Die deutsche Nationalmannschaft steht im Halbfinale der Europameisterschaft. In einem der dramatischsten Spiele der EM-Geschichte setzte sich das Team im Elfmeterschießen mit 6:5 gegen Italien durch.
Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw trifft nun am kommenden Donnerstag im Halbfinale auf den Sieger der Partie Frankreich gegen Island. Für die deutsche Auswahl hört mit dem Sieg auch das Gerede von einem Trauma auf, das sie gegen italienische Teams hätte. Schließlich konnte man von den acht vorigen Turnierspielen gegen die Italiener keinen Sieg feiern. Der Erfolg im Viertelfinale war ebenso glücklich wie verdient.
Joachim Löw hat es tatsächlich gemacht. Der Trainer der deutschen Nationalmannschaft hat gegen Italien seine Mannschaft im Vergleich zum souverän herausgespielten Sieg gegen die Slowakei auf einer Position verändert. Ausgerechnet der beste Mann beim 3:0-Sieg musste im Viertelfinale mit einem Platz auf der Bank vorlieb nehmen. Statt Julian Draxler durfte diesmal wieder Benedikt Höwedes von Beginn an mitwirken. Das wiederum hatte zur Folge, dass aus der vormals besten abgestimmten Vierer- eine Dreierkette wurde. Löw wird sich dabei auch an den 4:1-Sieg im März erinnert haben, als sein Team mit der gleichen taktischen Formation Italien keine Chance ließ.
Italien-Trauma besiegt- Weltmeister nach Elfmeter-Krimi im Halbfinale
Diesmal aber war die Squadra Azzura darauf besser eingestellt. Noch dazu war den Deutschen von Beginn große Nervosität anzumerken. Peinlich darauf erpicht, in der Defensive keinen Fehler zu machen, verpasste es das Team, energisch den Weg nach vorne zu suchen. Das wurde auch durch die frühe Auswechslung von Sami Khedira nicht besser. Der Mittelfeldspieler musste bereits in der 15. Minute mit Leistenproblemen für Bastian Schweinsteiger weichen. Für mehr Geschwindigkeit nach vorne sorgte der Wechsel nicht. Zwar erzielte Schweinsteiger in der 27. Minute das erste Tor des Spiels, weil er dabei aber argen Gebrauch seiner Hände im Kampf um den Ball machte, erkannte Schiedsrichter Viktor Kassai zurecht auf Foulspiel.
Den Deutschen fiel gegen die Fünferkette reichlich wenig ein. Weil Joshua Kimmich und Jonas Hector auf den Außenbahnen ihr Hauptaugenmerk auf die Abwehrarbeit legten, egalisierten sich die beiden Teams lange Zeit auf überschaubaren Niveau. Es war jene Zeit, in der die deutschen Fans mit "Scheiß Italiener" ihren Ruf bestätigten, die dumpfsten Schlachtrufe grölen zu können. Beinahe wäre den Deutschen dann aber kurz vor der Halbzeit doch noch der Führungstreffer gelungen. Thomas Müller war allerdings zu überrascht, als der Ball über Toni Kroos und Kimmich zu ihm gelangte, so dass Gianluigi Buffon mit seinem Schuss aus elf Metern keine Probleme hatte (42.). Eine Minute später profitierten die Italiener von einem gemeinschaftlichen Stellungsfehler von Kimmich und Schweinsteiger, doch Sturaros Schuss wurde gerade noch zur Ecke geklärt.
Nach der Pause gelang es den Deutschen schnell, ihre Angriffe zielgerichteter zu gestalten. Als der Ball über Schweinsteiger und Gomez zu Müller gelangte, hatten die deutschen Anhänger den Torschrei bereits auf den Lippen, doch Florenzi lenkte den Schuss gerade noch zur Ecke. Die Italiener sahen sich nun permanent in die Defensive gedrängt. So unter Druck gesetzt, wussten sie sich zeitweise nur durch Foulspiele zu helfen, was zwischen der 56. und 59. Minute Gelbe Karten für Sturaro, de Sciglio und Parolo zur Folge hatte. Kurz danach war es dann aber so weit.
Gomez behauptete auf dem linken Seite energisch den Ball und spielte in einem Anfall spontaner Kreativität einen zauberhaften Ball auf Jonas Hector. Dessen Hereingabe drückte Mesut Özil aus wenigen Metern ins Tor (65). Nur drei Minuten später hätte Gomez für die Vorentscheidung sorgen können, als er einen schönen Lupfer Özils gekonnt annahm, dann aber mit der Hacke an Buffon scheiterte. So aber blieb die Partie spannend und die deutsche Elf machte den Italienern den Gefallen, sie wieder zurück ins Spiel zu holen.
Jerome Boateng sprang vollkommen sinnbefreit mit hoch ausgereckten Armen in eine Flanke Florenzis, was unweigerlich einen Elfmeterpfiff Kassais bedingte (77). Leonardo Bonucci verwandelte sicher. Mit dem Schuss zum 1:1 sahen sich die Italiener logischerweise veranlasst, sich wieder defensiver zu positionieren. Weil die deutsche Mannschaft sichtbar Angst hatte, durch einen Konter in Rückstand zu geraten, plätscherte das Spiel bis zum Abpfiff dahin. Dabei holte sich Mats Hummels allerdings noch seine zweite Gelbe Karte des Turniers ab, was eine Sperre im Halbfinale bedeutet.
In der folgenden Verlängerung war es überraschenderweise zuerst das Team Antonio Contes, dass mutiger den Weg zum Tor suchte. Die Deutschen übernahmen dann aber auch schnell wieder das Heft des Handelns. Sie machten nun den fitteren Eindruck. Weil ihnen aber kein Treffer gelingen wollte, musste schließlich das Elfmeterschießen über den Einzug ins Halbfinale entscheiden.
Dort hatte Bastian Schweinsteiger als fünfter Schütze, die Chance, den Sieg perfekt zu machen. Doch er setzte den Schuss über die Latte. Es brauchte vier weitere Schützen jeder Mannschaft, ehe sich die Deutschen feiern lassen konnten. Manuel Neuer parierte den Strafstoß von Matteo Darmian, ehe Jonas Hector den Sieg in einem jetzt schon legendären Viertelfinale tatsächlich perfekt machte.
Und so geht die EM 2016 in Frankreich weiter:
Halbfinale:
Mittwoch, 06.07.2016: Portugal - Wales, 21.00 Lyon
Donnerstag, 07.07.2016: Deutschland - Frankreich/Island, 21.00 Marseille
Finale:
Sonntag, 10.07.2016: Sieger H1 - Sieger H2, 21.00 St. Denis
AZ/dpa