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EM-Auftakt I: Deutschland steht gut da

EM-Auftakt I

Deutschland steht gut da

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    Danzig Joachim Löw ist kein Sprachschöpfer. Seine Sätze kommen zwar mitunter etwas schnörkelig daher – ein Eindruck, den sein warmes Schwarzwald-Schwäbisch noch verstärkt –, aber verdichtende, gar künstlerische Sprachbilder oder treffende Vergleiche gelingen ihm selten. Samstagnacht, nach dem 1:0-Sieg im Auftaktspiel gegen Portugal, überraschte er mit einem sprachlichen Querpass zum Motorsport. „Der Start bei einer EM“, verglich Löw, „ist wie ein Formel-1-Rennen ohne Warm-up.“

    Das heißt nicht, dass die Mannschaften „kalt“ an den Start gehen, sondern beschreibt die Unsicherheit der Spieler zum Turnierstart. Diese Unsicherheit ist in den Köpfen zu Hause, nicht in den Körpern. Deutsche und Portugiesen haben sie nach anfänglich statischem Spiel zum Vergnügen der 33000 Zuschauer, von denen etwa drei Viertel Deutsche waren, bald abgelegt.

    Anders als bei Weltmeisterschaften mit 32 Teilnehmern, wo in jeder Gruppe ein Warmspielgegner steckt, gibt es bei Europameisterschaften kein Warm-up. Auch daran hat der Bundestrainer erinnert. Löw war daran gelegen, dem Auftritt seiner Elf gehobenen Wert zukommen zu lassen. Es waren ja nicht Schweizer oder Israelis, gegen die Deutschland die ersten drei EM-Punkte eingefahren hat, sondern Ronaldo, Nani & Co. Offensiv-Weltklasse also, die jede Viererkette an die Grenzen ihrer Belastbarkeit treibt.

    Löw („Wir haben enorm gut verteidigt“) war mit seiner Abwehr zufrieden. Der Bundestrainer hatte etwas überraschend den Dortmunder Mats Hummels in die Innenverteidigung gestellt und Per Mertesacker auf die Bank gesetzt. Die zweite Personalüberraschung war der Vorzug, den er Mario Gomez gegenüber Miroslav Klose gegeben hatte.

    Beide Entscheidungen zeigten erfreuliche Wirkung. Hummels war stärkster Akteur in der Viererkette und Gomez köpfte das entscheidende 1:0 (72.). Zu diesem Zeitpunkt stand Klose schon an der Außenlinie zur Einwechslung bereit. Weil der Schiedsrichter-Assistent etwas lange für die Vorbereitung benötigte, waren Gomez noch einige Augenblicke vergönnt, die er gewinnbringend nutzte.

    Dass die Aufstellungsvariante schon Stunden vor dem Anpfiff die Medien erreicht hatte, lässt auf einen Maulwurf in der deutschen EM-Expedition schließen. Er werde nicht nachforschen, wo die Lücke ist, erklärte der Bundestrainer. Man muss das nicht glauben. Möglicherweise forscht ja ein anderer. Ein Projekt, das so akribisch vorbereitet ist wie eine deutsche EM-Teilnahme, möchte Löw nicht durch Geschwätzigkeit in Gefahr gebracht sehen. Andererseits war Löw an diesem Abend einfach zu gut gelaunt, um sich die Stimmung verderben zu lassen. Seine Mannschaft hatte die Erwartungen erfüllt, wenn auch am Ende mit Glück gewonnen. Schon in der ersten Halbzeit war ein Pepe-Schuss von der Unterseite des Querbalkens auf die Torlinie gesprungen.

    Zum Schluss, als Portugal alles nach vorne warf, rettete wieder der Querbalken. Dazwischen verhinderten Neuer, Badstuber und Boateng den Ausgleich. „Wir haben sehr viel Pech gehabt“, ärgerte sich Portugals Trainer Paulo Bento. Das stimmt, aber damit allein ist Portugals Niederlage nicht zu erklären. Vielmehr stachen Bentos größte Trümpfe nur gelegentlich. Boateng hatte Ronaldo lange im Griff, und Nani konnte aus Lahms Schwäche wenig Kapital schlagen.

    Aus deutscher Sicht ärgerlich war das Verhalten eines Teils seiner Fans, die Papierkugeln auf die portugiesischen Spieler warfen und später eine Rauchbombe entzündeten. Lautsprecher-Durchsagen verhallten ungehört. Nun dürfte sich die Europäische Fußball-Union Uefa der Vorfälle annehmen. Der Verband hat schon im Fall russischer Fans, die in der Partie gegen Tschechien beleidigende Spruchbänder enthüllt hatten, angedeutet, dass er derartige Verstöße bestrafen werde.

    Früh einzuschreiten ist angesichts der brisanten Partie am Mittwoch gegen die Niederlande (20.45 Uhr/ZDF) keine schlechte Idee. Für das hoch veranlagte Oranje-Team geht es nach der überraschenden Pleite gegen Dänemark um alles oder nichts. „Ein Unentschieden wäre mir lieber gewesen“, räumte Löw ein, der nun fürchten muss, dass die mit dem Rücken zur Wand stehenden Holländer alles abrufen, was in ihnen steckt.

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