Wenn sich Joachim Löw einen Spieler für die deutsche Nationalmannschaft aussuchen könnte - es wäre wohl ein Stoßstürmer der Marke Robert Lewandowski. Eine richtige Nummer 9 wie es sie bei den Münchnern gibt, sucht man im DFB-Kader vergebens. Timo Werner vom FC Chelsea ist zwar hochveranlagt, aber mit seiner Schnelligkeit ein anderer Spielertyp. Der überraschend nominierte Kevin Volland, der diese Position spielt, ist wohl eher als Ersatz eingeplant.
Das führte dazu, dass zuletzt des öfteren einer ganz vorne zu finden war, der im Verein über die Flügel kommt: Serge Gnabry. Auch im ersten Testspiel seit Bezug des Trainingslagers in Seelfeld gegen Dänemark (Mittwoch, 21 Uhr) wird Gnabry wohl vorne spielen.
Nur Kroos und Müller haben mehr DFB-Tore als Gnabry
Die Torquote, die der 25-Jährige in der Nationalmannschaft vorweist, kann sich sehen lassen: In bislang 19 Spielen gelangen ihm 15 Treffer, ebenso viele wie Werner in 37 Partien. Mehr Tore haben im aktuellen Kader nur Toni Kroos (17 in 101 Spielen) und Thomas Müller (38 Tore in 100 Spielen), wobei beide deutlich öfter zum Einsatz gekommen waren.
Gut möglich, dass Gnabry also auch bei der EM in vorderster Angriffslinie zu finden sein wird. Dass diese Rolle als Mittelstürmer zwar ungewohnt ist, aber sogar mehr Spaß macht als die des Flügelflitzers, begründete Gnabry auf der Pressekonferenz ebenso knapp wie anschaulich: "Weil du da näher am Tor bist." Fast obligatorisch in diesem Zusammenhang: Die Frage des Journalisten nach einem Vorsatz, wie viele Tore es denn bei der EM sein sollen. Ungewöhnlich, dass Gnabry diese Frage nicht umdribbelte, sondern offensiv bekannte: "Ich möchte in jedem Spiel ein Tor schießen." Mit einem Lächeln fügte der 25-Jährige an: "Das wäre dann glaub ich super."
Tatsächlich wäre ein Tor pro Spiel eine Quote, mit der jeder im DFB-Team gut bis sehr gut leben könnte - nicht zuletzt Gnabry selbst, der betonte: "Ich werde mir Mühe geben, einen Stoßstürmer zu imitieren." Letztlich sei die Aufgabe, die fehlende 9 im DFB-Dress zu ersetzen, natürlich eine der gesamten Mannschaft. Hilfreich aus Sicht des Bayern-Spielers: Mit der Rückkehr von Müller sowie den wohl gesetzten Leroy Sané, Joshua Kimmich und Manuel Neuer wird wohl ein Bayern-Block in der Nationalmannschaft zum Einsatz kommen.
Stichwort Bayern: Mit der vergangenen Saison ist Gnabry alles anders als zufrieden. Die zehn Tore, die ihm gelangen, empfindet der gebürtige Stuttgarter als deutlich zu wenig ("Ich hatte Chancen für deutlich mehr Tore") und will die abgelaufene Spielzeit nun schnell vergessen - am besten mit vielen EM-Toren.
Thomas Müller hat noch nie bei einer EM getroffen
Mit seinem ersten EM-Tor würde Turnierdebütant Gnabry übrigens auch Kroos und Müller überflügeln, die mehr Treffer im DFB-Trikot vorzuweisen haben: Auch wenn diese beiden jeweils zwei Europameisterschaften gespielt haben - ein Treffer ist beiden noch nicht gelungen. Hört sich nach einem Fall für Gnabry an. Idealweise sollten es sieben Treffer für den Bayern-Spieler werden - das würde einen deutschen Finaleinzug bedeuten.
Lesen Sie dazu auch:
- Vor EM-Turnier: Löw traf Merkel im Kanzleramt
- Matthäus: Guardiola-Fehler "unerklärlich und unverzeihlich"
- Wie Rückkehrer Mats Hummels der Nationalmannschaft helfen will