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Doping-Skandal: Wirbel um Doping-Geständnis in Russland - Klagewelle droht

Doping-Skandal

Wirbel um Doping-Geständnis in Russland - Klagewelle droht

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    Bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi hat es einen Doping-Skandal gegeben.
    Bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi hat es einen Doping-Skandal gegeben. Foto: Hendrik Schmidt (dpa)

    Stimmt es, oder stimmt es nicht? Ein erstes Eingeständnis von Doping-Vertuschungen in Russland von Rusada-Chefin Anna Anzeliowitsch ist gleich wieder einkassiert worden. Die Aussagen in der "New York Times" seien verfälscht und aus dem Zusammenhang gerissen, teilte die Anti-Doping-Agentur Rusada am Mittwoch mit. Auch der Kreml bezweifelte die Glaubwürdigkeit des Berichts in der renommierten US-Zeitung. Erst müsse man prüfen, ob die Aussage so gefallen sei, wie sie Anzeliowitsch zugeschrieben werde, sagte Sprecher Dmitri Peskow.

    "Das IOC wartet auf Klärung", sagte ein Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees. Man werde die Angelegenheit zunächst nicht kommentieren. Insgeheim hofft man wohl, dass das Doping-Eingeständnis Bestand haben wird. Für den in der Kritik stehenden

    Doping-Skandal um Russland rüttelt an Glaubwürdigkeit

    "Es war eine institutionelle Verschwörung", hatte Rusada-Chefin Anna Anzeliowitsch laut "New York Times" gesagt. Sie sei schockiert gewesen von den Enthüllungen dazu, die Regierung sei jedoch nicht involviert gewesen. 

    Der russische Doping-Skandal im Schnelldurchlauf

    3. Dezember 2014: Alles beginnt mit dem Dokumentarfilm «Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht». Das Image des russischen Sports wird durch Enthüllungen der ARD über systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption auf schockierende Weise beschädigt...

    ... Die Dokumentation präsentiert geheime Aufzeichnungen mit Hinweisen auf ein staatlich unterstütztes Doping sowie auf einen offenbar im Hintergrund wirkenden Betrugs- und Vertuschungsapparat. Sogar die Spitze des Leichtathletik-Weltverbandes mit Ex-Präsident Lamine Diack ist involviert.

    16. Dezember 2014: Die Welt-Anti-Doping setzt eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen den russischen Spitzensport ein. Der frühere WADA-Chef Richard W. Pound führt das dreiköpfige Gremium an, ihm zur Seite stehen Experte Richard McLaren und der deutsche Kriminalbeamte Günter Younger.

    16. Juli 2015: Aufgrund von Doping-Ermittlungen zieht der russische Leichtathletik-Verband vorläufig sein komplettes Geher-Team von internationalen Wettkämpfen zurück. Die WM findet Ende August in Peking ohne die mit Abstand erfolgreichste Geher-Nation statt.

    4. November 2015: Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Die französische Justiz erhebt Anklage gegen den 82-Jährigen. Diack soll in seiner Amtszeit mehr als eine Million Euro für die Vertuschung positiver Doping-Proben kassiert haben, erklärt eine französische Staatsanwältin.

    9. November 2015: Die unabhängige WADA-Kommission um Pound legt ihren ersten Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeigt. Die Kommission empfiehlt, Russland aus der IAAF auszuschließen. 

    10. November 2015: Die WADA entzieht dem Doping-Kontrolllabor in Moskau vorläufig die Akkreditierung. Das Internationale Olympische Komitee suspendiert das IOC-Ehrenmitglied Lamine Diack.

    13. November 2015: Die IAAF suspendiert den Gesamtrussischen Leichtathletik-Verband ARAF angesichts der gravierenden Dopingvorwürfe.

    18. November 2015: Die WADA suspendiert Russlands Anti-Doping-Agentur RUSADA, weil sie die Regeln nicht eingehalten hat.

    7. Januar 2016: Die Ethikkommission der IAAF sperrt im Zuge des Dopingskandals den Sohn von Ex-Präsident Diack, Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow und Russlands Ex-Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Der frühere Anti-Doping-Chef Gabriel Dollé wird für fünf Jahre gesperrt.

    14. Januar 2016: Bei der Präsentation des zweiten Berichts wirft die unabhängige WADA-Kommission der IAAF «ein komplettes Versagen im Kampf gegen Doping und Korruption» vor. Hauptverantwortlicher für die «Organisation und Ermöglichung der Verschwörung» sei der frühere IAAF-Präsident Diack.

    6. März 2016: Das angeblich große Reinemachen in der russischen Leichtathletik wird durch neue Vorwürfe gegen die Sport-Weltmacht erschüttert. Eine neue TV-Dokumentation präsentiert im WDR Belege für Verstöße von Russlands Leichtathletik gegen Auflagen vom Weltverband IAAF und der Welt-Anti-Doping-Agentur. 

    7. März 2016: Die russische Weltklasse-Spielerin Maria Scharapowa ist bei den Australian Open im Januar positiv auf Meldonium getestet worden. Das gibt sie selbst bekannt. Bis Mitte April verzeichnet die WADA mehr als 170 Positiv-Tests auf Meldonium, das erst seit Jahresanfang auf der Liste der verbotenen Mittel steht. Da unklar ist, wie lange Meldonium nachweisbar ist, lockert die WADA ihre Richtlinien.

    12. Mai 2016: Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, Gregori Rodschenkow, behauptet in der «New York Times», dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. US-Justiz, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und die WADA nehmen Ermittlungen auf.

    17. Mai 2016: Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking werden 31 Sportler positiv getestet. Darunter sollen 14 russische Sportler sein, offenbar auch zehn Medaillengewinner. Eine davon ist Hochsprung-Olympiasiegerin Anna Tschitscherowa. Gleichzeitig setzt die WADA eine Untersuchungskommission wegen der Sotschi-Vorwürfe ein.

    27. Mai 2016: Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Spielen 2012 in London sind 23 Sportler positiv getestet worden. Hinzu kommt eine weitere positive Probe von den Sommerspielen 2008 in Peking. Acht russische Sportler sind betroffen.

    8. Juni 2016: Scharapowa wird für zwei Jahre wegen ihres positiven Tests auf Meldonium gesperrt.

    15. Juni 2016: Die WADA erhebt erneut schwere Vorwürfe. So sollen zwischen dem 15. Februar und 29. Mai insgesamt 736 geplante Dopingkontrollen nicht durchgeführt worden sein. Kontrolleure seien in Russland von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden.

    17. Juni 2016: Einstimmig bestätigt das Council der IAAF die Sperre für die russischen Leichtathleten. Damit dürfen sie bei den Olympischen Spielen in Rio nicht starten. Es gibt jedoch einen Kompromiss. Einzelne Athleten können unter neutraler Flagge teilnehmen, sofern sie nicht im russischen Doping-System involviert sind. So erhält Weitspringerin Darja Klischina eine Ausnahmegenehmigung von der IAAF.

    3. Juli 2016: Russland legt Einspruch gegen den Olympia-Ausschluss seiner Leichtathleten vor dem CAS ein.

    11. Juli 2016: Der CAS verschiebt ein Urteil im Fall Maria Scharapowa auf September. Damit ist sie bei Olympia nicht dabei.

    18. Juli: Die Welt-Anti-Doping-Agentur legt ihren Ermittlungsbericht zu den Doping-Anschuldigungen rund um die Winterspiele in Sotschi gravierende Belege für staatlich gesteuertes Doping in Russland vor. Im Moskauer Dopinglabor seien über Jahre hinweg positive Proben verschwunden, das russische Sportministerium habe die Manipulationen überwacht, hieß es in dem in Toronto vorgestellten Report. Eine Empfehlung für Sanktionen wie einen Olympia-Ausschluss gab er aber nicht.

    bis 21. Juli 2016: Der CAS will über den Einspruch gegen den Ausschluss russischer Leichtathleten in Rio entscheiden

    Der Wortlaut greift genau die Formulierung des Doping-Sonderermittlers Richard McLaren bei seinen Vorwürfen gegen Russland auf. Der Chefermittler der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hatte Russland in seinen beiden Reports angesichts von 1000 involvierten Sportlern Staatsdoping vorgeworfen und von einer "institutionellen Verschwörung" über mehrere Jahre und sportlichen Großereignissen, auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi hinweg, gesprochen.

    Egal, ob die Anzeliowitsch-Aussagen so oder so gefallen sind - längst rüttelt der Doping-Skandal um Russland an den Grundfesten und der Glaubwürdigkeit des Sports. In eineinhalb Jahren findet mit der Fußball-WM das nächste Großereignis in Russland statt.

    Klage gegen die FIS ist eingereicht

    Nachdem das IOC kurz vor Weihnachten ein Disziplinarverfahren gegen 28 Russen eingeleitet hatte, wurden vom Skiweltverband FIS sechs und vom Biathlon-Weltverband IBU zwei Sportler gesperrt. Einer davon ist Langlauf-Olympiasieger Alexander Legkow. Der 50-Kilometer-Sieger von Sotschi klagt genau wie sein Kollege Jewgeni Below gegen die Suspendierung und hat den Bochumer Anwalt Christof Wieschemann, einen Sportrechtler, engagiert. Die Klage gegen die FIS ist eingereicht. Bei der am Silvestertag beginnenden Tour de Ski will Legkow starten.

    Gegen 31 russische Biathleten besteht ein Doping-Verdacht.
    Gegen 31 russische Biathleten besteht ein Doping-Verdacht. Foto: Sergei Ilnitsky (dpa)

    "Es geht schließlich um Existenzen. Bei der Tour geht es um sehr viele Weltcup-Punkte, damit auch Startplätze. Es geht um viel Geld und Prämien. All das hat weitreichendere Konsequenzen als nur eine vorläufige Sperre", sagte Legkows deutscher Trainer Markus Cramer. Sein Schützling sei weder vor, während, noch nach den Spielen jemals positiv getestet worden. Der Sauerländer ist seit anderthalb Jahren in Russland und hat wie sein Biathlon-Kollege Ricco Groß bei seinem Amtsantritt klare Ansagen in Sachen Doping gemacht: "Für mich gibt es nur eine Null-Toleranz-Politik."

    McLaren-Report: Urinproben ohne Auffälligkeiten

    Professor Richard McLaren hatte 95 Proben russischer Athleten von Sotschi untersucht und sie dem IOC zur Verfügung gestellt.
    Professor Richard McLaren hatte 95 Proben russischer Athleten von Sotschi untersucht und sie dem IOC zur Verfügung gestellt. Foto: Facundo Arrizabalaga (dpa)

    Cramer sieht einen Teil der Athleten als Spielball der Sportpolitik. "Es ist für mich eine ungewöhnliche Situation, wenn ein erwachsener Mann vor mir steht und unter Tränen schwört, nichts Verbotenes getan zu haben." Legkow werde im McLaren-Report in einer Gruppe geführt, deren Urinproben selbst keine Auffälligkeiten aufweisen. Es gibt aber die Annahme, dass die Probenflaschen geöffnet worden sein sollen. "Russland", sagt Cramer, "wollte bei Olympia 2014 wohl unter allen Umständen einen positiven Fall vermeiden und hat möglicherweise deshalb auf Verdacht alle Proben vertauscht. Das kann man aber dem Sportler nicht anlasten."

    Im Weltverband FIS ist man sich des Risikos der Suspendierungen bewusst. "Die haben wir sofort provisorisch bestraft, obwohl wir noch auf Beweise warten müssen. Wir nehmen da ein gewisses Risiko auf uns. Aber wir mussten reagieren, weil die Saison im Langlauf jetzt mit der Tour de Ski schon weitergeht", erklärte Weltverbands-Präsident Gianfranco Kasper. 

    Der 72-jährige Schweizer gab in einem Gespräch mit der "Berliner Zeitung" (Mittwochausgabe) zu, dass die Entscheidung des russischen Ski-Verbandes, das Langlauf-Weltcupfinale zurückzugeben, "auf einen gewissen Druck hin" fiel. "Wir haben gesagt: Entweder Ihr macht es selbst, sonst machen wir es."

    Gerald Fritsche und Friedemann Kohler, dpa

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