harding hingegen versucht, aus ihrer dubiosen Popularität Profit zu schlagen. Sie heiratet noch zweimal, arbeitet als Managerin eines Wrestling-Studios, spielt in minderwertigen Billigfilmen mit und tritt in verschiedenen Shows auf. Als die tragische Geschichte der beiden Eisprinzessinnen unter dem Titel „I, Tonya“ im Jahr 2018 tatsächlich in die Kinos kommt, läuft Harding selbstbewusst über den roten Teppich, bedauert und entschuldigt sich öffentlich mehrmals. Doch Kerrigan hingegen will von all dem nichts mehr wissen. Sie verweist lediglich darauf, dass sie das Opfer gewesen sei. Bis heute hat sie ihrer Konkurrentin nicht verziehen.

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