Bei all den Doping-Vorwürfen hatte Mark S. stets betont, als Arzt vor allem auf das Wohl der Sportler bedacht gewesen zu sein.
Nun aber musste der Erfurter in einer spontanen Erklärung vor dem Landgericht München II einräumen, bei einem zentralen Punkt der Anklage gepfuscht zu haben. Der 42-Jährige berichtete, dass er einer Mountainbikerin ein nicht nur zum Doping nutzloses, sondern auch noch potenziell schädliches Präparat verabreicht hatte. "Das Ding ist in die Hose gegangen", schilderte er geknickt. "Es fällt mir schwer, darüber zu reden. Ich hatte da eine schlechte Stunde."
Im September 2017 hatte Mark S. der Österreicherin Christina Kollmann-Forstner ein in einer Flüssigkeit aufgelöstes Pulver in den Arm gespritzt. Der Sportlerin wurde danach schlecht, ihr Urin färbte sich rot. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mediziner deshalb neben fast 150 Dopingfällen auch gefährliche Körperverletzung vor.
"Ich habe das nicht ordentlich geprüft", sagte der Arzt über den Vorfall. Anstelle von gentechnisch manipuliertem Hämoglobin (HBOC), so seine Aussage, habe er der Mountainbikerin sogenanntes Methämoglobin verabreicht. Diese teils auch aus Blut von Mäusen, Katzen, Rindern und Elefanten gewonnene Substanz aber kann keinen Sauerstoff transportieren und ist somit als Dopingmittel wertlos.
"Oberflächlich, ungenau", habe er sich verhalten, sagte Mark S. und gab an, seinem zuvor stets zuverlässigen kroatischen Lieferanten "da einfach vertraut" zu haben. Das Etikett auf der Plastikflasche hatte er jedenfalls nicht gelesen. Dort müsste "R&D Use Only", also nur für Forschung und Entwicklung, gestanden haben. Das sagte Renate Stiess vom Chemiekonzerns Merck, dessen Tochtergesellschaft Sigma-Aldrich ebenjenes Methämoglobin vertreibt. Stiess unterstrich als Zeugin, dass das Pulver nicht für die Anwendung an Menschen vorgesehen sei.
Der Strategie der Verteidigung, Mark S. als sorgfältigen Arzt darzustellen, der beim Doping wenigstens auf medizinische Standards achtet, dürfte die Episode schaden. "Schuster, bleib bei deinen Leisten", sagte der Hauptangeklagte über sich selbst mit Verweis auf das Blutdoping, das er jahrelang an Sportlern praktiziert hatte, die er als "Familie" bezeichnete. "Das nagt innerlich ein bisschen."
Der frühere Lübecker Universitätsprofessor Wolfgang Jelkmann, der als Sachverständiger den Sitzungen beiwohnt, meinte: "Bevor ich jemandem etwas injiziere, informiere ich mich doch, was das ist." Körperliche Schäden habe Kollmann-Forstner immerhin nicht davongetragen. Zudem sagte der Biologe aus, dass sich Mark S. nach der Behandlung, als es der Athletin noch schlecht ging, adäquat um sie gekümmert habe. "Es ist ja nochmal gut gegangen", sagte Jelkmann.
© dpa-infocom, dpa:201204-99-574171/6 (dpa)
Ansprechpartner am Landgericht